Nun Gesetz: Altmodule sind Elektroschrott
Die Entwicklung war seit einigen Jahren absehbar: In Zukunft werden auch ausrangierte Solarmodule gesetzlich als Elektronikschrott behandelt. Mit einer Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) setzt Deutschland die entsprechenden Vorgaben der europäischen WEEE-Richtlinie (Waste Electrical and Electronic Equipment) aus dem Jahr 2012 um. Das ElektroG wurde am 10. Juli abschließend im Bundesrat behandelt und soll in den nächsten Wochen in Kraft treten. „Das neue Gesetz hat für die Solarbranche hohe Relevanz“, sagt Christian Brennig vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Denn es betreffe alle so genannten In-Verkehr-Bringer. Das sind Hersteller, Importeure und Großhändler, aber auch Firmen, die Module anderer Anbieter unter eigenem Markennamen weiterverkaufen. Sie alle nämlich müssen künftig durch eine Registrierung die ordnungsgemäße Entsorgung alter Module sicherstellen. Nicht betroffen sind hingegen die Handwerker, die die Module lediglich installieren. Doch im Einzelfall kann die Abgrenzung schwer sein, entsprechend ist die Verunsicherung in der Branche erheblich. Der BSW plant aus diesem Grund im Herbst eine Informationsveranstaltung zum Thema. Pflichten der Installateure In jedem Fall müssen alle Fachbetriebe sich in Zukunft darüber informieren, ob ihre Lieferanten oder Hersteller bereits registriert sind, eine Registrierung anstreben oder ob es einen anderen formalen In-Verkehr-Bringer gibt, der die Pflichten für das konkrete Produkt übernimmt. Da vor allem kleinere Handwerksbetriebe künftig darauf achten werden, nur Ware einzukaufen, die von registrierten Lieferanten stammt (um nicht selbst den entsprechenden Aufwand leisten zu müssen), dürfte die Übernahme der Registrierung durch Großhändler auch ein wichtiges Marketinginstrument sein. Wer selbst importiert oder die Module mit seinem eigenen Firmenlabel versieht, muss sich jedoch zwingend registrieren lassen. Ein ausländisches Unternehmen, das auf dem deutschen Markt agiert, braucht dafür – und das ist neu in der Novelle des ElektroG – in Deutschland eine Niederlassung oder einen Bevollmächtigten. Dieser muss innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten des ElektroG benannt werden. Und auch wer sein Produkt in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausführt und dort unmittelbar an einen Nutzer abgibt, ist zur Registrierung verpflichtet. Für PV-Module greift die Gesetzesnovelle nach einer Übergangsfrist; die Firmen müssen bis zum Beginn des vierten Kalendermonats nach Inkrafttreten des ElektroG registriert sein, voraussichtlich also bis etwa gegen Jahresende. Die Registrierung erfolgt bei der Stiftung Elektroaltgeräteregister (Stiftung EAR). Diese wurde vom Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben nach dem ElektroG betraut und koordiniert die Bereitstellung der Sammelbehälter und die Abholung der Altgeräte. Die Hersteller erhalten bei Registrierung eine EAR-Nummer, die sie auf den Modulen anbringen müssen. Die betreffenden Unternehmen müssen dann monatlich gegenüber der Stiftung EAR die Mengen, die sie in Verkehr gebracht haben, melden. Das gleiche gilt für zurückgenommene oder ins Ausland verbrachte Mengen. Wer in Zukunft nicht-registrierte Module in den Verkehr bringt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße belegt werden kann. Darüber hinaus ist dies aber auch als ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu werten, der folglich von Mitbewerbern abgemahnt werden kann. Da das Gesetz bis zuletzt in Details immer noch ergänzt und verändert wurde, hält sich die Branche bislang mit Einschätzungen zurück. „Wir spielen gerade alle Szenarien durch“, heißt es lediglich bei IBC Solar. Aus Sicht der Kunden werde sich wohl gegenüber der jetzigen Praxis – IBC lässt die Rücknahme von Altmodulen über Dienstleister abwickeln – nichts ändern. Organisation der Rücknahme Für Endkunden ist die Entsorgung auch über die Wertstoffhöfe der Kommunen – offiziell örE genannt: öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger – in Zukunft kostenlos möglich. Die Kosten werden von den Anbietern in die Neuware eingepreist. Schätzungen gehen von Entsorgungskosten in Höhe von rund 200 Euro pro Tonne aus. Bei etwa 75 bis 90 Kilogramm Elektronikschrott pro installiertem Kilowatt wären das 15 bis 18 Euro pro kW. Die Hersteller müssen künftig entsprechend ihrem Marktanteil die Altmodule zurücknehmen, beziehungsweise die Entsorgung organisieren. Sie erhalten daher nach einem Algorithmus, der sich an ihren verkauften Mengen bemisst, volle Container von den Sammelstellen zugewiesen, die dann aber Ware aller Hersteller enthalten können. Jeder Produzent kann dann das Recycling mit eigenen Partnern selbst organisieren, was den Wettbewerb unter Wiederverwertern beflügeln soll. Speziell für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es bereits Dienstleister, wie etwa die Hamburger Firma take-e-way, die im Kundenauftrag die Produktverantwortung übernehmen, die sich aus dem Elektrogesetz, dem Batteriegesetz und anderen gesetzlichen Verwertungsregelungen ergeben. Die Firma lässt die Module dann zum Beispiel bei der Exner Trenntechnik im niedersächsischen Langelsheim zerkleinern und trennen. Die kostenlose Rücknahmepflicht gegenüber Privatbürgern umfasst übrigens stets auch die Module, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verkauft wurden, egal wie alt sie sind. Das sind dann sogenannte historische Altgeräte im Gegensatz zu den Neu-Altgeräten, die erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes verkauft werden. Parallel zum ElektroG wird auch das Batteriegesetz (BattG), das die Rücknahme und Verwertung gebrauchter Batterien regelt, gerade novelliert. So sollen künftig strengere Anforderungen für den Transport von Batterien gelten und auch die Rücknahme auf den Wertstoffhöfen wird neu organisiert. Speziell Lithium-Ionen-Akkus, vor allem, wenn sie beschädigt sind, sind schließlich nicht ungefährlich. Spezielle Behälter und Schulung des Personals sollen hier die Sicherheit garantieren. Solarspeicher sind als Industriebatterien von dem BattG bereits erfasst. Hier ist mit der Abwicklung die Stiftung GRS (Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien) beauftragt. Die Stiftung EAR, die Stiftung GRS und die Branchenverbände Bitkom und ZVEI hatten in den vergangenen Wochen zusammen mit den Industrie- und Handelskammern zahlreiche Informationstermine zu diesem Thema in allen Teilen Deutschlands angeboten. Um die Finanzierung der Entsorgung sicherzustellen, ist jeder Hersteller beziehungsweise Importeur fortan verpflichtet, der zuständigen Behörde kalenderjährlich eine insolvenzsichere Garantie für die Finanzierung der Rücknahme und Entsorgung vorzulegen. Das kann in Form einer Bankbürgschaft oder einer Bankgarantie geschehen, durch Hinterlegung zu Sicherungszwecken beim Amtsgericht oder Teilnahme an einem kollektiven Garantiesystem. Zwar gilt die Pflicht, eine insolvenzsichere Garantie zu stellen, nur für Produkte, die an Endkunden verkauft werden. Gewerbliche Nutzer müssen sich selbst um die Entsorgung kümmern. Doch ein Hersteller oder Händler wird in der Regel kaum in der Lage sein, nachzuweisen, dass er ausschließlich an Geschäftskunden verkauft. Kommunale Wertstoffhöfe sind ausschließlich für die Annahme privat genutzter Produkte vorgesehen. Das hat bei der Novelle des ElektroG zu vielen Diskussionen geführt. Denn die kommunalen Wertstoffhöfe fürchten hohe Kosten durch gewerbliche Anlieferungen. Während die Mengen aus privaten Haushalten nämlich recht kontinuierlich und damit berechenbar anfallen, ist das bei gewerblichen Abfällen nicht unbedingt der Fall. Bei Solarmodulen könnte es zum Beispiel passieren, dass bei einem Rückbau oder bei Schäden einer Großanlage mit einem Schwung große Mengen anfallen, für die nicht ausreichend Container vorgehalten werden können. Auch auf Intervention der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wurde daher kurzfristig noch ein Absatz ins Gesetz genommen, womit nun die Hersteller „für Altgeräte anderer Nutzer als privater Haushalte und für Altgeräte, die in Beschaffenheit und Mengen nicht mit den üblicherweise in privaten Haushalten anfallenden Altgeräten vergleichbar sind,“ eine andere „zumutbare Möglichkeit zur Rückgabe“ zu schaffen haben. Zur Frage, welche Mengen an Altmodulen künftig in Deutschland angeliefert werden, gibt es unterdessen nur Spekulationen. Die Stiftung EAR lässt lediglich wissen, sie erwarte erst einmal keine großen Mengen, was infolge der Lebensdauer der Module nicht überrascht. Bislang werden vor allem Module mit Transportschäden verwertet. Mehr Relevanz in 5 Jahren Der Branchenverband PV Cycle hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben rund 2100 Tonnen entgegengenommen und recycelt. 2010 waren es erst 80 Tonnen gewesen. Die gesamte installierte Menge in Europa belief sich Ende 2014 auf rund 8,1 Millionen Tonnen, rechnet der Verband vor. Er erwartet, dass in den kommenden 5 bis 10 Jahren in den reiferen Märkten (zum Beispiel Deutschland) und in 10 bis 15 Jahren in den jüngeren Märkten (Niederlande, Großbritannien) „signifikante Mengen an PV-Abfall“ anfallen werden. Genau berechenbar aber seien diese Mengen nicht. Text: Bernward Janzing Foto: PV Cycle