Interview mit Prof. Dr. Felix Ekardt: Einspeisevergütung ist keine Beihilfe

Prof, Dr. Felix Ekardt ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock. Anfang 2009 hat er die von ihm geleitete Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin gegründet. Die Solarthemen sprachen mit ihm über das Urteil des Gerichts der Europäischen Union zum deutschen EEG. Das Gericht stuft Einspeisevergütungen und Ausnahmeregeln für die Industrie als Beihilfen ein.

Solarthemen: Das Gericht der Europäischen Union stuft das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz als Beihilfe ein? Wie sehen Sie das?

Felix Ekardt: Dieses Gericht stuft nicht nur die Einspeisevergütung bzw. die Marktprämie als Beihilfe ein, sondern auch die Industrieausnahmen im EEG. Nicht behandelt wird in dem Urteil die Frage, ob diese Beihilfen gegebenenfalls zu rechtfertigen sind. Dieses Urteil unterscheidet sich zumindest dem ersten Anschein nach von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Das hatte 2001 zu Industrieausnahmen keine Stellung bezogen und zur Einspeisevergütung erklärt, dabei handele es sich nicht um Beihilfen. Jetzt ist die entscheidende Frage bei Industrieausnahmen von der EEG-Umlage und bei Einspeisevergütungen, ob hier eine Staatlichkeit der Finanzflüsse anzunehmen ist. Es ist klar, dass das EEG eine Preisregelung enthält. Das tun aber auch viele andere gesetzliche Regelungen. So sind zum Beispiel staatlich festgesetzte Vergütungen für Ärzte oder Apotheker ebenfalls staatliche Preisregelungen. Das also kann den Tatbestand der Beihilfe nicht auslösen. Es müsste eine staatliche Kontrolle vorliegen, die über die Festsetzung der Preise hinausgeht. Bei den Industrieausnahmen kann man das insofern bejahen, als das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – das BAFA – sogar gewisse Spielräume bei ihren Aufgaben in diesem Kontext hat. Bei der Einspeisevergütung als solcher ist das aber nun gerade nicht gegeben, weswegen mich das neue Urteil nicht überzeugt.

Nun sieht das Gericht der Europäischen Union Unterschiede zwischen dem Stromeinspeisungsgesetz, über das der Gerichtshof 2001 urteilte, und dem EEG 2012. Denn darin habe der Gesetzgeber das Verfahren zur EEG-Umlage sehr genau ausgestaltet. Die Verteilnetzbetreiber hätten selbst keinen Spielraum und würden so letztlich zum verlängerten Arm des Staates.

Das Gericht argumentiert tatsächlich in diese Richtung. Wenn das überzeugend wäre, müssten aber beliebige andere staatliche Preisregelungen zum Beispiel im Gesundheitssektor oder auch festgelegte Vergütungssätze für Rechtsanwälte künftig als Beihilfen qualifiziert werden. Das hätte immer die problematische Folge, dass die EU-Kommission zu einer Art Generalüberwachungsbehörde nationalstaatlicher Politik werden würde. Denn mit der Qualifizierung ist ja verbunden, dass eine Beihilfe zulässig ist unter gewissen ausnahmsweisen Bedingungen, die die EU-Kommission im Einzelfall bestätigen muss. Die Qualifizierung einer Beihilfe gibt also der EU-Kommission Macht. Und genau deswegen hat ja auch die EU-Kommission seit langem darauf gedrungen, das Einspeisevergütungs-Regime nach Art des EEG als Beihilfe einzustufen. Das hat den Europäischen Gerichtshof in seinem „Preussen-Elektra-Urteil“ vor 15 Jahren gerade nicht überzeugt. Das Gericht der Europäischen Union sieht das nun anders. Es überzeugt mich aber nicht, wenn es sagt, das EEG sei anders zu beurteilen als das Stromeinspeisungsgesetz, um das es 2001 ging. Denn die Systematik der Preissetzung und der Abwälzung der damit verbundenen Kosten ist gleich geblieben. Es ist gesetzlich etwas präziser geregelt worden. Aber die Intention ist die ganze Zeit die gleiche geblieben.

Der Wälzungsmechanismus hat sich aber doch verändert gegenüber 2001 bzw. Ende der 90er Jahre.

In den Details und der konkreten Umsetzung hat sich der natürlich verändert und das sogar mehrfach. Aber die Systematik war immer: Preise werden festgesetzt und die Kosten kommen beim Endkunden an. Es war auch nie unklar, dass genau das passieren sollte.

Sie hatten andere Preisregelungen angesprochen. Aber besteht beim EEG nicht doch ein Unterschied darin, dass nicht einfach nur ein Preis festgesetzt wird und der zwischen Verkäufer und Käufer, Arzt und Patient gilt? Geht die Einschaltung der Verteilnetzbetreiber nicht darüber hinaus, die aus Sicht des Gerichtes wie eine staatliche Instanz wirken und die EEG-Umlage damit fast zu einer staatlichen Abgabe machen?

Das Gericht behauptet so etwas. Aber ich sehe die Unterschiede zwischen dem EEG und Regelungen zum Beispiel im Gesundheitswesen nicht. Auch dort ist eine Vielzahl von Akteuren beteiligt, so wie Ärzte, Patienten, Krankenkassen. Und es werden auch genaue Regelungen zu den finanziellen Mitteln festgelegt, so dürfen bestimmte Budgets nicht überschritten werden. Die Krankenkassen insgesamt müssen eine gewisse Kostendisziplin wahren. Das ist eine ebenso globalistische Betrachtung wie beim EEG. Und die Situation, dass es nicht eine staatliche Behörde ist, die das Geld vereinnahmt und an wen auch immer weiterreicht, das ist im Gesundheitswesen nicht anders als beim EEG. Beim EEG gibt es aber eine wichtige Unterscheidung, die nun in der Debatte leider immer untergeht: Das ist der Unterschied zwischen den Einspeisevergütungen und den Industrieausnahmen. Bei letzteren ist es durchaus plausibel aufgrund der Einschaltung des BAFA, in der Logik des Beihilfenbegriffs, der ein Tätigwerden einer staatlichen Behörde impliziert, von einer Beihilfe zu sprechen. Und das hat gravierende Auswirkungen. Denn wir reden ja gerade nur über den Tatbestand. Schauen wir doch mal, ob die Beihilfe überhaupt zu rechtfertigen wäre. Wäre die Einspeisevergütung eine Beihilfe, wäre sie eindeutig zu rechtfertigen. Bei den Industrieausnahmen habe ich aber große Schwierigkeiten, eine rechtfertigende Ausnahme vom grundsätzlichen Beihilfenverbot in Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu finden. Ökologisch förderlich ist das Vorliegen von Industrieausnahmen ziemlich sicher nicht.

Nun fährt die Bundesregierung zweigleisig. Einerseits wendet sie sich dagegen, das EEG als Beihilfe einzustufen – das zeigt auch das Verfahren. Andererseits hat sie das EEG bei der EU-Kommission notifizieren und als Beihilfe genehmigen lassen. Muss man sich denn nun weiter um das Thema kümmern oder lässt man das Urteil einfach gelten und das EEG jeweils notifizieren?

Die Bundesregierung selbst überlegt ja gerade, ob sie Rechtsmittel einlegt und zur nächsten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof, geht. Ich halte es für offen, wie das ausgehen würde. Letzten Endes wird die Bundesregierung aber, auch wenn sie in die nächste Instanz geht, das EEG 2016 vorsorglich notifizieren lassen, um Rechtsunsicherheiten für die Beteiligten ausschließen zu können. Und deswegen wird die Zweigleisigkeit bis zur Rechtsgültigkeit weiter bestehen.

Welche Konsequenzen muss die Politik nun aus diesem Urteil ziehen?

Ich würde sagen, die richtige Konsequenz ist genau, das Urteil anzufechten, weil die Beihilfenqualifizierung jedenfalls für die Einspeisevergütung nicht überzeugt. Die Position der Bundesregierung überzeugt mich aber auch nicht. Denn die hält ja weder die Einspeisevergütung noch die Industrieausnahmen für Beihilfen.

Sehen Sie denn weitergehende Konsequenzen aus dem Urteil des Gerichts der Europäischen Union – sollte es Bestand haben – in anderen gesellschaftlichen oder Politikbereichen?

Wenn sich dieser Beihilfenbegriff auf andere Bereiche überträgt, gewinnt die EU-Kommission potenziell mehr Macht. Das ist im Interesse der EU-Kommission. Ob es gerade zum jetzigen, von großen Erschütterungen in Europa geprägten Zeitpunkt insgesamt förderlich ist, wage ich dagegen zu bezweifeln.

Aber wo würden denn bei einem solch erweiterten Beihilfenbegriff Auswirkungen möglich sein, zum Beispiel bei anderen Energien?

Meiner Meinung nach sind in der Tat spätestens jetzt, aber eigentlich auch schon vorher, bestimmte Vergünstigungen etwa für fossile Brennstoffe oder die Kernenergie in der Tat als Beihilfe zu qualifizieren, in dem Moment, wo staatliche Stellen eingeschaltet sind – und zwar als Beihilfen, die nicht gerechtfertigt werden können, wenn es etwa um eine staatliche Preisfestsetzung für das geplante britische Atomkraftwerk geht. Ebenso könnte man bei fossilen Brennstoffen beispielsweise Steuervergünstigungen in Frage stellen, die diesen gewährt werden. Es ist nicht zu sehen, wie dies ökologisch gerechtfertigt werden könnte. Noch weiter würde es natürlich gehen, wenn die geduldeten gesellschaftlichen Schäden, die die fossilen Energien anrichten, als verdeckte Subventionen qualifiziert würden. Dann würde vom Beihilferecht tatsächlich Sprengkraft für die europäische Umwelt- und Energiepolitik ausgehen. Allerdings sind die Kommission und die nationalen Regierungen wenig interessiert daran, in eine solche Richtung zu denken.

Wenn man nun an Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien denkt. Was müssen die nach diesem jüngsten Urteil zum EEG beachten?

In einem Interview kann ich keine Rechtsberatung leisten und die Antwort wäre auch zu komplex. Kurz gesagt: Die Unternehmen sollten genau beobachten, was die Bundesregierung jetzt weiter unternimmt. Es kommt auch durchaus in Betracht, dass Unternehmen selbst versuchen, die Frage, ob es sich bei Einspeisevergütungen und Industrieausnahmen von der EEG-Umlage um Beihilfen handelt, vor Gericht zu problematisieren.

Interview: Andreas Witt
Foto: Ekardt

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