Detlef Koenemann: Wir müssen selbstkritisch sein

Dr. Detlef Koenemann
Dr. Detlef Koenemann, Physiker und Journalist, war von 1992 bis 2008 Chefredakteur des Branchenmagazins Sonne Wind & Wärme, das vor einigen Jahren noch Sonnenenergie & Wärmetechnik hieß. Heute arbeitet er in Bielefeld als freier Journalist und Autor. Solarthemen:Was verbindest Du mit der Zeit Mitte der 90er Jahre als charakteristisch für den Umgang mit den Erneuerbaren? Detlef Koenemann: Damals haben sich viele lokale Initiativen bundesweit mit dem Thema kostendeckende Vergütung beschäftigt, zum Beispiel in Aachen, Freising und Bonn. Überall haben Leute versucht, das durchzusetzen – meist über die Stadträte, die dann den Stadtwerken die Weisung geben sollten, diese 2 Mark pro…

Ich war damals viel unterwegs, habe am Anfang vor allem Windparks besichtigt, die gerade aufgebaut wurden. Ich habe auch einige Fabriken angesehen, was damals einfacher möglich war als heute. Ich bin gern zu den ersten Messen gefahren und zu den Tagungen, auf denen es viel offenherziger zuging als heute. Alle waren dort gleichgesinnt und hatten gleiche Ziele. Sie tauschten deshalb auch sehr freigiebig die Erfahrungen aus. Als Chefredakteur der Sonne Wind & Wärme warst Du Chronist dieser Aufbruchsphase. Wie hat sich die Medienarbeit seitdem verändert? Es war damals viel einfacher von Firmen Informationen zu bekommen – auch am Telefon haben sie dir fast alles erzählt. Die Firmen waren jung, hatten das Bestreben bekannt zu werden und von ihren Erfahrungen zu berichten. Das wurde noch nicht durch eine Presseabteilung geschleust, die es in vielen Firmen damals gar nicht gab. Sondern die jeweiligen Experten haben dir frei von der Leber weg berichtet. Heute muss alles Mögliche erst mit der Unternehmenskommunikation abgestimmt werden. Manchmal gibt man schon deshalb eine Recherche auf, weil man keine Lust hat, ein Thema so stark verwässern zu lassen durch verschiedene Instanzen, durch die es laufen muss. Dann schreibt man lieber nichts. Als wir 1996 anfingen – Ihr wart ja als Fachzeitschrift schon lange am Markt – haben die Mainstream-Medien die Erneuerbaren kaum wahr genommen. Heute ist das Thema auf allen Kanälen präsent. Wie ändert sich dadurch die öffentliche Wahrnehmung? Solarthermie, Photovoltaik und Windenergie wurden zunächst mit Wohlwollen betrachtet – als das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Bundestag durchkam, als die Bürgerwind­parks entstanden, kleinere Solaranlagen auf Kindergärten und Gemeindehäusern entstanden. Das alles wurde in der Tagespresse gefeiert. Es gab eine Welle der Zustimmung. Erst ab 2011 kam der Meinungsumschwung, als die Photovoltaik massiv wuchs und der Staat die Bremse zog. Auch die Beschwerden über Windparks in der Nachbarschaft, die es von Anfang an gab, haben sich zunächst nicht verstärkt, obwohl die Anlagen immer größer wurden. Erst jetzt wächst der Unwille wieder, einen Windpark in der Nähe zu dulden. Das positive Interesse an diesem Thema ist fast erloschen, seit nicht mehr Hunderttausende oder fast Millionen die Möglichkeit sehen, durch die Beteiligung an den Projekten zu profitieren. Hat das mit der medialen Wahrnehmung der Erneuerbaren zu tun? Ich glaube nicht, das die Presse so einen großen Anteil daran hat. Die Stimmung ist aus einem Grund umgeschlagen, den ich mir noch nicht genau erklären kann. Die Flüchtlingskrise oder die Terrorgefahr beschäftigt die Leute aktuell mehr. Auch ist die Angst vor steigenden Ölpreisen nach dem Preisverfall nicht mehr ausgeprägt. Es spielen viele Faktoren hinein. Wie müsste sich die Rolle unserer Fachmedien ändern, angesichts der Tatsache, dass über Erneuerbare mittlerweile überall berichtet wird? Wir sollten erstmal schauen, wer uns überhaupt noch liest. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Abozahlen zurückgehen und viele Menschen nicht mehr ohne weiteres bereit sind, für Information zu bezahlen. Wir müssen genauer überlegen, was die Leute überhaupt lesen wollen. Wir können nicht die Themen im Heft ausbreiten, die uns selbst am meisten interessieren – in meinem Fall technische Themen. Von Redaktionen höre ich immer öfter, dass wir für Handwerker schreiben, die vor allem wissen wollen, wie sie ihre Anlagen an den Mann bringen. Wir müssen mehr darauf achten, was eigentlich von uns verlangt wird. Als ich Chefredakteur war, konnte ich schreiben, was mir gefiel. Das war schön. Ich weiß aber nicht, ob es immer das Richtige war, was ich unseren Lesern angeboten habe. Wir müssen selbstkritisch sein. Interview: Guido Bröer Foto: Eva Augsten

Beliebte Artikel

Schließen