Windbranche auf Personalsuche

Solarthemen 457.Die jüngsten Zubaurekorde sorgen für einen stark wachsenden Personalbedarf der deutschen Windkraftbranche. Zugleich sorgt die Ankündigung der Bundesregie­rung, den jährlichen Ausbau ab 2017 über Ausschreibungen begrenzen zu wollen, für Planungsunsicherheit. Die Personalabteilun­gen der Unternehmen lassen sich davon bislang wenig beirren. Schon 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Kathleen Schubert, Personalberaterin des dänischen Anlagenherstellers Vestas, […]
JobmesseHusum1Solarthemen 457.Die jüngsten Zubaurekorde sorgen für einen stark wachsenden Personalbedarf der deutschen Windkraftbranche. Zugleich sorgt die Ankündigung der Bundesregie­rung, den jährlichen Ausbau ab 2017 über Ausschreibungen begrenzen zu wollen, für Planungsunsicherheit. Die Personalabteilun­gen der Unternehmen lassen sich davon bislang wenig beirren. Schon 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Kathleen Schubert, Personalberaterin des dänischen Anlagenherstellers Vestas, allein in Deutschland seit Anfang 2014 eingestellt und 100 Stellen sind aktuell noch offen. Seit dem vergangenen Jahr sei die Belegschaft von Vestas weltweit von 16000 auf 20000 angewachsen, berichtet Schubert, und damit sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: „Tendenziell wird das Wachstum der Mitarbeiterzahl im nächsten Jahr noch weitergehen, aber wohl nicht mehr so schnell.“ Dass die längerfristigen Aussichten – gerade für den deutschen Markt – im Moment nicht klar seien, erfüllt die Rekruiterin zwar mit einer gewissen Sorge. Allerdings habe dies für ihr Tagesgeschäft noch keine Auswirkungen, berichtet sie. Typische Projektlaufzeiten betrügen in der Windbranche zwei Jahre. Da wisse man relativ frühzeitig, wie viel Arbeit anfallen werde: „Ich stelle Mitarbeiter nach unseren aktuellen Verkaufszahlen und mit Blick auf die 2-jährigen Projektlaufzeiten ein.“ Selbst wenn neue Windparks ab 2017 in Deutschland ausgeschrieben werden müssten, werde dann ja noch eine Pipeline an laufenden Projekten abzuarbeiten sein. Nachhaltiges Wachstum Auch Enercon-Personalreferent Florian Rathkamp ist weiterhin auf Personalsuche: „Wir setzen darauf, dass der Markt langfristig weiterläuft. Wir haben dabei immer auf ein gesundes Wachstum geachtet, nicht jede Welle mitgenommen.So wollen wir es auch weiterhin tun.“ Rathkamp verweist im Gespräch mit Bewerbern gern darauf, dass bei dem deutschen Marktführer bislang in jedem Jahr seit der Firmengründung 1984 mehr Leute beschäftigt waren als im jeweiligen Vorjahr. Das soll heißen: Wer heute bei Enercon anheuert, wählt einen recht sicheren Job. Gerade nach den massiven Jobverlusten in der deutschen Photovoltaik-Industrie seien Öffentlichkeit und Bewerber durchaus skeptisch, wie sicher die Arbeitsplätze in der schnell wachsenden Windbranche tatsächlich seien, deutet Rathkamp an und er meint: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in Sippenhaft genommen werden.“ Zu­mal ja auch in Windkraftfirmen in den Krisenjahren Leute entlassen wurden. Das hat sowohl Schubert 2012 bei Vestas erlebt als auch Christoph Pyrlik, verantwortlich für Personal-Marketing beim Rostocker Windenergie-Hersteller Nordex. Nordex hat sich nach einer schweren Krise, die in den Jahren 2011 und 2012 zu massiven Entlassungen führte, vollständig neu aufgestellt. Mittlerweile konzentriert sich das Unternehmen ausschließlich auf den Binnenland-Windmarkt, wo Nordex zuletzt Marktanteile gewinnen konnte. Seitdem geht es wieder aufwärts. „Wir haben allein in diesem Jahr schon weit über 100 Leute eingestellt“, kann Pyrlik freudig berichten. Die Nordex-Belegschaft an den beiden Hauptstandorten in Rostock und Hamburg ist mittlerweile auf rund 2000 Beschäftigte angewachsen. Sei in früheren Jahren durchaus ein zu ambitioniertes Wachstum beim Personal mitverantwortlich für die Krise gewesen, so achte man gerade in der aktuellen Boomphase auf Nachhaltigkeit in der Personalplanung, sagt Pyrlik: „Das Management hat im Moment nur diejenigen Stellen zur Besetzung freigegeben, die eine mehrjährige Perspektive haben.“ Wie es in Zeiten der Ausschreibungen weitergehen werde, das sei auch für die Personaler in den Unternehmen eine wichtige Frage – die aber momentan nicht zu beantworten sei, so Pyrlik: „Keiner von uns hat eine Glaskugel. Wir werden allerdings in den nächsten zwei Jahren weiterhin moderat wachsen“, das ist seine Hauptbotschaft. Servicetechniker gesucht Eher stürmisch sieht hingegen Michael Glintenkamp von der Deutsche Windtechnik AG in Bremen den Personalbedarf seines Unternehmens in den kommenden Jahren. Spezialisiert auf herstellerunabhängige Betriebsführungs-, Wartungs- und Serviceaufgaben bei bestehenden Windparks sieht Glintenkamp seinen Markt nicht nur als krisenfest an, sondern auch als stetig wachsend. Beschäftigt die Deutsche Windtechnik aktuell mehr als 700 Mitarbeiter, so soll sich ihre Zahl bis zum Jahr 2020 auf rund 1500 mehr als verdoppeln. „Für mich ist recht klar zu beziffern, wie sich unser Markt entwickelt“, sagt Glintenkamp. Obendrein geht der Trend nach seiner Ansicht zum herstellerunabhängigen Service. Trotzdem oder gerade deshalb hat er ein Problem: „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt“ – jedenfalls bei dem Bewerbertyp, den neben den unabhängigen Serviceanbietern auch die Anlagenhersteller am dringendsten suchen: den Service- und Montagetechniker. Das sind beispielsweise Elektriker, Schlosser und Mechatroniker, die über die Fähigkeiten – und die Schwindelfreiheit – verfügen, um an Land oder auf See auf den Anlagen Hand anzulegen. „Ich könnte im Moment gar nicht sagen, wie viele Leute ich brauche“, schmunzelt Glintenkamp, „Denn Fakt ist: ich bekomme diese Leute nicht.“ Auch für Vestas-Personalerin Kathleen Schubert gilt die Vorgabe, dass man sich als Hersteller den Servicebereich nicht von den unabhängigen Anbietern abjagen lassen will: „Das ist für uns ein Business.“ Und zwar ein krisenfestes – gerade angesichts der eher unklaren Zukunftsaussichten für den Neubausektor. Auch beim deutschen Marktführer Enercon arbeitet derzeit schon jeder vierte der inzwischen in Deutschland 10000 und weltweit 20000 Mitarbeiter im Bereich von Wartung und Service – einschließlich der Errichtung neuer Anlagen. Doch nicht nur Servicemonteure sind bei den Unternehmen heiß begeht. Bei den Herstellern sorgen immer schnellere Innovationszyklen für einen hohen Bedarf an Ingenieuren. So differenziert Florian Rathkamp von Enercon angesichts der unsicheren Zukunftsaussichten: „Wir schauen in diesen Zeiten genau, in welchen Bereichen wir einstellen: Forschung und Entwicklung geht immer. Im Vertrieb sind wir derzeit eher vorsichtig.“ Bei Enercon gebe es dabei einen Trend zum Spezialistentum: „Wir suchen noch speziellere Qualifikationen als früher, weil das Produkt immer spezieller wird.“ So habe man in den vergangenen Jahren viele Kollegen aus der Automobil- oder der Luftfahrtindustrie für die Windkraft gewinnen können. Nicht zuletzt deshalb, weil die Energiewende als zukunftssicheres Betätigungsfeld galt. Die anstehende Novelle des EEG wird mit darüber entscheiden, ob das so bleibt. Text: Guido Bröer Foto: Husum Messe & Congress

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