Joachim Scherrer im Interview: Der Solarpark ist für die Region
Solarthemen: Was hat Ihre Genossenschaft zur Beteiligung an einer Ausschreibung motiviert?
Joachim Scherrer: Zum einen arbeiten wir schon mehr als zwei Jahre an unserem Solarpark. Wir hatten zunächst gehofft, den Park noch vor Beginn der Ausschreibungen umsetzen zu können, aber das hat aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert. Und dann haben wir uns schon bei der Ausschreibung am 1. August 2015 beteiligt – da waren unsere Erwartungen aber zu hoch. Wir haben uns aber entschieden, weiter an den Ausschreibungen teilzunehmen vor folgendem Hintergrund: Der Solarpark ist für uns wichtig, weil wir Strom, den wir hier in der Region Regensburg produzieren, an unsere Mitglieder in der Region liefern wollen – Strom von den Bürgern für die Bürger. Und dafür brauchen wir diesen Solarpark, denn allein mit unseren jetzt 21 Photovoltaikanlagen auf den Dächern würde das nicht funktionieren. Deshalb haben wir auch unter den neuen Bedingungen am Solarpark festgehalten. Er ist bedeutsam für die Stromlieferung. Dieses Ziel der Regionalvermarktung von Strom verfolgen wir gemeinsam mit der Bürgerenergie Bayern e.V. und dem Grünstromwerk unter dem Label „Bavariastrom“. Das ist eine Aktivität, die ich als Vorstandsmitglied von Bürgerenergie Bayern mit initiieren konnte. Und sobald wir den Solarpark realisiert haben und hundert Kunden in unserer Region für das Stromangebot gewonnen haben, können wir den Strom aus unserem Park über die Bavaria vermarkten. Damit würde auch die Vergütung für den Solarstrom steigen – sie läge deutlich über 9 Cent je Kilowattstunde. Und damit würden auch die Mindereinnahmen, die wir über die Ausschreibung erzielen, wieder ausgeglichen werden können.
Ihre Genossenschaft ist eine von zweien, die bislang den Zuschlag bei einer Ausschreibung erhalten haben. Was zeichnet Sie aus? Was sind Ihre bisherigen wesentlichen Aktivitäten?
Da haben wir das „Haus mit Zukunft“ – das ist ein Mieterstrommodell, das wir in Regensburg realisiert haben. Wir packen gern Themen an, die auf den ersten Blick eventuell ein wenig kompliziert ausschauen. Wir sind der Meinung: Wenn wir als Bürgerenergie eine Rolle bei der Energiewende spielen wollen, dann müssen wir das aktiv betreiben. Nur auf irgendwelche Dächer zu warten, die eventuell noch mit PV-Modulen belegt werden können, um damit ein klein wenig zu verdienen, das ist sowieso vorbei. Also müssen wir neue Bereiche erschließen. Das tun wir mit dem Thema Mieterstrom und mit der Ökostromlieferung in die Region – nun eben mit unserem eigenen Solarpark. Das erreichen wir aber auch mit dem Thema Wärmelieferung. Zum einen wollen wir mit der Naturstrom AG ein Nahwärmenetz realisieren, zum anderen ein Projekt in Verbindung mit einem Blockheizkraftwerk, Solarthermie und PV. Auch hier geht es uns um die Versorgung von Mietern, dann in der Kombination aus Wärme und Strom. Das wollen wir gemeinsam mit der Wohnungsbaugenossenschaft umsetzen, mit der wir auch schon unser Mieterstrommodell realisieren konnten. Man kann als Bürgerenergie das verwalten, was man hat. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen aktiv weiterarbeiten. Wir wollen nicht auf irgendwann vielleicht wieder bessere Bedingungen warten – das wird nicht passieren.
Das klingt nach viel Arbeit. Hat Ihre Genossenschaft so viele Mitarbeiter? Oder wie schaffen Sie das?
Wir holen uns schon Hilfe, doch ansonsten bin ich der einzige, der fest für die Genossenschaft auf einer halben Stelle als geschäftsführender Vorstand arbeitet. Unterstützung habe ich auch von meinen zwei ehrenamtlichen Kollegen im Vorstand. Wir wollen und können uns vorerst nicht mehr leisten. Allerdings haben wir auch Menschen im Aufsichtsrat, die mithelfen. Und im konkreten Fall holen wir uns Unterstützung von der einen oder anderen Firma und versuchen, unsere Aufgaben so zu lösen. Momentan weiß ich natürlich nicht, wo mir der Kopf steht. Denn auch wenn wir nun den Zuschlag für den Solarpark bekommen haben, heißt das noch nicht, dass er auch gebaut ist. Aber – nun, ja – ich denke, wir kriegen es ganz gut hin.
Bisher trauen sich nur wenige Genossenschaften an die Ausschreibungen heran? Wie haben Sie das erlebt?
Es war zu leisten. Man muss die Unterlagen des Baugenehmigungsverfahrens einreichen. Aber wenn ich da sowieso drinstecke, habe ich die und bekomme die auch schnell. Wenn ich weitere ergänzende Dinge etwa von der Gemeinde oder dem Landratsamt brauchte, dann klappte das ebenfalls – jedenfalls war das bei uns so. Um weitere Unterstützung für die Ausschreibung zu bekommen, habe ich bei der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften (DGRV) in Berlin angefragt und so den Kontakt zu einer anderen Genossenschaft erhalten, die sich bereits an einer Ausschreibung beteiligt hatte, nämlich die Heilbronner Kollegen. Und mit Hilfe des Kollegen dort konnte ich beim Formularkrieg schon einmal Sicherheit gewinnen. Mit dieser Unterstützung habe ich dann schon bei der ersten Ausschreibung keinen Fehler gemacht. Und bei der zweiten war es dann auch kein Problem mehr.
Was können Sie anderen Genossenschaften raten?
Man muss natürlich sehr spitz kalkulieren. Für uns war klar, dass wir die Anlage für die Stromlieferung bauen wollten. Also sind wir mit einem Preis in die Ausschreibung hineingegangen, bei dem wir nicht draufzahlen müssten – und hoffen, dass es ein bisschen mehr wird. Generell ist für Genossenschaften die Frage, was sie an Geld in die Hand nehmen wollen und können mit dem Risiko, dass es am Ende nichts wird. Es gibt mit den Ausschreibungen keine Garantie mehr, dass ein Projekt auch realisiert werden kann, insbesondere für uns Bürgergenossenschaften. Wir sollten uns da aber auch nicht abbringen lassen.
Worin sehen Sie die wesentlichen Risiken, auf die sich eine Genossenschaft einstellen muss?
Wenn man keine Unterlagen aus den Genehmigungsverfahren vorlegen kann, bekommt man keinen Zuschlag. Das heißt, ich brauche einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplanes oder Ähnliches und muss also schon allein deshalb in Vorleistung gehen. Das muss ich auch bezahlen. Also muss ich in der Lage sein, einen fünfstelligen Betrag als „Spielgeld“ zu haben. Dabei können die Kosten sehr unterschiedlich sein: Der eine Dienstleister nimmt einen Betrag x, der andere ein Mehrfaches. Gottseidank haben wir einen Landschaftsarchitekten für 8000 Euro bekommen und konnten dem, der 30000 Euro haben wollte, absagen. Und dann muss ich in die weitere Planung einsteigen, denn ich muss vorher wissen, was der Park kostet. Von den Kosten bis zum Einspeisepunkt muss alles klar sein, sonst kann ich das als Genossenschaft nach meiner Erfahrung nicht machen. Dazu brauche ich natürlich eine entsprechende Einspeisezusage vom Netzbetreiber, die auch lange genug zur Verfügung steht.
Sie sagten, Sie hätten sich mit der Planung schon vor der Ausschreibung befasst. Einige Arbeiten waren also sowieso schon erledigt. Hätten Sie sich auch an der Ausschreibung beteiligt, wenn das nicht der Fall gewesen wäre?
Dann hätten wir uns auch beteiligt, weil der Solarpark für unsere Regionalstromversorgung eine hohe Bedeutung hat. Was war Ihre Strategie bei der Ausscheibung? Wir wollten unbedingt den Zuschlag. Und da war bei unserer Kalkulation nur maßgeblich, dass wir nur einen ganz kleinen Puffer haben, um nicht ins Minus zu rutschen. Und dann haben jetzt noch ein wenig Glück gehabt, dass die Zinsen gesunken sind und wir günstigere Module bekommen.
Die Ausschreibung bringt Ihnen nun 8 Cent je Kilowattstunde. Kommen Sie allein damit auf eine kleine Rendite oder sind Sie eher bei plus/minus Null?
Wir können eine kleine Rendite mit dem Ertrag von 8 Cent je Kilowattstunde erwirtschaften. Wir haben auch unseren Pachtvertrag so gestaltet, dass der Verpächter einen bestimmten Anteil von den Erlösen aus dem Stromverkauf erhält. Unsere Pacht orientiert sich am Ertrag. Und das hat uns einen gewissen Spielraum verschafft. Andererseits bekommt der Verpächter auch etwas mehr, wenn wir durch den regionalen Stromverkauf selbst höhere Erträge erwirtschaften können.
Aber dieses Modell funktioniert so wahrscheinlich auch nur, weil der Kostenapparat der Genossenschaft sehr niedrig ist?
Richtig.
Es soll fortlaufend weitere Ausschreibungen geben. Werden Sie sich noch einmal an einer beteiligten?
In dem Moment, in dem wir eine entsprechende Fläche kriegen, auf der wir in unserer Region eine Solarstromanlage installieren können und wo die Bedingungen stimmen, gehen wir wieder in eine Ausschreibung hinein. Hoffentlich ist die Fläche dann größer als die jetzige, auf der wir nur knapp unter 1000 Kilowatt unterbringen konnten. Denn mit wachsender Größe können auch die Kosten je Kilowatt sinken. Wir sind allerdings darauf angewiesen, die Flächen hier bei uns in der Region zu finden. Denn es ist ganz klar unsere Ausrichtung als Bürgerenergiegenossenschaft für die Energiewende in der Region einzutreten und nicht irgendwo im Bundesgebiet. Uns ist Ökostrom aus der Region für die Region wichtig. Und ein weiterer Solarpark – oder auch eine Windkraftanlage – ist dann interessant, wenn wir sie in die Ökostromlieferung an unsere Bürger einbeziehen können.
Interview: Andreas Witt
Foto: BERR e.G.