SPEICHER 2020: Produkte für viele Zwecke

Solarthemen 458. Welche Rolle Speicher im Energiemarkt des Jahres 2020 einnehmen werden, ist noch ungewiss. Dies hat vor allem mit unklaren Signalen aus der Politik zu tun. Die tech­ni­sche Entwicklung hat in den vergangenen Jahren zugelegt.

Für Marcus Müller, den Manager des Projektes EEBatt an der Technischen Universität München, zeigt sich ein Teil der Zukunft der Energiespeicherung im bayerischen Moosham. Dort wird gerade eine große Batterie, die „Energy Neighbor“ genannt wird, nach und nach in Betrieb genommen. Industriepartner des Projektes ist die Varta Storage GmbH.Das Unternehmen liefert auch die Batterien mit insgesamt 200 kWh Speicherkapazität und 250 kW Leistung. Richtig starten solle der Feldtest am 1. Januar 2016, berichtet Müller. Und damit würden gleich mehrere Zielsetzungen verfolgt. Zum einen solle der Ortsnetztransformator in der Region entlastet werden. An einigen Stunden im Jahr sei dieser überlastet. Die Batterie solle dies abpuffern und so den Ausbau des Netzes vermeiden. Zudem könne sie für die negative Regelleistung eingesetzt werden – besonders nachts, wenn kein Solarstrom produziert werde, gebe es dafür Speicherkapazitäten. Morgens oder – falls absehbar keine Sonne scheine – auch im weiteren Tagesverlauf könne der Strom dann wieder ins Netz gespeist werden. Die dritte Aufgabe besteht nach Aussage von Müller darin, durch die größere Speichereinheit eine gewisse Zahl von kleinen Heimspeichern zu ersetzen. „Heimspeicher sind eigentlich immer falsch dimensioniert“, sagt Müller. Bei einem größeren Speicher könne dies flexibler gehandhabt werden. Allerdings sei es denkbar, dass privaten Betreiber von Solarstromanlagen Batterieeinheiten im Ortsnetzspeicher kauften. Physikalisch sei dies kein Unterschied und es könne für alle Beteiligten von Vorteil sein. Für die Betreiber zum Beispiel von PV-Anlagen seien die Kosten je kWh Speicherkapazität bei größerer Flexibilität geringer. Für Netzbetreiber oder Energieversorger seien die Ortsnetzspeicher besser steuerbar. Und es sei sicherlich leichter, größere Einheiten als Regelenergie zu vermarkten. Technische Lösungen Physikalisch, so betont Müller, seien diese Geschäftsmodelle kein Problem, rechtlich aber schon. Denn für Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind Speicher, wenn sie nicht im eigenen Gebäude untergebracht, sondern nur über das öffentliche Netz erreichbar sind, mit deutlich höheren Kosten für die Netznutzung verbunden. Wie sich Speichertechnologien und Geschäftsmodelle im Jahr 2020 in Deutschland präsentieren werden, hängt auch vor allem von den Rahmenbedingungen ab, die dann für sie gelten werden. „Die rechtlichen Voraussetzungen sind entscheidend“, erklärt Miriam Hegner, Referentin Technologien und Standards beim Bundesverband Energiespeicher (BVES). Daher fordere der BVES, im Energierecht für Speicher eine eigene Kategorie zu schaffen und sie nicht den Bereichen Erzeugung, Verbrauch oder Transport zuzurechnen. „Speicher werden bis heute mit Letztverbraucherabgaben belegt, obwohl sie die Energie gerade nicht verbrauchen, sondern dem System mit einer zeitlichen Verzögerung wieder zur Verfügung stellen“, schreibt der Verband in seiner Stellungnahme zum Strommarktgesetz. Dies wird allerdings nicht einheitlich so gesehen. Die Bundesnetzagentur erklärt in ihrem neuen Leitfaden zur Eigenversorgung: „Betreiber von Stromspeichern nehmen bei der ,Einspeicherung‘ die Funktion eines Letztverbrauchers und bei der ,Ausspeicherung‘ die Funktion des Betreibers einer Stromerzeugungsanlage wahr.“ Entsprechend ihrer Funktion unterlägen Speicher damit auch der EEG-Umlagepflicht. Und ähnlich gilt dies auch für mit der Netznutzung verbundene Abgaben. Die Verlagerung von Batterien aus den Gebäuden der PV-Anlagenbetreiber in einen größeren Speicherkomplex, wie sie beim Projekt Energy Neighbor getestet werden soll, ist aufgrund der Rahmenbedingungen derzeit unwirtschaftlich. Der Bund setzt offenbar eine technologische Präferenz auf Speicheranwendungen direkt beim Stromverbraucher. Für den Eigenverbrauch Gerade dieser Markt hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt. Eine Vielzahl von Herstellern bietet Speichersysteme für den Eigenverbrauch an. Eine genaue Entwicklung des jungen Marktes sei noch nicht prognostizierbar, sagt Johannes Weniger von der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Eine weitere Preisreduktion sei allerdings zu erwarten. Bei Verdoppelung des Marktes seien Kostensenkungen von 15 Prozent vorstellbar. Ein anderes Thema ist die Qualität. Forschungsinstitute und Unternehmen arbeiten derzeit weiter an Kriterien. Es sollen Standards für Performance-Tests von Speichern entwickelt werden, berichtet Weniger. So werde die Transparenz im Markt erhöht. Diesen Ansatz unterstütze auch der BVES, sagt Hegner. Es gebe sehr unterschiedliche Technologien. Viele davon hätten ihre Berechtigung, doch nicht jede Technik sei für jede Anwendung gleichermaßen geeignet. Daher sei es eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre, hier eine klare Orientierung auf Basis einheitlicher Testverfahren zu liefern. Der Verband wolle keine Empfehlungen zu Produkten aussprechen. Verbraucher sollten aber anhand von Datenblättern wichtige Infor­ma­tionen zu Speichern vergleichen können. Müller erwartet im Jahr 2020, dass Batteriespeicher in einzelnen Bereichen schon zum Standardrepertoire zählen könnten. Johannes Weniger sieht auch die Chance auf deutlich gesunkene Preise ebenfalls bei Batterien. Wärmespeicher wichtig Mit technologischen Fortschritten ist währenddessen auch bei thermischen Speichern zu rechnen. So weist Harald Drück, der Leiter des Forschungs- und Testzentrums für Solaranlagen an der Universität Stuttgart, auf Entwicklungen bei vakuumgedämmten Speichern hin, die schon jetzt einsatzbereit seien. Fortschritte erwartet er auch bei thermochemischen Speichern. Von Speichern wird abhängen, wie gut wachsende Anteile von erneuerbaren Energien in das Energiesystem integriert werden können. Und hier wird es auch auf das Zusammenspiel der unterschiedlichen Speicheroptionen ankommen. Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, schätzt allerdings die Bedeutung von Stromspeichern in absehbarer Zeit als nicht so hoch ein. Er will fluktuierende Leistungen lieber über das europäische Stromnetz abpuffern. Dieses Thema ist auch unter Wissenschaftlern umstritten. Absehbar ist jedoch, dass die technologische Entwicklung gerade im Bereich der Batterien fortschreiten wird. Und schon jetzt, so Müller, könnten sie eine bessere Alternative zum Netzausbau darstellen, wie er sonst in einigen Ortsnetzen erforderlich werde. 2020 könnten einige Technologien zum breiten Einsatz bereit sein. Fraglich ist derzeit aber, ob auch die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geeignet sein werden. Text: Andreas Witt Foto: Foto: Andreas Heddergott / TUM

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