Solar-Interview mit Christopher Muth zur Energiewende in Frankreich

Die französische Energiewende zählt – wie ihr deutsches Pendant – zu den wichtigsten Energieprojekten in Europa. Die französische Regierung will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2040 auf mehr als 32 Prozent verdoppeln, während der Anteil an Atomstrom von 75 auf 50 Prozent sinken soll. Was die Reformen für die französische Energiepolitik bedeuten und wie […]

Die französische Energiewende zählt – wie ihr deutsches Pendant – zu den wichtigsten Energieprojekten in Europa. Die französische Regierung will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2040 auf mehr als 32 Prozent verdoppeln, während der Anteil an Atomstrom von 75 auf 50 Prozent sinken soll.
Was die Reformen für die französische Energiepolitik bedeuten und wie die Bevölkerung auf die Bemühungen reagiert, erklärt Christopher Muth, Lead Consultant Energy Analytics bei der Innovations- und Technologieberatung Altran im aktuellen Solar-Interview.

Herr Muth, die französische Energiewende und ihr deutsches Pendant sind die zukunftweisendsten Energieprojekte Europas. Die französische Regierung will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2040 auf mehr als 32 Prozent verdoppeln. Wohingegen der Anteil an Atomstrom von 75 auf 50 Prozent sinken soll.
Was bedeuten die Reformen für die Energiepolitik in unserem Nachbarland, und wie reagiert die Bevölkerung auf die Bemühungen?
Die Reformen stellen sicher eine Zäsur in der französischen Energiepolitik dar. Fraglich ist aber, wie die französische Bevölkerung das Projekt annimmt, gerade vor dem Hintergrund der stagnierenden Wirtschaft, der hohen Jugendarbeitslosigkeit und anderen gesellschaftlichen Problemen. Das Beispiel hierzulande zeigt: Auch der Verbraucher ist von den Projekten betroffen, etwa durch höhere Preise In Deutschland floriert die Wirtschaft, dennoch wird die Energiewende kritisch beäugt.
Das liegt zum einen an der Vorgehensweise, die nicht immer einheitlich wirkt und durchaus hin und wieder mit heißer Nadel gestrickt wurde. Zum anderen an steigenden Preisen für den Verbraucher, die daraus resultierten. Kurzfristig mehr für Energie zu bezahlen, um ein langfristiges Projekt zu stemmen, findet nicht überall Anklang. Hier wird es spannend zu beobachten sein, wie der französische Staat den Spagat schaffen wird. Die Gelder für die neuen Programme werden schließlich zunächst an anderer Stelle fehlen.

Gibt es Maßnahmen, die für Deutschland richtungsweisend sein können?
Grundsätzlich wird es hilfreich sein zu sehen, wie Frankreich die entsprechenden Gesetze aufsetzt und welche Wege gewählt werden. So richtig der Umstieg auf erneuerbare Energien ist, so plötzlich kam der abrupte und massive Wandel in der Atomfrage nach Fukushima 2011. Es wird in Deutschland noch einige Zeit brauchen, bis wirklich alles ineinander greift und aufeinander abgestimmt ist, was mitunter sehr kurzfristig und im Kleinen umgesetzt wurde. Hier wird man sicherlich aus dem französischen Weg lernen können.
Die Zuschüsse der energetischen Gebäudesanierung sind in meinen Augen eine sinnvolle Investition, da Frankreich in diesem Bereich erheblichen Nachholbedarf mitbringt. Das Reizthema Elektromobilität wird aus deutscher Sicht spannend zu beobachten sein. Sieben Millionen Ladestationen sind enorm. In Deutschland wurde die Forderung nach Kundenförderung bislang immer abgeschmettert. Deutsche und französische Hersteller hinken im Bereich E-Mobility den japanischen Anbietern hinterher. Man wird hierzulande sehr genau im Auge behalten, wie sich die französischen Reformen auf den Markt auswirken.

Wie könnte eine europäische Zusammenarbeit im Energiesektor mittel- bis langfristig aussehen?
De facto sind die europäischen Netze heute schon miteinander verbunden und stabilisieren sich permanent gegenseitig. Insofern sollte ein harmonisierter Strommarkt ebenfalls möglich sein. Was eine große Herausforderung wird, sind die jeweils nationalen Pläne zum Ausbau von erneuerbarer Energie. Wir in Deutschland wissen nur allzu gut, was es bedeutet, wenn einzelne Bundesländer eigene Ziele zum reinen Ausbau ausrufen, die Möglichkeiten zur Speicherung und zum Transport aber fehlen. Im schlimmsten Fall flutet deutscher Strom die osteuropäischen Netze. Daher sollte auf europäischer Ebene von Anfang an ein gemeinsamer Plan verfolgt werden, ohne den nationalen Bestrebungen zu sehr im Wege zu stehen.
In der öffentlichen Diskussion vergessen viele zudem, dass sich die Energiewende nicht nur auf Strom und Mobilität, sondern auch auf den Wärmesektor bezieht.
Dieser ist jedoch eminent wichtig. Erstens sind hier die Effizienzpotenziale gewaltig. Zweitens ist der Wärmeverbrauch signifikant hoch. Drittens werden die zukünftigen Stromnetze nur dann wirklich reibungslos funktionieren, wenn eine ganzheitliche Verbindung mit anderen Energieträgern hergestellt ist. Man bedenke hierbei die Möglichkeiten, Strom mit Power-to-Heat entweder als Wärme oder mit Power-to-Gas im Gasnetz zwischen zu speichern.
Von größter Bedeutung sind außerdem die Harmonisierung des Energiemarkts und ein gemeinsamer europäischer Weg. Gerade vor dem Hintergrund der innereuropäischen Spannungen, den unterschiedlichen Möglichkeiten zum Ausbau von jeweiliger erneuerbarer Energie und den jeweiligen nationalen Plänen ist ein gleichermaßen ambitioniertes wie rücksichtvolles gemeinsames Vorgehen notwendig.

Denken Sie, dass in naher Zukunft eine gesamteuropäische Lösung realisierbar wäre?
Technisch sind wir schon weit fortgeschritten. Eine komplette Energiewende ist aber nur möglich, wenn etwa stetig Windstrom aus Skandinavien und Solarstrom aus Südeuropa fließt, der in den Alpenländern auch zwischengespeichert werden kann. Rein logistisch betrachtet wird die Energieunion kommen. Fraglich ist jedoch, ob die europäische Idee aktuell auch noch eine ambitionierte europäische Energiewende zu tragen bereit ist.

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