Solarthermie 2020 – mehr als nur Potenzial?
Timo Leukefeld ist Professor für Solarthermie an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Er ist aber auch Praktiker. Er will Gebäude mit Wärmetechnik ausstatten, die große Teile ihres Energieverbrauchs über Solarthermie decken. Man dürfe sich aber nichts vormachen, sagt Leukefeld. Der Erfolg der Solarthemie hänge vor allem von den Energiepreisen ab. Und hier sehe es so aus, als würden sich diese über die nächsten Jahre hinweg auf realativ niedrigem Niveau stabilisieren. Da werde jegliche wirtschaftliche Amortisation in aktzeptablen Zeiträumen nahezu unmöglich – egal ob es sich um eine bessere Gebäudedämmung oder um den Einsatz von Solarthermie – zusätzlich zu einem sowieso installierten Heizsystem – handele. Dabei, so Leukefeld, sei jetzt eigentlich der ideale Zeitpunkt, um in Solarthermie zu investieren. Niedrige Energiepreise würden finanzielle Freiräume schaffen, die Finanzierungskosten seien extrem niedrig und zudem stünden mit dem Marktanreizprogramm Fördermittel zur Verfügung. Baustein für Klimaneutralität Aus Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) sei eine stärkere Rolle der Solarthermie wünschenswert, erklärt Silke Stahl aus dem für die Förderung zuständigen Fachreferat des BMWi. Wärme aus erneuerbaren Energien sei ein wichtiger Baustein für „klimaneutrale Gebäude“, doch Biomasse habe natürliche Grenzen und Geothermie werde erst mittelfristig größere Beiträge liefern können. Aber, so betont Stahl, trotz ihrer 20-jährigen Förderung erreiche die Solarthermie an der Deckung des bundesweiten Wärmebedarfs erst einen Anteil von 1 Prozent. Nach Aussage von Hans-Martin Henning, der als stellvertretender Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg auch das Geschäftsfeld Energieeffiziente Gebäude koordiniert, habe Solarthermie das Potenzial, zukünftig 15 bis 25 Prozent des Bedarfs an Raumheizung und Warmwasser zu decken sowie im einstelligen Prozentbereich Anteile am Prozesswärmebedarf zu liefern. Voraussetzung sei jedoch eine Reduktion der Kosten. Und, so Henning, Solarthermie sei aber nicht unverzichtbar zur Erreichung der Klimaschutzziele. Der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) konstatiert in seinem Positionspapier zu erneuerbarer Wärme, der Markt für Solarthermie in Deutschland schrumpfe und eine Besserung zeichne sich aktuell nicht ab. Eine wesentliche Ursache dafür sei, dass die Solarthermie nur eine Zusatzwärmeequelle sei, die sich über Brennstoffeinsparungen refinanzieren müsse. So aber werde bei den heutigen Preisen für Solaranlagen und den relativ günstigen fossilen Energien die Wirtschaftlichkeit meist nicht erreicht. Und angesichts dessen sei die Förderquote im Marktanreizprogramm des Bundes nicht ausreichend. Als weiteres Problem komme die Komplexität von Heizungsanlagen für das installierende Handwerk hinzu, das auch mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen habe. Dies erhöhe tendenziell die Mangelhäufigkeit bei den Anlageninstallationen. Die Ausgangsposition der Solarthermie ist also nicht optimal. Dabei spielt auch eine Rolle, dass das Potenzial der Technologie kaum beachtet wird. „Aufgrund der starken Präsenz der Photovoltaik in der Öffentlichkeit nimmt die Wahrnehmung der Solarwärme durch potenzielle Kunden ab“, erklärt der FVEE. „Die Solarthermie hat keine Lobby“, sagt Leukefeld. Solarthermie für Wärmenetze Dennoch gibt es Ansatzpunkte, die die Solarwärme im Jahr 2020 in einem anderen Licht zeigen könnte. Einer dieser Bereiche, wo in fünf Jahren eine Reihe von ersten Projekte realisiert und Beispiele für einen neuen Markt sein könnten, sind solarthermische Großanlagen, die in Wärmenetze einspeisen. Arcon bringt einige Erfahrungen aus Dänemark mit. Ritter Solar XL konnte in Büsingen eine erste größere Anlage realisieren. Und auch Unternehmen wie Bosch und Viessmann wollen in diesem Geschäftfeld tätig werden. Ebenso wie KBB Kollektorbau, KPV und S.O.L.I.D. unterstützen sie die von solites in Kooperation mit der Zeitschrift Energiekommune gegründete Initiative, die mehr Wissen zu solaren Wärmenetzen vermitteln soll. Ohne Förderung könnten große solarthermische Kollektorfelder Wärme für um die 5 Cent/kWh in solare Wärmenetze einspeisen, erklärt Thomas Pauschinger von solites. Damit sei Solarwärme konkurrenzfähig. Noch gibt es dafür zwar in Deutschland kaum Beispiele. Dies könnte sich allerdings innerhalb von fünf Jahren ändern. Sind die ersten Projekte dann ebenso erfolgreich wie in Dänemark, könnte dies zu einem deutlichen Ausbau dieser Technik führen. Auch Leukefeld sieht hier gute Möglichkeiten. „Das ist eine sehr gute Sache.“ Es hänge aber sehr von den Rahmenbedingungen ab. So wirke hier die Förderung für Kraft-Wärme-Kopplung dagegen. Vor allem sei derzeit der Unsicherheitsfaktor für Investoren sehr groß. Denn es könne sein, dass die Politik die Bedingungen in wenigen Jahren ändere und damit die Kalkulationsbasis für solare Wärmenetze über den Haufen werfe. Denn hier sei die Solarthermie zwar ohne Zuschüsse schon wettbewerbsfähig, doch könne die Wirtschaftlichkeit durch die Förderung anderer Wärmetechnologien gestört werden. Es fehlt aus Sicht des Experten also ein klares und verlässliches Votum politischer Entscheidungsträger für den Ausbau solarer Wärme. Für Gerhard Stryi-Hipp, dem Leiter des Fachausschusses „Zukunft der erneuerbaren Wärme“ beim FVEE, ist die Frage zur – näheren – Zukunft der Solarthermie eng verknüpft mit der Entwicklung des gesamten Energiesystems. „Solarthermie ist unter heutigen Randbedingungen wenig attraktiv“, so Stryi-Hipp. Sie verkomme zur Nischentechnologie und die dort tätigen Einzelakteure könnten dem derzeitigen Trend kaum etwas entgegen setzen. So sei Solartermie in einigen Fällen als Prozesswärme gut einsetzbar, aber die damit verbundenen Erwartungen an ein größeres Geschäftsvolumen hätten sich nicht erfüllt, weil der Aufwand für die Investorenansprache sowie für die jeweilige Planung unterschätzt worden sei. Die Systeme müssten für die Nutzer einfacher werden. Doch die Industrie sei heute aufgrund des stark geschrumpften Marktes kaum noch in der Lage, die Kofinanzierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu übernehmen. In solchen Phasen sollte der Staat die Kontinuität in der Forschung sicherstellen. In Systemlösungen denken Stryi-Hipp weist auf die Diskrepanz zwischen der aktuellen Situation für die Solarthermie und dem eigentlich Erforderlichen hin. So wie es der FVEE in seinem Positionspapier fordere, müssten Strom- und Wärmeversorgung sowie Mobilität als ein System betrachtet werden. Mit Blick auf dieses gesamte System erklärt Stryi-Hipp: „Diejenigen, die sagen, man könne die Solarthermie abschreiben, liegen falsch.“ Wenn tatsächlich Klimaneutralität im Wärmebereich angestrebt werde, dann komme man an der Solarthermie kaum vorbei. Biomasse habe nur begrenzte Ressourcen und auch das Potenziel von Power-to-Heat, also Überschussstrom zu Wärme, werde sehr deutlich überschätzt. Es lohnt sich nach Meinung von Stryi-Hipp, mehr für Solarthermie zu tun. Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre sieht er Entwicklungschancen bei Speichern, bei der Verbesserung, vor allem Vereinfachung von Systemen und einer damit verbundenen Kostenreduktion sowie bei Regelungen, die für Installateure und Nutzer einfacher sein sollten. Die Digitalisierung ist für ihn in den nächsten Jahren ebenso ein Thema wie Fassadenkollektoren und möglicherweise auch Kunststoffkollektoren. Solaraktivhäuser im Kommen Weitere Fortschritte erwartet Stryi-Hipp in den kommenden Jahren bei den Solaraktivhäusern mit hohen solaren Deckungsraten von mindestens 50 Prozent. Und auch Harald Drück, der Leiter des Forschungs- und Testzentrum für Solaranlagen an der Universität Stuttgart, sagt: „Solaraktivhäuser werden eine entscheidende Größe sein.“ So sei es durchaus realistisch, dass innovative Wärmespeicherkonzepte wie z.B. vakuumgedämmte Warmwasserspeicher breiter angewendet und erste thermochemische Speicher am Markt verfügbar sein würden. Und weitere Innovationen seien zu erwarten, wenn der Stellenwert der Solarthermie steige. So werde die Fassadenintegration, insbesondere vor dem Hintergrund begrenzter oder bereits durch PV belegter Dachflächen, deutlich an Bedeutung gewinnen. Für ganz andere Kollektormaterialien – sprich Kunststoff – sieht Drück in Deutschland anders als in einigen ausländischen Märkten in nächster Zeit aber keine großen Absatzchancen. Für Leukefeld sind neue Materialien sowieso nur eine Nebensache. Durch Hochtechnologie werde kein Quadratmeter mehr verkauft. Allerdings müsse sich Solarthermie als Teil einer tatsächlichen Lösung verkaufen und mit hohen solaren Deckungsraten einen wichtigen Anteil der Energiekonzeptes auch von Mehrfamilienhäusern einnehmen. Bis 2020 werde sich hier zeigen, dass aus dem Potenzial auch Realitäten werden könnten. Text:Andreas Witt Foto: Guido Bröer