Forschungsinstitute schnallen Gürtel enger

AuÃenfassade eines Laborgebäudes des Fraunhofer ISE, ausgerüstet mit 70 Photovoltaik-Modulen aus eigener Entwicklung und Pilotproduktion. ©Fraunhofer ISE
Solarthemen 463. Die Krise der deutschen Photovoltaik-Branche wirkt sich auch auf die einschlägige Forschungslandschaft aus. Die Institute sparen beim Personal, orientieren sich um und stehen in starker Konkurrenz um Fördergelder.

Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) mit Hauptsitz in Freiburg gilt zusammen mit dem National Renewable Energy Laboratory (NREL) als weltgrößte Forschungseinrichtung für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Seit dem Jahr 2013 stagniert allerdings der Etat des ISE bei rund 70 Millionen Euro. Der Anteil der Forschungsmittel aus der Industrie, der im Boomjahr 2011 über 50 Prozent lag, ist seitdem relativ und absolut massiv zurückgegangen. Zuletzt kam nur noch jeder vierte bis fünfte Umsatz-Euro von Seiten der Industrie (Grafik). Damit liegt das ISE innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft deutlich unter dem Soll, wie Institutsleiter Eicke Weber zugeben muss: „Nach einer Leitlinie des Bundesforschungsministeriums sind wir verpflichtet, etwa 30 Prozent unseres Etats durch Industrieprojekte zu verdienen.“ Wenn dies nicht gelinge, habe dies auch Konsequenzen auf die Zuwendungen der Fraunhofer-Gesellschaft an die einzelnen Institute. Diese orientierten sich an der Höhe der Industriemittel. Je erfolgreicher ein Ins­titut bei der Akquise von Industrieprojekten sei, desto mehr Geld erhalte es aus der Zentrale in München, Konsolidierung „Wir haben eine Konsolidierungsphase ausgerufen. Wir haben an vielen Stellen einzusparen versucht, und das ist uns auch gelungen. Wir haben auch die Mitarbeiterzahl reduziert“, berichtet Weber, der die Geschicke des ISE seit zehn Jahren leitet. Von 490 Mitarbeitern bei Amtsantritt Webers im Jahr 2006 war die Mitarbeiterzahl sehr schnell auf fast 1300 im Jahr 2013 gewachsen. 2015 lag sie bei 1200. Auch beim deutlich kleineren Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) musste der Gürtel in den vergangenen Jahren enger geschnallt werden. Um fast ein Fünftel sank der Gesamtetat von 2011 bis 2014. Ein großes, über mehrere Jahre laufendes 3-Millionen-Euro-Forschungsprojekt ist den Hamelner PV-Zellen-Spezialisten in dieser Zeit weggebrochen, weil der Industriepartner ganz aus der Photovoltaik ausgestiegen ist. Den daran beteiligten Mitarbeitern musste teils gekündigt werden. 2015 hat das ISFH sich zwar fast wieder auf das alte Etatniveau hochgearbeitet. Währenddessen hat sich die Finanzierungsstruktur allerdings gewandelt. Der Anteil der Industriemittel verringerte sich von 32,7 Prozent im Jahr 2011 stetig bis auf 7,8 Prozent im Jahr 2015. Kompensiert wurde dies durch öffentliche Drittmittel, die größtenteils vom Bund und in geringerem Maß von der EU kommen. Wie bei allen anwendungsnah arbeitenden Forschungseinrichtungen werden die Stellen beim ISFH größtenteils über Projekte finanziert und sind ebenso wie diese befristet. Von den rund 140 Menschen, die aktuell am Ins­titut arbeiten, seien nur etwa 20 dauerhaft grundfinanziert, berichtet dessen Pressesprecher Roland Goslich. Eicke Weber vom ISE rechnet den Wissenschaftlerkollegen im seinem Team sogar vor, dass sie zu 100 Prozent von Projektmitteln leben. „Wir bekommen eine Grundfinanzierung von bis zu 20 Prozent – den Rest müssen wir selbst verdienen.“ Wegen eines gewissen Overhead-Anteils heiße dies in der Praxis, dass die Wissenschaftler ihre Stellen zu 100 Prozent über ihre Projekte finanzieren müssten. Und das habe auch sein Gutes, so Weber: „Unsere Mitarbeiter wissen, dass sie ihr Geld selbst verdienen müssen. Das führt zu einer hohen Motivation.“ Die Krise bei den Industrieprojekten führe allerdings zu Schwierigkeiten beim wissenschaftlichen Nachwuchs, erzählt Weber. Das ISE habe durch den engen Kontakt mit Universitäten, immer eine große Zahl von Studierenden frühzeitig ans Institut binden und den guten von ihnen später Doktoranden- und Postdoktoranden-Stellen anbieten können. „Wir haben eine sehr gesunde Pyramide. Die Hälfte unserer Mitarbeiter waren Studierende und wir haben nach wie vor kein Problem, Nachwuchs zu finden. Allerdings können wir viele Studenten heute leider nicht mehr halten. Es tut uns weh, wenn wir ihnen nach Studienabschluss keine Stellen mehr anbieten können.“ Zugleich habe sich in der Krise aber auch das Problem ein wenig entschärft, dass sehr gute Leute den Instituten schnell von der Photovoltaik-Industrie abgeworben wurden. Diversifizierung Nicht zuletzt wegen des Niedergangs der deutschen PV-Industrie habe sich das ISE in den vergangenen Jahren auf andere Geschäftsfelder erweitert. Zum Umsatz trage Photovoltaik derzeit nur noch etwa 40 Prozent bei. Allerdings sei diese breite Ausrichtung beim ISE schon immer Programm gewesen – schließlich trage man die „Energiesysteme“ seit Gründung im Institutsnamen, so Weber: „Wir stellen die Technologien der Energiewende bereit – mit Ausnahme vielleicht vom Windbereich und der Geothermie.“ Niklas Martin, Geschäftsführer des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien (FVEE), in dem 12 deutsche Ins­titute zusammengeschlossen sind, erkennt darin einen allgemeinen Trend. Angestoßen werde er nicht zuletzt durch die Projektförderung des Bundes und der Länder, die sich in den vergangenen 5 Jahre auf rund eine Milliarde Euro verdoppelt habe. Martin: „Die Etats im Bereich der Komponentenforschung werden aktuell nicht gesteigert.“ Das Forschungsinteresse wende sich daher stärker dem Energiesystem als ganzes und dem Prozess der Energiewende zu. Das spiegelt sich laut Martin auch bei den FVEE-Instituten: „Alle Institute machen stärker als bisher Energie-Systemforschung.“ Und gerade auf diesen Gebieten werde die Konkurrenz untereinander durch die Fördergeber befeuert, so Martin: „Projekte werden heute in vielen Bereichen fast ausschließlich ausgeschrieben. Die Institute verschleißen sich stärker als früher in Ausschreibungen, bei denen sie am Ende keinen Zuschlag bekommen.“ Am höchsten sei der Aufwand bei EU-Projekten, sagt Martin: „Bei denen besteht zugleich eine relativ geringe Umsetzungschance. Kleinere Institute können sich das Risiko einer Beteiligung an EU-Projekten fast nicht leisten.“ Eine Benachteiligung der kleineren, oft landeseigenen Forschungseinrichtungen gegenüber den Instituten des Fraunhofer-Verbundes sieht Martin auch darin, dass letztere in Projekten höhere Overhead-Kosten geltend machen könnten. Fraunhofer-Institute erhalten pauschal vom Bund 20 Prozent mehr für die gleiche Forschungsarbeit als beispielsweise das An-Institut einer Universität. Innerhalb des FVEE sei man sich einig: „Der FVEE setzt sich dafür ein, dass die Overhead-Pauschalen angeglichen werden.“ Konkurrenz Widerspruch kommt von Eicke Weber, der die Praxis der verschieden hohen Zuschläge absolut legitim findet. Schließlich hätten etwa Helmholz-Institute, die sich eher der Grundlagenforschung widmeten, eine viel komfor­tablere Grundfinanzierung. Und bei den An-Instituten der Unis würden ja die Professoren als Beamte bereits von der Universität bezahlt. Ein Problem sei dies freilich nicht, meint Weber:„Wir hatten zwischen den Instituten immer eine freundschaftliche Konkurrenz. Ich sehe in keiner Weise, dass die Konkurrenz schärfer geworden ist, dadurch, dass die Industriemittel knapper geworden sind. Ich sehe die Konkurrenz zu den Universitäten völlig entspannt.“ Im übrigen wittert Weber auch für die PV-Forschung inzwischen Morgenluft. Er geht davon aus, dass der Weltmarkt im Jahr 2016 mit 60 Gigawatt das Niveau der bestehenden Produktionskapazitäten erreichen und weiter wachsen wird. Damit entstehe ein Bedarf für Produktionsanlagen der neuesten Generation. „Diese arbeiten mit den neuen Verfahren, die bei uns und anderen Instituten in den vergangenen Jahren entwickelt wurden. Die Ausrüsterbranche bekommt neue Aufträge, und wir spüren dies auch inzwischen.“ Daraus ergeben sich für Weber die Prioritäten: „Uns geht es angesichts des wachsenden Weltmarktes aktuell darum, die deutsche Ausrüster-Industrie am Start zu halten. Wir sind trotzdem besorgt über die Entwicklung des deutschen Absatzmarktes.“ Text: Guido Bröer Foto: Fraunhofer ISE

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