Interview mit Ulrich Kelber (SPD) zur EEG-Novelle: Erneuerbare nicht ausbremsen!
Solarthemen: Sie haben einen Appell für erneuerbare Energien initiiert. Was ist Ihr Motiv?
Ulrich Kelber: Wir wollten eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Man hörte zuletzt immer wieder von denjenigen in der Bundespolitik etwas, die die Förderung erneuerbarer Energien verschlechtern wollen oder sogar die Ausbauziele selbst in Frage stellen. Wir wollten zeigen, dass es auch die Kräfte gibt, die sagen: Ganz im Gegenteil, wir müssen die Ausbauziele jetzt nach oben setzen. Jetzt ist die Zeit, konsequent auf 100 Prozent Erneuerbare zuzusteuern. Wir setzten auf die Zukunft!
Vor allem Windkraft und Photovoltaik, so ist im Appell zu lesen, sollen ausgebaut werden. Was heißt das konkret?
Photovoltaik- und Windkraftanlagen an Land sind erstens die preisgünstigsten erneuerbaren Energien. Und damit ist auch allen klar: Sie sind das Rückgrat für die 100-Prozent-Versorgung aus erneuerbaren Energien. Außerdem sind es gerade die Erzeugungsformen, die besonders gut in Bürgerhand, mit einer möglichst breiten dezentralen Erzeugerstruktur, angeboten werden können. Deswegen sollten sie besonders schnell ausgebaut werden.
Im jetzigen Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Ausbaupfad für die Technologien formuliert. Wollen Sie denn darüber hinausgehen? Oder geht es um die Einhaltung dieses Pfades?
Wir glauben, dass es wichtig wäre, über diesen Ausbaupfad hinauszugehen. Die Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren sind seit dem Koalitionsvertrag 2013 noch einmal deutlich günstiger geworden. Der Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen hat kaum mehr Auswirkung auf die Höhe der EEG-Umlage. Die wird längst durch ganz andere Sachen bestimmt, insbesondere ein falsches Marktmodell, das die Erneuerbaren nach wie vor an den Rand drängt und den daraus entstehenden Strom durch die Vermarktungsmechanismen verscherbelt statt ihn wertvoll zu nutzen.
Nun haben Sie gesagt, es würden vor allem die gehört, die das EEG weiter einschränken wollen. Eines von deren Argumenten ist eine bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren eventuell steigende EEG-Umlage. Wollen Sie das riskieren?
Die EEG-Umlage hat sich vom Ausbaupfad entkoppelt, als 2009 das Vermarktungsmodell verändert und die für Strom aus Erneuerbaren erzielbaren Erlöse im Anschluss immer geringer geworden sind. Man muss das Marktmodell stattdessen so ändern, dass die Erneuerbaren den Mittelpunkt darstellen und die fossilen Energien sie nur noch – mit abnehmender Bedeutung – ergänzen. Entsprechend würde Strom aus erneuerbaren Energien wertvoller, der Börsenpreis für Strom stiege, die EEG-Umlage würde aber gleichzeitig sinken.
Wie kann man es erreichen, dass sich die fossilen Energien stärker an die erneuerbaren anpassen als umgekehrt? Haben Sie eine Idee?
Da gibt es eine ganze Reihe von guten Vorschlägen. Ich selbst habe dazu vor etwa drei Jahren in meiner damaligen Funktion als stellvertretender Fraktionsvorsitzender einen Vorschlag gemacht. Das kann von einer bilanziellen Wälzung des erneuerbaren Stroms auf alle Versorger bis zu anderen Anreizen dafür gehen, dass fossile Kraftwerke volatiler, bedarfsgerechter betrieben werden und es keinen Marktanreiz gibt, diese Kraftwerke durchlaufen zu lassen. Beim Ersatz fossiler Erzeugungskapazität sollte dann vor allem auf Gasturbinen gesetzt werden, die kostengünstig einspringen können, aber nicht so stark wirtschaftlich darauf angewiesen sind, auf viele Betriebsstunden zu kommen.
Als zweites Argument gegen den Ausbau erneuerbarer Energien werden zu geringe Netzkapazitäten angeführt. Wäre es nicht doch vernünftiger, den Ausbau der Erneuerbaren langsamer anzugehen?
Natürlich sollte die Energiewende einigermaßen geplant ablaufen, aber eben nicht verlangsamt, sondern beschleunigt. Es darf kein Deckel auf die Erneuerbaren gelegt werden. Man muss auch ganz klar sehen, dass ein großer Teil des erforderlichen Netzausbaus auf der irrigen Annahme beruht, man müsse erneuerbare und fossile Energien gleichzeitig betreiben können, weil ja nicht alle fossile Erzeugung abgeregelt würde, sondern z.B. für den Export arbeitete. Ein strikter Erneuerbare-Energien-Ausbaupfad würde diesen Druck von den Netzen nehmen. Wir haben heute tatsächlich noch sehr selten die Situation, dass die Netze nur durch erneuerbare Energien überlastet wären. Und wenn wir dann den geplanten Netzausbau auch realisieren, wird das auch für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien reichen.
Was sind die richtigen Instrumente? Der Novellenentwurf und auch schon das bestehende EEG setzt auf Ausschreibungen. Wo würden Sie einen sinnvollen Einsatz von Ausschreibungen sehen?
Man kann Ausschreibungen durchaus sinnvoll einsetzen, auch, um in bestimmten Regionen zusätzlich zu fördern. Es macht aber wenig Sinn, selbst kleine dezentrale Anlagen in ein komplexes Verfahren zu pressen, wo die investierenden Bürger mit hohen Vorlaufkosten belastet werden und dann vielleicht gar nicht zum Zuge kommen. So würgt man Engagement und Investitionsbereitschaft ab. Daher braucht man auf jeden Fall einen Bereich ohne Ausschreibung. Und man sollte über Modelle nachdenken, die eine breite Beteiligung von Bürgern an einem Projekt in einer Region bevorzugen. Man kann hier z.B. eine Art Vorkaufsrecht etablieren. Bürgerprojekte würden dann in jedem Fall eine Vergütung erhalten, die dem letzten bei einer Ausschreibung akzeptierten Angebot entspricht.
Ihr Appell wurde am 20. April veröffentlicht, kurz nachdem das Wirtschaftsministerium seinen Entwurf der EEG-Novelle präsentiert hat. Stellen Sie sich denn konkret gegen diesen Entwurf?
Als der Appell geschrieben wurde, war der Entwurf noch nicht veröffentlicht worden, der Appell bezieht sich also nicht darauf. Ich würde den EEG-Entwurf allerdings tatsächlich gerne nachbessern und vor allem keine über den Entwurf noch hinausgehenden weiteren Verschlechterungen für die erneuerbaren Energien zulassen. Diese Stimmen gibt es ja auch, wenn ich da zum Beispiel an den Brief des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Kauder denke.
Wo fordern Sie Verbesserungen?
Wir brauchen mehr Ausbau von Windenergie an Land und mehr Photovoltaik. Gerade Privatpersonen, kleinen Firmen zur Eigenerzeugung und regionalen Initiativen, die Windenergie in Bürgerhand oder in kommunaler Hand vorantreiben, sollte das Leben leichter gemacht werden. So können wir mehr Investitionen in diese beiden Erzeugungsformen lenken, also den Ausbau beschleunigen. Erleichterte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien für Mieter wäre ein großer Fortschritt. Und das Marktmodell muss konsequent die erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt stellen.
Der Appell für Erneuerbare wird parteiübergreifend von Politikern im Bundestag unterstützt. Wie würden Sie denn die Stimmung im Bundestag einschätzen? Wird diese Novelle ernsthaft diskutiert werden oder wird der Regierungsentwurf mehr oder weniger abgenickt?
Das ist schwierig einzuschätzen. Wir haben ja bewusst keine Unterschriftensammlung gemacht – nach dem Motto: Hier ist ein Appell, mal sehen, wie viele Unterstützer wir bekommen. Sondern wir haben in jeder Fraktion einzelne angesprochen, deren Engagement für erneuerbare Energien bekannt ist. Neben den Unterzeichnern gibt es natürlich deutlich mehr Abgeordnete, die sich für 100% Erneuerbare aussprechen. Der Appell soll ein Signal an die Abgeordneten sein: Meldet Euch zu Wort, widersprecht, macht andere Vorschläge.
Gerade ist auch der Klimaschutzvertrag unterzeichnet worden. Ist dies ein Argument für die Befürworter eines starken Ausbaus erneuerbarer Energien?
Wir haben mit dem Pariser Übereinkommen jetzt endlich einen Klimavertrag, der einen echten Fortschritt bedeutet. Aber ein wirklicher Durchbruch wird erst dann daraus, wenn wir bei der nationalen Überprüfung der Klimaschutzpläne erkennen, dass die einzelnen Länder ihren Verpflichtungen nachkommen. Dabei gilt für Deutschland: Wir haben erste Erfolge bei der Minderung der Treibhausgase erreicht. Wir haben noch ambitioniertere Ziele beschlossen, für 2020, 2030 und danach. Aber diese sind nur durch einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen.
Interview: Andreas Witt