Die Herausforderung: Erneuerbare im Bestand

Solarthemen 459. Den Gebäudebestand nahezu klimaneutral zu machen, wie es auch das Ziel der Bundesregierung ist, wird nur bei einem deutlich verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien gelingen. Unterschiedliche Strategien können zum Erreichen dieses Ziels beitragen.

„So einen Kunden hat man nicht jeden Tag“, sagt Gerold Weber von der Gerold Weber Solartechnik GmbH in Achern über den Obstbauern Franz Jülg im badischen Landkreis Ortenau.. Der hat sein altes Wohnhaus mit einer neuen Etage ausgestattet, auf deren Dach sich Platz für 72 Quadratmeter Solarkollektoren fand. Im Gebäude wurde ein Speicher mit 19000 Liter Volumen untergebracht. Dieser Umbau folgt den Prinzipien des Sonnenhaus-Institutes. Erneuerbare Energien – insbesondere die Solarthermie – decken hier den deutlich überwiegenden Teil des Wärmebedarfs eines Gebäudes. Bei Familie Jülg sollen es nach Aussage von Weber rund 80 Prozent sein. Es komme auf das Gebäude und vor allem den Kunden an, erklärt Weber. Sei dieser aufgeschlossen, empfiehlt er, so weit technisch möglich, Lösungen mit großen Kollektorflächen und großen Speichern. Sonnenhaus oder Standard? Gerd Schallenmüller von der Freiburger ReSys AG vertritt eine andere Auffassung. Er sei selbst Mitglied in Sonnenhaus-Institut, findet aber: „Wer zukunftsfähige Energielösungen in der Breite im Auge hat, der braucht haustechnische Standardlösungen.“ Im Neubaubereich sollte die Solarthermie deutlich über 50 Prozent der Wärme beisteuern und dies sei bei den meisten neuen, gut gedämmten Einfamilienhäusern mit 13 bis 18 Quadratmetern Röhrenkollektoren sowie Speichern mit rund 1000 Liter Volumen erreicbbar. Allerdings seien auch im Bestand hohe Anteile an erneuerbaren Energien möglich, erklärt Schallenmüller, selbst wenn auf die ganz große, nur selten umsetzbare Lösung eines Sonnenhauses verzichtet wird. Er plane gerade selbst eine solche Sanierung. Der Altbau von 1959 (siehe Foto rechts) aufgestockt und auf ein deutlich besseres energetischen Niveau gebracht werden. Einen sehr großen Speicher mit mehreren Kubikmetern wird es dabei aber nicht geben. Nach Ansicht von Schallenmüller sei die Abnahme der minimalen Solarerträge zwischen Oktober und März auch ohne großen Speicher durch die Wärmeversorgung gewährleistet. Bei einem große Speicher decke der geringe Solarertrag in den Wintermonaten gerade die Pufferverluste. „Es ist deshalb leicht zu erahnen, wann trotz des großen Puffers konventionell nachgeheizt werden muss“, sagt Schallenmüller. Er hält den Aufwand für einen große Speicher, um ein paar Tage oder Wochen nicht zuheizen zu müssen, für zu groß. Weber hingegen setzt auf Größe: „Ein kleiner Speicher reicht eben nicht so weit wie ein großer.“ Wenn es das Ziel sei, einen möglichst hohen Anteil des Wärmebedarfs mit Solarwärme zu decken, komme man an einem großen Speicher nicht vorbei. „Wenn wir damit dann einen Anteil von 80 Prozent erreichen, sind wir gut“, so Weber, der den Aufwand, um von 40 auf 80 Prozent zu kommen, für vertretbar hält. „Die letzten 20 Prozent machen richtig Arbeit.“ Es gehe immer aber auch um die Bereitschaft des Hausherren. So sei für den Obstbauern Jülg die Wirtschaftlichkeit nicht wichtig gewesen. „Der macht das für seine Kinder und Enkel.“ Für andere Kunden setze auch seine Firma andere, kleinere Lösungen um. Sanierungsquote gering Weber und Schallenmüller setzen sich mit ihren unterschiedlichen Ansätzen für hohe Anteile erneuerbarer Energien am Wärmebedarf im Gebäudebestand ein. Doch generell sind die Sanierungsraten niedrig. Viele Gebäude werden nicht saniert und auch bei energetischen Sanierungen ist der Einsatz von Solarkollektoren oder Holzheizungen alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Stärker in den Blick rückt daher die klimagerechte Versorgung von ganzen Dörfern und Quartieren. In den vergangenen Jahren wurden so bereits einige Dörfer zu Bioenergiedörfern. Deren Zahl ist zwar überschaubar, doch das Interesse in den Gemeinden wächst. So war eine Tagung des Deutschen Instituts für Urbanistik zum Thema „Wärmeversorgung der Zukunft“ in der vergangenen Woche gut besucht. Die Kommunen interessieren sich für Wärmenetze, deren Quelle erneuerbare Energien sein können. Klaus Effing, Landrat des Kreises Steinfurt, bekräftigt das Ziel des Kreises, sich bis 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Gerade bei der Wärme stelle sich die Frage, wie das zu erreichen sei. Derzeit sehe der Kreis eine Option in Power to Heat. „Die Energiewende ist elektrisch“, so Effing. Die Schlussfolgerungen aus dieser These könnten allerdings problematisch sein. Umsetzbar wäre sie, wenn genug – regenerativer – Überschussstrom zu günstigen Preisen unterhalb sonstiger Wärmekosten auch im Winter zur Verfügung stehen würde. In dem Fall wären dezentrale Lösungen in den Gebäuden, also Elektroheizungen und Wärmepumpen, wohl die effizientere Lösung als Wärmenetze, die auf Strom als Energiequelle basieren. Die These von Effing könnte also dazu führen, die Wärmewende so lange auszusetzen, bis Strom aus erneuerbaren Energien im Überfluss vorhanden wäre und die regenerative Wärmewende quasi automatisch mit der Energiewende erledigt würde. Wärmenetze ein Vorteil Der Vorteil von Wärmenetzen sei die Offenheit für die Technologie zur Wärmeerzeugung, sagtThomas Pauschinger von solites. Die wesentliche Entscheidung sei zunächst die für ein Netz. Das habe man dann lange im Boden und sei lange zu nutzen. Den Energieträger zu wechseln falle dann aber leicht. So könnten ganze Quartiere und Dörfer in kürzester Zeit – auch unabhängig vom Sanierungsstand der einzelnen Gebäude – auf eine regenerative Wärmeversorgung umgestellt werden. Und bei Wärmekosten von unter 5 Cent/kWh sei es auch gut möglich, große solarthermische Anlagen in die Wärmeversorgung einzubinden. Der günstige Preis gelte zumindest bei Freiflächenanlagen in Verbindung mit niedrigen Grundstückspreisen. So kom­me solarcomplex in Büsingen mit einem Holzheizwerk und einer solarthermischen Anlage auf einen Wärmepreis von 10 Cent/kWh und sei damit für die Bürger attraktiv, die sich nicht mehr selbst um ihre Heizung kümmern müssten. Dass kreative Ideen Wärmenetze auch unter schlechten Voraussetzungen möglich machen, zeigt Dollnstein in Bayern. Eigentlich seien die Gebäude hier zu weit verteilt, erklärt Thomas Kerner vom Kommunalunternehmen Energie Dollnstein. Die Wärmeverluste wären bei einem klassischen Wärmenetz im Sommer bei geringer Wärmeabnahme einfach zu hoch gewesen. Jetzt betreibt das kommunale Unternehmen ein „kaltes Netz“. Im Sommer werde lediglich 30 Grad warmes Wasser geliefert. Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden mit dezentralen Wärmespeichern sorgten dann für das gewünschte Temperaturniveau bei den Nutzern. Ansonsten erfolge die Wärmeerzeugung aber zentral. Ziel sei es, dabei auch auf hohe Anteile an erneuerbaren Energien zu kommen. Text: Andreas Witt

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