Mikro-PV: Noch Streitfall statt Massenprodukt

Solarthemen 465. Kleine Solarstromanlagen mit nur ein oder zwei Modulen sind weiterhin Anlass für großen Ärger. Während einzelne Stadtwerke den Betreibern der Mikro-PV-Anlagen offenbar entgegenkommen, machen andere beim Anschluss solcher Anlagen weiterhin keinen Unterschied zu größeren An­lagen mit mehreren Kilowatt Leistung. Allerdings ist der Markt in Be­we­gung geraten. Dies liegt wohl auch daran, dass mancher Anbieter sich auf die Anforderungen der Netzbetreiber einstellt.

Seit Anfang des Jahres unterstützt die Stadt Bensheim im Süden von Hessen den Kauf und Betrieb von Mikro-Photovoltaik-Modulen in ihrem Förderprogramm zum Klimaschutz mit einem Zuschuss. Bei Anlagen mit einem Mo­dul bekommen die Betreiber 200 Euro von der Kommune hinzu, bei zwei Modulen sind es 300 Euro. Im Förderprogramm ist in diesem Zusammenhang auch von Plugin- bzw. Steckdosenmodulen die Rede. Die Idee sei, es möglichst einfach zu machen, erneuerbare Energien zu nutzen, erklärt Steffen Hofmann, Klimaschutzbeauftragter von Bensheim. Alle, auch Mieter, sollten sich beteiligen können. Mit im Boot ist auch der regionale Energieversorger, die Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße AG (GGEW). Damit sei das Unternehmen, „deutschlandweit einer der ersten Netzbetreiber, der sich dieser Technik öffnet“, sagt Susanne Schäfer, die Bereichsleiterin für Marketing & Kommunikation der GGEW. Und sie hat sich sogar auf eine Wette eingelassen, die von Erhard Renz, dem „Sonnenflüsterer“, am 26. Juli vergangenen Jahres angezettelt worden war. Wettpartner sind die GGEW und die Stadt Bensheim. Renz erklärt, Gewinner sei, „wer bis zum nächsten Energie- und Klimaschutztag 2016 die meisten Mikro-PV-Anlagen installiert hat“. Für Renz sind dies Anlagen mit Stecker, wie er sie auch in der Kampagne Solar2go propagiert und von denen eine auch schon im Netzgebiet der GGEW habe angeschlossen werden können. Steckdose nicht akzeptiert Doch auf Nachfrage der Solarthemen erklärt der Netzbetreiber: „Eine Steckverbindung, egal welcher Ausführung, ist kein fester Anschlusspunkt.“ Und nur mit einem festen Anschlusspunkt sei die Installation zulässig, so die GGEW: „Analog größerer Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz gelten bei uns auch für Mikro-PV-Anlagen die entsprechenden VDE-Normen, hier die VDE-AR-N 4105 ,Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz‘.“ Demnach ist der Anschluss an einem Endstromkreis nicht zulässig. Werde aber bei einer Mikro-PV-Anlage ein Stecker aus der Dose gezogen, so werde der Stromkreis wieder zu einem Endstromkreis. Offenbar ist es aber möglich, eine gesonderte Stromleitung für den Anschluss zu nutzen, wenn die PV-Anlage über eine Anschlussdose fest verbunden ist. Norm erschwert Duldung Die Haltung der GGEW spiegelt wider, wie ein Großteil der deutschen Netzbetreiber zu Stecker-Solaranlagen steht. Formuliert wurde diese Position 2013 vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, vom Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) und der von ihm getragenen Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik im DIN und VDE (VDE|DKE). Für deutsche Netzbetreiber ist es nicht so einfach, die auch als „Guerilla-PV“ bezeichneten Anlagen zu dulden. Und auch Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) weist auf Sicherheitsgefahren hin – insbesondere wenn eine größere Zahl an Modulen über Stecker an eine Hausinstallation angebunden werden sollte. Die Schweiz siehts lockerer Nachbarländer wie die Niederlande und die Schweiz haben zu pragmatischen Lösungen gefunden. Hier können PV-Anlagen mit maximal 600 Watt per Stecker angeschlossen werden. So erklärte Dario Marty, Geschäftsführer vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat ESTI und Mitglied der Electrosuisse-Geschäftsleitung, im Jahr 2014, dass Solarstromanlagen zwar die Schutzsysteme in einem Endstromkreis nicht gefährden dürften, dies aber bei einer Leistungsbegrenzung in der Regel verhindert werde: „Pro Bezügerleitung (Bezugsleitung bzw. Zähler, red.) dürfen steckerfertige mobile PV-Anlagen bis zu einer AC-seitigen Nennleistung von gesamthaft 600 Watt an freizügigen 230-Volt-Außensteckdosen – typisch Balkon oder Dachterasse – eingesteckt sein.“ Erforderlich sei eine Fehlerstromschutzeinrichtung. Zugelassen seien auch einfache Stecker. In Österreich wurde im Oktober mit der Diskussion von technischen und organisatorischen Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen (TOR D4) begonnen. Dabei geht es auch um Erleichterungen für Kleinsterzeugungsanlagen bis 600 Watt. So könnte auch in Österreich die Pflicht des festen Anschlusses fallen. Allerdings ist auch der deutsche Markt in Bewegung. Die DKE habe im August vergangenen Jahres eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Standardisierung einer Einspeisesteckdose befassen solle, berichtet Haselhuhn. Vorbild für diese Idee sind bereits realisierte Anlagen, bei denen der Schuko- durch einen anderen Stecker getauscht wird. So wählt Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Solar Info Zentrum SIZ GmbH in Neustadt an der Weinstraße, zunehmend eine solche Lösung. Zwar hat er auch schon für das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz eine Mikro-PV-Anlage mit Schuko-Stecker installiert. Allerdings will er inzwischen den Netzbetreibern mehr entgegen kommen. So nutzt er nun – ebenso wie einige andere Anbieter von Mikro-PV-Anlagen – einen Stecker von Wieland. Da Balkonsteckdosen jedenfalls in Gebäuden, die nicht älter als 20 Jahre sind, sowieso separat abgesichert sein müssten, könnten diese durch Austausch in eine Einspeisesteckdose leicht zur Einspeisestelle umgewandelt werden. Komme dann noch der richtige Modul-Wechselrichter mit eingebauter ENS und NA-Schutz zum Einsatz, sei die Installation sicher. Das sei nicht die billigste Lösung, so Müller, aber der VDE-AR-N 4105 werde so eigentlich genüge getan. Jeden Monat biete er für Installateure Workshops an. 350 seien bereits geschult worden. Der Verkauf von Steckdosenmodulen über diese Gruppe falle dennoch schwer, weil für die Handwerker der Gewinn je Modul gering sei und sie bei ihren jeweiligen Stadtwerken häufig auf Widerstand stießen. Neue Regeln können helfen Abhilfe könnte hier wohl nur eine klare technische Regelung bringen, die vom VDE|DKE angestoßen werden könnte. Dies könnte auch dem Schutz der Verbraucher dienen. Denn derzeit werden von einer Vielzahl von Anbietern im Internet, auch über ebay.de, Steckdosenmodule angeboten, die – teils mit billigen Wechselrichtern ausgestattet – tatsächlich ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Den Kunden wird bei diesen Angeboten suggeriert, sie könnten die Module ohne Probleme an eine x-beliebige Steckdose anschließen. Weil es keine Regelung etwa analog zur Schweiz gibt, bewegen sich alle Anbieter in Deutschland zumindest in einer Grauzone und Verbrauchern fällt es schwer, die Seriösität der Verkäufer einzuschätzen. Nische mit Potenzial Mikro-PV-Anlagen sind ein Ni­schen­markt. Allerdings gibt es durchaus Potenzial. So hat die Berliner indielux UG ein einfach zu installierendes Balkonmodul entwickelt. Gründer Marcus Vietz­ke erklärt: „Wir haben ein serienreifes Produkt, das wir aber nicht selbst vermarkten wollen. Wir streben eine Kooperation mit einem Energieversorgungsunternehmen an.“ Als Start-up hätten sie das Potenzial für Mikro-PV-Anlagen ermittelt. Dies liege allein mit den gut ausgerichteten Balkonen bei 2,8 Millionen Haushalten. Holger Laudeley von e.cube systems in Ritterhude sagt, er habe bereits einige tausend Mikro-PV-Anlagen verkauft. Dabei geht er nicht den Weg des geringsten Widerstands. Er betont, jeder solle das Recht haben, Mikro-PV-Anlagen mit ein oder zwei Modulen an die üblichen Steckdosen anzuschließen. Davon gehe keine Gefahr aus. Und auch die MiniJoule GmbH ist eines von weiteren Unternehmen, die seit ein paar Jahren auf Mikro-PV setzt. Sie motiviert die Käufer über einfache Do-it-yourself-Bauanleitungen der PV-Bausätze. Jedoch fehlt darin der Hinweis, wie die Anlagen angeschlossen werden können. An anderer Stelle findet sich dann die Aussage, dies solle der Käufer mit seinem Netzbetreiber abstimmen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist dann leider hoch, dass dies zum Streitpunkt wird, weil für ein massentaugliches Produkt in Deutschland die technischen Regeln fehlen. Text: Andreas Witt Foto: indielux UG

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