IdE: Gut geforscht – und doch zerschlagen

Solarthemen 468.Mit dem Institut dezentrale Energietechnologien (IdE) in Kassel wird erstmals in Deutschland eine florierende Forschungseinrichtung im Bereich der erneuerbaren Energien abgewickelt. Die Gründe sind nicht wissenschaftlicher, sondern politischer Art.

Noch im Jahr 2015 war das IdE auf Wachstumskurs. Im vorigen Sommer waren am Institut nach Angaben seines Geschaftsführers Martin Hoppe-Kilpper 8o Mitarbeiter beschäftigt. Mehr als je zuvor in den fünf Jahren seines Bestehens. 19 Millionen Euro an Projektmitteln von öffentlichen Fördergebern und Unternehmen hatte das von fünf Professoren der Kasseler Universität angeführte Wissenschaftlerteam in dieser Zeit akquiriert. Mit zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen sind die Wissenschaftler in den Themenbereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien in der Fachwelt präsent. Das Institut galt als Musterbeispiel für die Kooperation zwischen einer Universität und in der Region ansässigen Unternehmen. Neben der Universität, die 50 Prozent der Anteile an der gemeinnützigen GmbH hält, sind der Wechselrichterhersteller SMA, der kommunale Energieversorger EAM, die Viessmann Werke, die Wingas GmbH und die Städtische Werke Kassel AG mit jeweils 8 Prozent beteiligt. Weitere Gesellschafter sind das Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien (deENet), die Stadt Kassel und die Gemeinde Niestetal. Die Volkswagen AG ist über einen Kooperationsvertrag fest eingebunden. Industriepartner zufrieden Und die Unternehmen waren offenbar sehr zufrieden mit der anwendungsbezogenen Forschungsarbeit, die im IdE geleistet wurde, wie die Recherchen der Solarthemen im Gesellschafterkreis ergaben. Gern hätte man die Zusammenarbeit fortgesetzt und weitere Projekte angestoßen, sagt einer der Initiatoren aus der Industrie. Als allerdings das vom Grünen Tarek Al-Wazir geführte hessische Wirtschaftsministerium im späten Frühjahr 2015 bekannt gab, dass dem IdE nach der fünfjährigen Anschubfinanzierung von insgesamt 2,5 Millionen Euro aus Mitteln des europäischen EFRE-Fonds eine Anschlussförderung nicht mehr gewährt werde, sahen sich die industriellen Gesellschafter gezwungen, das Ende des IdE mit zu beschließen. „Wir mussten die Entscheidung mittragen“, sagt ein führender Manager aus dem Kreis der beteiligten Unternehmen. „Die Gesellschafter des IdE waren davon ausgegangen, dass das Land eine weitere, fünfjährige Förderung gewähren würde“, berichtet Hoppe-Kilpper. „Diese zweite Förderphase sollte nach unserer Vorstellung degressiv gestaltet und die auslaufenden Fördermittel durch neue Gesellschafter kompensiert werden. Neue Gesellschafter sollten vor allem aus den südlichen Landesteilen kommen, um das IdE so zu einer gesamthessischen Institution zu entwickeln.“ Obwohl der Betrag der Projektmittel in den vergangenen fünf Jahren fast 80 Prozent der Finanzen ausgemacht hat und die Grundfinanzierung von Land und Unternehmen nur jeweils 10 Prozent beisteuerte, sei ein Arbeiten ohne Grundfinanzierung für ein wissenschaftliches Institut nicht möglich, erläutert Hoppe-Kilpper Beim hessischen Wirtschaftsministerium beruft man sich hingegen darauf, dass die Anschubfinanzierung von vornherein auf fünf Jahre befristet gewesen sei. Auf Anfrage der Solarthemen erklärt Ministeriumssprecher Wolfgang Harms: „Bei Beginn der Anschubfinanzierung im Jahr 2011 wurde vereinbart, dass sich das IdE nach Ablauf der fünf Jahre selbst tragen müsse. Das IdE hat dieses Ziel jedoch nicht erreicht. Daher war eine Verlängerung nicht vertretbar.“ Finanzierung umgeswitcht Statt des IdE fördert das Ministerium jetzt das neue, im Oktober gegründete „House of Energy“ in Kassel. An dessen Trägerverein sind die meisten Gesellschafter des IdE und zusätzlich das in Kassel ansässige Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energie-Systemtechnik (IWES) sowie nun auch Partner aus Südhessen beteiligt. Zur Finanzierung sagt der Ministeriumssprecher: „Das HoE ist als Verein organisiert. Hochschulen und Unternehmen teilen sich mit der Landesregierung die Kosten der Geschäftsstelle, deren Etat bei 640000 Euro jährlich liegt. Mit der Zeit sollen neue Mitglieder hinzukommen, so dass die öffentliche Förderung Schritt für Schritt reduziert werden kann.“ Kleiner Schönheitsfehler aus Sicht der IdE-Gründer: Am House of Energy wird nicht geforscht. Es hat lediglich koordinierende Funktion. Tarek Al-Wazir sagte anlässlich der Gründung: „Das House of Energy wird als Denkfabrik, als Kommunikations- und Transferplattform zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fungieren.“ Bitter ist das vor allem auch für die wissenschaftlichen Mitarbeiter des IdE. Zwar werden rund 10 Verwaltungsmitarbeiter vom House of Energy übernommen. Für die hochqualifizierten Wissenschaftler gibt es dort allerdings keine Perspektive. Entsprechend deutlich fielen die Proteste aus ihrem Kreis aus. Als sich Polit- und Forschungsprominenz Mitte Oktober zur feierlichen Gründung des House of Energy in Kassel einfand, sah diese sich unvermittelt einem plötzlich von einem Dach ausgerollten Großtransparent gegenüber (Foto), das mit dem Symbol einer Abrissbirne die Energiepolitik der Grünen in Hessen kritisierte. Den unbefristet eingestellten, durchweg promovierten IdE-Abteilungsleitern ist im vergangenen Jahr betriebsbedingt gekündigt worden. Zum Teil haben sie das Institut bereits verlassen. Aktuell stehen laut Hoppe-Kilpper nur noch 22 Stellen auf der Gehaltsliste des Instituts. Die meisten Doktoranden und befristet eingestellten Mitarbeiter, können die laufenden Projekte, mit denen ihre Stellen verbunden sind, allerdings weiterbetreuen. Denn ein Teil der Projekte des IdE wird wahrscheinlich von der Uni übernommen. Die Verhandlungen mit den Fördermittelgebern laufen dazu teilweise noch. Blick nach vorn „Natürlich kam die Nichtverlängerung der IdE-Förderung für uns alle überraschend. Den IdE-Gesellschaftern war es aber dennoch wichtig, dass die mit IdE entwickelten Kooperationsstrukturen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft erhalten und weiter ausgebaut werden. Wir blicken jetzt nach vorn und versuchen, diese besondere Art der anwendungsbezogenen Forschung zukünftig innerhalb der Universität zu organisieren“, sagt Hoppe-Kilpper. Dies sei selbstverständlich möglich, zeigt er sich zuversichtlich. Das IdE als außeruniversitäre GmbH sei jedoch leichter in der Lage gewesen Schlüsselpersonal langfristig zu binden. „Gerade solche unbefristeten Wissenschaftler-Stellen wie diejenigen der IdE-Abteilungsleiter waren ein prägendes Strukturelement des IdE.“ Ideale Struktur Klaus Vajen, einer der fünf leitenden Professoren des IdE, drückt sich klarer aus: „Wir werden unsere zentralen Führungskräfte künftig nicht halten können“, sagt der Solarthermie-Spezialist. „Eine Rückkehr zur alten Größe und Leistungskraft des IdE ist innerhalb der Universität nicht möglich“, meint er. Die vom SMA-Gründer Günther Cramer initiierten Strukturen des IdE seien aber nicht nur in Bezug auf das Thema Personal ideal gewesen, so Vajen: „Die hälftige Grundfinanzierung durch Industrie und öffentliche Hand führt zu einem Musterbeispiel für gelungenen Technologietransfer. Eigentlich bräuchten wir hunderter solcher Insititute in Deutschland, auch in anderen Technologiebereichen.“ Im Bereich der Energiewendethemen sei das IdE allerdings wohl bislang einzigartig. Für die Uni als größten Anteilseigner des IdE dürfte der in der Amtszeit des inzwischen emeritierten Uni-Präsidenten Rolf-Dieter Postlepp getroffene Abwicklungsbeschluss auch finanzielle Einbußen bringen. „Die gesellschaftsrechtliche Kooperation mit der nordhessischen Wirtschaft im IdE hat für die Universität Kassel sicherlich zusätzliche Drittmittel gebracht“, sagt Hoppe-Kilpper. Postlepp ist jetzt Vize-Vorsitzender des Trägervereins des House of Energy. Das House of Energy sei grundsäztzlich eine gute Sache, stellt Martin Hoppe-Kilpper klar. Es hätte in seinen Augen keineswegs im Widerspruch zur Existenz des IdE gestanden: „Der Aufbau eines ,House of Energy‘ als hessenweite Kooperationsplattform stand bereits zu Gründungszeiten des IdE im Raum. Wir haben das immer unterstützt und uns für einen Standort in Kassel eingesetzt.“ Nur Verlierer? Bleibt die Frage, ob es neben vielen Verlierern irgendeinen Gewinner bei der politisch induzierten Entscheidung zur Schließung des IdE gibt. Angesichts wachsender Konkurrenz um Drittmittel könnten dies andere Institute wie etwa das IWES sein, hört man in der Kasseler Gerüchteküche. IWES-Leiter Clemens Hoffmann ließ eine Bitte der Solarthemen um Stellungnahme dazu unbeantwortet. Freilich haben sich die Forschungsgebiete von IWES und IdE bislang kaum überschnitten. Teilweise arbeiteten die Institute auch in Projekten zusammen. nd dem IWES fehlt mit dem IdE ein Partner in den Bereichen Wärme und Effizienz. Text: Guido Bröer

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