Mühsame EEG-Novelle

Foto: Guido Bröer
Solarthemen 469.Der Faktor Zeit spielt für die Pläne der Bundesregierung zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zunehmend eine Rolle. Während die grundsätzlichen Themen bereits auf höchster politischer Ebene diskutiert werden, hat die Debatte um wichtige Details noch kaum begonnen.

Das Ziel einer Verabschiedung der EEG-Novelle bis zur Sommerpause hat die Bundesregierung offenbar bereits fallen gelassen. Auf Anfrage der Solarthemen sagte eine Sprecherin der Bundeswirtschaftsministeriums nun, dass die Novelle im Herbst 2016 verabschiedet werden solle. Noch nichts offizielles Hatte die rot-schwarze Bundesregierung die vorige EEG-Novelle 2014 mit einem rekordverdächtigen Tempo über die politische Bühne gebracht, so zieht sich das unter dem Stichwort „EEG 2016“ laufende Gesetzgebungsprojekt schon jetzt deutlich länger hin. Seit der Vorstellung der ersten Eckpunkte im Juli 2015 ist in Berlin viel Wasser die Spree heruntergeflossen, ohne dass bislang ein Gesetzentwurf offiziell veröffentlicht worden wäre. Der jüngste kursierende Referentenentwurf datiert vom 29. Februar und umfasst mit Begründung rund 250 Seiten – ohne das separate Offshore-Gesetz. Er befindet sich in der sogenannten „Ressortabstimmung“. Das heißt die Fachexperten und Juristen mehrerer beteiligter Ministerien brüten über den Paragraphen, die das in diesem Fall federführende Wirtschaftsministerium vorformuliert hat. Gleichwohl wird in diesem frühen Stadium bereits auf höchster politischer Ebene um die Inhalte gefochten. Der Bundesrat hat sich schon im Oktober mit einer Entschließung für eine Nutzung der von der EU-Kommission angehobenen De-Minimis-Grenze für Windkraftanlagen eingesetzt. Und sämtliche norddeutschen Ministerpräsidenten ließen Ende Januar ihren Wismarer Appel folgen, in dem sie unter anderem ein höheres und gesichertes Ausbauvolumen bei Windkraftanlagen fordern. Länder wollen mitreden Wenngleich das EEG formal kein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, das die Bundesländer am Ende des Gesetzgebungsverfahrens blockieren könnten, so zeigen schon diese Vorgänge, dass die so bunt wie selten gemischten Länderregierungen gegenüber der großen Koalition in Berlin durchaus artikulationsfähig und auch willens sind, ein Wörtchen mitzureden. Aktuell gilt deshalb unter politischen Beobachtern als wahrscheinlich, dass zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Ende April die Bundesregierung einen überarbeiteten Entwurf vorlegen wird, über den in dieser Runde gesprochen werden könnte. Das erinnert stark an das Jahr 2014, als es Sigmar Gabriel und Angela Merkel noch vor dem Beschluss des Bundeskabinetts und der offiziellen Eröffnung des Gesetzgebungsverfahrens zum EEG gelang, zunächst die Ministerpräsidenten auf eine Kompromisslinie zu den umstrittensten Punkten des EEG einzuschwören. Der Marsch durch das Parlament hat dann am großen Ganzen nicht mehr viel verändert. Kleine und große Themen Im politischen Diskurs um die EEG-Novelle standen bislang eigentlich nur zwei – zweifellos wichtige – Themen im Vordergrund: Zum einen die Frage, ob und wie Bürgerenergiegesellschaften künftig noch am Ausbau vor allem der Windkraft teilhaben können. Und zum anderen die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, das Ausbauvolumen der Windkraft an Land massiv zu bremsen. Neben diesen beiden beherrschenden Themen stecken in dem Entwurf allerdings viele andere Details, die zum Teil wesentliche Änderungen für die erneuerbaren Energien im Strombereich bringen könnten. Eigenstrom ausgeschlossen Einer dieser weitreichenden Punkte ist das von der Bundesregierung in § 27a formulierte Junktim zwischen Eigenverbrauch und Ausschreibungspflicht: Wer den von seiner geplanten Regenerativstrom-Anlage erzeugten Strom selbst nutzen will, kann mit der gleichen Anlage nicht an Ausschreibungen teilnehmen. Anders herum: Wer an Ausschreibungen teilnehmen muss, um seine Anlage über das Marktprämienmodell verlässlich zu refinanzieren, dem soll ein teilweiser Eigenverbrauch bei dieser Anlage verwehrt werden. Eine auf den ersten Blick marginale Neuerung, die aber langfristig von großer Bedeutung sein kann, steckt im neuen §88a. Es handelt sich um die „Verordnungsermächtigung zur Öffnung von Ausschreibungen für Anlagen im Ausland“. Dreieinhalb Seiten benötigt das Bundeswirtschaftsministerium für diesen Paragraphen – allein, um eine Verordnungsermächtigung zu formulieren. Es geht darum, bis zu 5 Prozent des Ausschreibungsvolumens außerhalb Deutschlands in bestimmten Ländern der EU zu errichten. Damit will die Regierung ein Versprechen einlösen, das sie der EU-Kommission im Zuge der Verhandlungen um die Notifizierung des EEG 2014 gegeben hat. Umfangreiche Befugnisse Bemerkenswert daran: Mit der Verordnungsermächtigung würde das Parlament der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur sehr umfangreiche Befugnisse übertragen. „Das Parlament gibt damit nicht nur dem Ministerium sondern auch einer nachgeordneten Bundesbehörde das Heft des Handelns in die Hand und entzieht damit wichtige Regelungen der parlamentarischen Debatte“, kritisiert Wolfram Axthelm, Sprecher des Bundesverbandes Windenergie. Unter anderem sollen die Behörden zahlreiche Paragraphen des Deutschen EEG für die ausländischen Anlagen außer Kraft setzen oder abändern dürfen. Dies sei notwendig, argumentiert das BMWi im Entwurf der Gesetzes­begrün­dung: „Nur durch die Delegation von Kompetenzen an die Bundesregierung im Rahmen der Verordnungsermächtigung und die darin vorgesehene Möglichkeit zur Delegation von Kompetenzen auf die BNetzA ist das gebotene Maß an Flexibilität gewährleistet. Diese Flexibilität zur Anpassung der einschlägigen Regelungen wäre hingegen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens nicht gewährleistet.“ Bürokratischer Aufwand Die Verordnungsermächtigung lässt ebenso wie das bereits im März vorgestellte Eckpunktepapier über die ausländischen Pilotausschreibungen im Bereich der Photovoltaik-Freilandanlagen (Solarthemen 468) ahnen, welcher Aufwand mit dieser Öffnung des deutschen Fördersystems verbunden ist. Für 5 Prozent Ausschreibungsvolumen lohnt sich dieser Aufwand eigentlich kaum, würden dahinter nicht zwei Ideen stehen, die sehr weitreichende Folgen haben können: Einerseits verbindet die EU-Kommission mit diesen grenzüberschreitenden Ausschreibungen die Hoffnung auf eine gegenseitige Angleichung der Fördersysteme in den EU-Ländern, was gerade bei deutschen Branchenvertretern die Furcht vor einer Abwärtsspirale wachsen lässt. Zum anderen steht hinter den internationalen Ausschreibungen die Überlegung, dass die verschiedenen klimatischen Bedingungen für günstigere Stromgestehungskosten sorgen könnten. Bei den geplanten Pilotausschreibungen mit Luxemburg und Dänemark für Freiflä­chen-PV sind hier keine großen Wunder zu erwarten. Mit der Verordnungsermächtigung im EEG-Entwurf geht es aber perspektivisch auch um Solarstrom aus Spanien oder Windstrom aus Schottland. Laut Theorie könnte der deutsche Stromkunde mit seinen EEG-Groschen effizienter Kilowattstunden aus diesen preisgünstigen Herkunftsländern fördern als Ökostrom aus heimischer Erzeugung. „Mit dezentraler Energiewende hat das allerdings nicht gerade viel zu tun“, kommentiert der Leiter Politik und Strategie beim Bundesverband Erneuerbare Energien, Carsten Pfeiffer. Interessant ist auch, dass die Bundesregierung mit den Ausschreibungen das System der atmenden Deckel teilweise wieder aufgeben will. Stattdessen werden degressive Höchstpreise für die Ausschreibungen angesetzt. Bei der Windkraft beispielsweise wird ein Höchstwert der Gebote auf einen sogenannten anzulegenden Wert von 7 Cent pro Kilowattstunde für einen Standort mit 100 Prozent des Referenz-Windertrags festgelegt. Dieser Höchstwert soll um ein Prozent pro Jahr sinken. Im Vergleich zu der aktuellen Vergütung im Windbereich von etwa 8,7 Cent scheint 7,0 Cent zwar auf den ersten Blick sehr wenig. Allerdings sind die Beträge nicht direkt vergleichbar, da das Vergütungsmodell von einem zweistufigen auf ein einstufiges Modell umgestellt werden soll. Nicht mehr über die Dauer der Anfangsvergütung sollen die unterschiedlichen Standortqualitäten ausgeglichen werden, sondern durch einen Faktor mit dem der anzulegende Wert über die gesamte Förderdauer multipliziert werden soll. Dieses Verfahren hatte der Bundesverband Windenergie ursprünglich selbst vorgeschlagen, hält aber den Startwert von 7 Cent für deutlich zu niedrig. Kleiner Erfolg für Biogas Im Bereich der Biogasanlagen hat die Branche mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums offenbar bereits einen kleinen Erfolg erzielt. Laut §39a der Referentenentwurfs sollen künftig auch bestehende Biogasanlagen an Ausschreibungen teilnehmen können. Bekommen sie einen Zuschlag, so sollen sie nicht nochmal für 20, sondern nur für weitere 10 Jahre profitieren. Biogasbetreiber die künftig gefördert werden möchten, müssen sich verpflichten, Mais, Getreide und Lieschkolbenschrot nur bis zu einem Anteil von höchstens 50 Prozent beizumischen. Text: Guido Bröer Foto: Guido Bröer

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