Wärmewende ohne Richtungsänderung

Solarthemen 460.In der vorigen Woche verabschiedete die Bundesregierung den 2. Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und ihre Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG). Galt der Wärmesektor bislang als ein Sorgenkind der Energiepolitik, so sieht die Bundesregierung ihr Ziel von 14 Prozent erneuerbarem Anteil am Endenergieverbrauch für Wärme 2020 plötzlich als übererfüllt an: 16,3 Prozent seien gar zu erwarten. Um auch das langfristige Ziel eines weit­ge­hend klimaneutralen Gebäudebestandes im Jahr 2050 zu erreichen, kündigt die Regierung jetzt einige neue Förderungen und Forschungsschwerpunkte an.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel frohlockt: „Unser Ziel hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Wärme für das Jahr 2020 werden wir voraussichtlich sogar übertreffen.“ Das hatte noch vor Jahresfrist ganz anders geklungen – unter anderem deshalb hat die Bundesregierung im Dezember 2014 den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) aus der Taufe gehoben, der vor allem den Wärmesektor adressiert. Doch spätestens seit der vergangenen Woche sieht sich die Bundesregierung offiziell statistisch auf Kurs – selbst ohne Berücksichtigung der Maßnahmen des NAPE. Rechnung jetzt ohne Strom Grund dafür ist in erster Linie eine Neubewertung von Zahlen. Zum einen lägen vor allem aus dem Bereich Gewerbe, Handel, Dienstleistungen erstmals Zahlen zum Einsatz von Bioenergie vor, die das Ergebnis positiv beeinflussten, ist aus dem Kreis der wis­sen­schaft­lichen Berater des Umweltministeriums zu erfahren. Zum anderen wird der Strom, der beispielsweise in Wärmepumpen verbraucht wird, nun nicht mehr auf die Ziele der Bundesregierung im Wärmesektor angerechnet. Im Erfahrungsbericht zum EEWärmeGesetz heißt es nun dazu: „Anders als in der Vergangenheit bleibt bei dieser Berechnung die aus Strom erzeugte Wärme und Kälte unberücksichtigt. Diese Änderung der Methodik ist angelehnt an die internationalen Berichtspflichten.“ So wird beispielsweise bei Wärmepumpen nicht mehr der eingesetzte Strom dem Wärmesektor zugerechnet, sondern nur noch die Umweltwärme, die mithilfe dieses Stroms gewonnen wird. Relevant ist die Veränderung vor allem auch im Bereich der Industrie, wo große Mengen an Prozesswärme mithilfe von Strom erzeugt werden. Diese methodische Neuausrichtung ist einerseits wissenschaftlich konsequent, vermeidet sie doch eine Doppelzählung von Energiemengen im Strom- und im Wärmesektor. Andererseits führt sie dazu, dass die Bundesregierung im Wärmebereich kurzfristig kaum noch zusätzlichen Handlungsbedarf sieht, obwohl der Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie die Verbesserung der Energieeffizienz in den vergangenen Jahren deutlich hinter den ursprünglichen Plänen zurückgeblieben sind. Eine Anpassung des 14-Prozent Ziels, das einst im Erneuerbare-Wärme-Gesetz festgeschrieben wurde, unternimmt die Bundesregierung jedenfalls nicht. Dies reklamiert auch das unabhängige vierköpfige Expertenteam, das den Monitoringprozess zur Energiewende im Auftrag der Bundesregierung kritisch unter die Lupe nimmt (vgl. Kasten Seite 9). Giftschrank bleibt geschlossen Und vergleicht man das Fazit des aktuellen zweiten Erfahrungsberichts mit dem Vorgängerbericht, den die damalige gelb-schwarze Bundesregierung vor 3 Jahren dem Bundestag vorgelegt hat, so fällt auf, dass das aktuelle Dokument im Gegensatz zu 2012 kaum noch Hinweise auf eine grundsätzliche Änderung der Förderpolitik im Wärmesektor enthält: kein Wort zu einer möglichen Ausweitung von Nutzungspflichten auf den Gebäudebestand, kein Hinweis auf eine haushaltsunabhängige Förderoption und schon gar keine Aussage zu einer Belastung von CO2-Emissionen im Wärmesektor oder einer Besteuerung von fossilen Energien, deren Preisverfall der Regenerative-Wärme-Branche aktuell schwer zu schaffen macht. Lediglich die im Bundesrat zweimal gescheiterte Steuerbefreiung für Gebäudesanierungen wird als konkrete Option erwähnt, falls die bislang beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen sollten. Für den Wärmeexperten des Bundesverbandes Erneuerbare Energien Ulf Sieberg ist der Erfahrungsbericht zum EEWärmeG denn auch eine einzige politische Enttäuschung: „Dieses Papier enthält keine klimapolitischen Empfehlungen mehr, sondern es ist ein rein technischer Bericht.“ Den politischen Giftschrank habe man nicht angerührt, so Sieberg. Gleichwohl empfiehlt der Bericht für die Zukunft einige interessante Detailänderungen für das EEWärmeG, die allerdings wohl erst im Zuge der geplanten Zusammenführung des Gesetzes mit der Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) umgesetzt werden sollen. Effizienzstrategie für Gebäude Deutlich programmatischer ist denn auch die ebenfalls in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett verabschiedete „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ (ESG) ausgefallen. In ihr sollen Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand im Jahr 2050 beschrieben werden. Als Grundlage beschreibt die Regierung dazu auf Basis eines Gutachtens mehrerer Institute drei Szenarien: Das erste ist das Referenzszenario, das die bisher wirkenden Maßnahmen – noch ohne die zusätzlichen des NAPE – fortschreibt. Mit ihm werde im Gebäudebereich bereits eine Senkung des Primärenergiebedarfs um 61 Prozent gegenüber dem Ausgangswert 2008 erreicht. Die im NAPE beschlossenen Maßnahmen im Referenzszenario seien dabei noch nicht berücksichtigt worden, betont das Papier. Um die Lücke von 800 Petajoule gegenüber dem Mindest-Zielwert des regierungsamtlichen Energiekonzeptes im Jahr 2050 von 80 Prozent Primärenergieeinsparung zu schließen, beschreibt die ESG dann zwei Zielszenarien, von denen das eine die Potenziale der erneuerbaren Energien maximal ausnutzt, während das andere sich an den maximalen Energieeffizienzpotenzialen orientiert. Im Zielszenario „Effizienz“ ergibt sich die 80-prozentige Primärenergieeinsparung aus einem Mix von 54 Prozent Effizienzsteigerung und 57 Prozent Regenerativanteil. Im Zielszenario „Erneuerbare Energien“ wird bei 36 Prozent Effizienzsteigerung zu 69 Prozent Regenerativwärme eingesetzt. In dem Korridor zwischen diesen beiden Pfaden sieht die Regierung die tatsächliche Entwicklung des Gebäudebestandes bis zum Jahr 2050. Dabei sei ein Weg, der die Erneuerbaren stärker betont, im Prinzip der kostengünstigere, so ist in der ESG zu lesen. Gegenüber dem Referenzszenario, das von 2008 bis 2050 Vollkosten in Höhe von 1,018 Billionen erfordere steige diese Summe im Zielszenario „Erneuerbare Energien“ nur um 119 Milliarden Euro, während im Szenario „Effizienz“ die Kosten um 517 Milliarden Euro zunähmen. Bezogen auf die Wohnfläche im Wohnungsbau würden die Energieeinsparungen aus Sicht des Mieters bei einer Renditeerwartung des Vermieters von 7 Prozent in allen Szenarien die notwendige Modernisierungsmieterhöhung übersteigen. Allerdings weist der Bericht darauf hin, dass durch Nutzungskonkurrenzen mit dem Verkehrssektor die angenommenen Energiepreise für Biomasse auf Dauer höher liegen lönnten: „Hinsichtlich der Energiepreise wird das Zielszenario ,Erneuerbare Energien‘ deshalb als weniger robust eingeschätzt.“ Keine Hektik! Zumal sich die Regierung laut Erfahrungsbericht zum EEWärmeG bis 2020 voll im Zeitplan sieht, will sie bei der längerfristigen Planung nichts überstürzen: „Da die ESG aber auch das große Ganze im Blick behalten muss, darf aber auch nicht vorschnell gehandelt werden: So hat beispielsweise die EU-Kommission angekündigt, zu allen Richtlinien mit Energieeffizienzbezug in 2015/2016 Novellierungsvorschläge zu machen.“ Zugleich sei das übergeordnete EU-Effizienzziel für 2040 noch nicht abschließend entscheiden worden und die EU-Strategie für den Wärmemarkt solle erst Ende 2015 veröffentlicht werden, verweist die Bundesregierung auf Brüssel. Gleichwohl konkretisiert die ESG aber einige teils bereits im NAPE beschriebene Maßnahmen. So soll beispielsweise das Instrument eines gebäudeindividuellen Sanierungsfahrplans auf freiwilliger Basis bundesweit etabliert werden. Ferner soll ein Förderkonzept „Schaufenster Erneuerbare Energien in Niedertemperaturwärmenetzen“ entwickelt werden. Besonders erwähnt werden in diesem Zusammenhang großflächige Solarthermieanwendungen und Erdwärmesondenfelder, die über Großwärmepumpen und Wärmenetze mit nur 30 bis 40 Grad genutzt werden. Gemeint sind offenbar Systeme wie die geplante geosolare Quartiersversorgung in Kassel Harleshausen (vgl. S. 6). Fördern auf Quartiersebene Im Stadt- und Quartiersbereich kündigt die Regierung neben dieser Demonstrations- auch eine weitere Investitionsförderung an. Der Fokus soll darauf liegen, kommunale Klimaschutzkonzepte, die teils bereits über den Projektträger Jülich oder die KfW gefördert wurden, auf Quartiersebene beschleunigt umzusetzen. Energetische Quartiersversorgungen sollen künftig im KfW-Programm „energetische Stadtsanierung“ nicht nur wie bisher mit zinsgünstigen Darlehen (Zins: 0,05 %), sondern auch mit Tilgungszuschüssen gefördert werden. Text:Guido Bröer

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