Module und Zellen aus deutschen Fabriken
Krisen gehören zum Wirtschaftsleben. In den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geriet gar die europäische Automobilindustrie angesichts der starken japanischen Konkurrenz unter Druck, die mit effizienteren Produktionsverfahren erfolgreich war. Jedenfalls so lange, bis sich die heimische Industrie auf die für sie neue Situation eingestellt und die eigene Produktion modernisiert hatte. Die Herausforderung war und ist für die europäische Photovoltaik-Industrie aber noch schwerer, denn anders als im Automobilmarkt sackte das deutsche Marktvolumen für Solarmodule aufgrund von politischen Beschlüssen deutlich von etwa 7 auf 1,5 oder gar 1 Gigawatt herunter – bei spürbar geringeren Preisen je kW. In der Folge gab es eine Insolvenzwelle in – fast – allen Wertschöpfungsstufen. Auch einige PV-Hersteller, wie Solon, QCells, Sovello, Centrosolar und die Solar-Fabrik, mussten Insolvenz anmelden. Vielfältige Herstellerlandschaft Allerdings hält sich weiterhin eine nennenswerte Anzahl an Herstellern in Deutschland – die Liste der Überlebenden ist länger als die der Toten. Und gerade kleinere Unternehmen profitieren nun davon, dass zum Beispiel die Solar-Fabrik auf dem Markt offenbar eine Lücke hinterlassen hat. Module aus deutscher Produktion würden von eingen Kunden gezielt nachgefragt, sagt Frank Schirmacher, Vertriebsleiter der AxSun Solar GmbH & Co. KG. Er sehe im Zusammenhang mit Eigenversorgungskonzepten sogar eine steigende Tendenz. Auch AxSun habe schwere Zeiten überstehen müssen. Jetzt gerade komme das Unternehmen aber mit der Produktion kaum hinterher. Dabei investiere es in die Modernisierung der Produktion und stelle gleichzeitig von drei auf vier Busbars um. Für das Überleben des Unternehmens sei es allerdings von Bedeutung gewesen, eine breite Produktpalette anbieten und spezielle Kundenwünsche erfüllen zu können. Ein gänzlich anderes Geschäftsmodell verfolgt die CS Wismar GmbH, die für ihre Sonnenstromfabrik die räumlichen und maschinellen Kapazitäten der insolventen Centrosolar bzw. Solar-Fabrik nutzt. Alexander Kirsch, ein Geschäftsführer von CS Wismar, der zuvor als Vorstand von Centrosolar fungierte, erklärte gegenüber den Solarthemen, mit dem neuen Unternehmen sollten Overhead-Kosten vermieden werden. CS Wismar positioniert sich vor allem als OEM-Anbieter von Modulen. So würden Vertriebskosten niedrig gehalten. Anders als Centrosolar wolle CS Wismar auch nicht den Weg des Systemanbieters gehen, so Kirsch. Für den zweiten Geschäftsführer von CS Wismar, Bernhard Weilharter, ist es wichtig, in der jetzigen Phase des Neuaufbaus flexibel zu sein. Ziel sei es jetzt, das Werk 2 mit einer Gesamtkapazität von 210 MW wieder voll auszulasten. „Je nach Entwicklung der OEM-Pipeline entscheiden wir, ob wir Werk1 ebenfalls wieder starten oder das Werk gegebenenfalls verkaufen“, so Weiharter. Der besondere Vorteil des Standortes liege in der Komptenz zur Produktion von Glas-Glas-Modulen. Vom Werk in Wismar verspricht sich auch eines der Traditionsunternehmen einen Vorteil. Die solarnova Deutschland GmbH war bereits 1996 in der ersten Gründungsphase neuer Solarfabriken in Deutschland entstanden. Auch Mitte der 90er Jahre hatte es bereits eine politische Debatte über den Niedergang der deutschen PV-Industrie gegeben. Zündstoff für die Diskussion lieferte der Plan der Angewandten Solarenergie GmbH (ASE) mit den Gesellschaftern Nukem und Daimler-Benz Aerospace, die Produktion von Solarzellen in Wedel einzustellen. Das Werk war mit einer Jahreskapazität von zwei bis drei Megawatt zu dieser Zeit das größte in Deutschland. Für Simone Probst, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen war die geplante Schließung ein Anlass, um im Juli 95 die damalige Bundesregierung nach den Zukunftsperspektiven für die Photovoltaikindustrie in Deutschland zu fragen. ASE verlagerte die Produktion später nach Alzenau. In Wedel entstand allerdings mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ein neues Unternehmen: Hans-Jürgen Lowalt, Alfred Reinicke, Heiner von Riegen, Uwe Lorenzen gründeten die solarnova GmbH & Co KG, um kundenspezifische Module zu produzieren. Auch solarnova musste 2014 Insolvenz anmelden, fand jedoch einen privaten Investor und konnte sich weiter auf gebäudeintegrierte Photovoltaik konzentrieren. Gründungsgeschäftsfüher Heiner von Riegen ist weiter dabei. Das Unternehmen hat sich allerdings vor kurzem mit der CS Wismar darauf geeinigt, deren Kapazitäten mit nutzen zu können. So kann sich die Produktion in Wedel auf Sonderanfertigungen konzentrieren, während in Wismar konkurrenzfähig Standardmodule für das Projektgeschäft produziert werden. solarnova sei „auf jeden Fall“ der Ansicht, dass die Solarindustrie in Deutschland eine Chance habe, sagt Sylvia Schmenk, die zweite Geschäftsführerin des Unternehmens: „Daran und damit auch an unsere Zukunft am Standort Deutschland glauben wir ganz fest – gerade auch weil wir auf die Fertigung individueller Elemente für Architekten, Bauherren und Fachplaner spezialisiert sind.“ Investoren aus Asien Aber nicht jeder Investor nutzt den Standort Deutschland für die Produktion. So hat der südkoreanische Konzern Hanwha zwar mit Q-Cells auch die Fabrik in Bittelfeld übernommen. Doch dort ist nur die Forschungs- und Entwicklungsabteilung verblieben, die lediglich über eine Pilotfertigungslinie verfügt. Die großen Fabriken werden von Hanwha Q-Cells in Asien betrieben. Ob die Raumoptionen in Bitterfeld künftig noch einmal für eine deutsche Produktion genutzt werden, ist derzeit nicht absehbar. Allerdings sind chinesische Mutterfirmen inzwischen auch an deutschen Produktionsstätten interessiert. So fertigt die Astroenergy Solarmodule GmbH, die zur Chint-Gruppe zählt, im ehemaligen Conergy-Werk in Frankfurt Solarmodule. Die Produktionskapazität liegt nach Unternehmensangaben bei 450 Megawatt. Und Trina Solar hat im Frühjahr das Solarzellenwerk von Solland im niederländisch-deutschen Gewerbegebiet von Heerlen und Aachen übernommen – die Fabrik liegt genau auf der Landesgrenze. Für das chinesische Unternehmen ist dies nach Aussage von Vorstandschef Jifan Gao Teil der Strategie, Märkte außerhalb Chinas weiter zu erschließen. Trina hat sich von der Vereinbarung mit der Europäischen Kommission gelöst, nach der nur die chinesischen Unternehmen von Dumpingzöllen befreit sind, die sich an bestimmte maximale Importkontingente und Mindestimportpreise halten. Trina will sich von dieser Beschränkung unabhängig machen und Module in Europa verkaufen, die möglichst nicht in China produziert wurden. Jenseits des Siliziums Die meisten Produzenten konzentrieren sich auf die klassische Siliziumtechnik. Nur wenige Unternehmen wie Solibro und Calyxo setzen auf Dünnschicht, nachdem die starke Kostenreduktion bei der Siliziumtechnik und deren Wirkungsgradverbesserung viele Dünnschichtproduzenten gerade von Zellen mit amorphem Silizium ins Hintertreffen geraten ließen. Es gibt aber auch ein Unternehmen wie Heliatek, die sich an einem ganz neuen Verfahren versuchen und organische Solarzellen auf dem Markt etablieren wollen. Wirkungsgrad und Lebensdauer sind hier noch Herausforderungen. Jedoch verspricht ein Rolle-zu-Rolle-Produktionsprozess geringe Kosten. Heliatek plant derzeit, eine zweite Produktionslinie an den Start zu bringen. Die ganz großen Märkte sind mit einem solchen Produkt wohl zunächst nicht zu erschließen. Heliatek ist daher mit einem Exportanteil von 75 Prozent weltweit unterwegs. Hohe Exportanteile sind aber auch für die anderen Firmen von Bedeutung. Denn der deutsche Markt ist in diesem Jahr selbst gegenüber dem schon schwachen Vorjahr noch einmal gesunken. Dies ist keine ideale Basis, um zu investieren. Fehlende Umsätze auf den Heimatmärkten schmälern außerdem das Budget, um sich weitere Auslandsmärkte erschließen zu können. Das EEG 2016 wird deshalb Einfluss darauf haben, mit welchem Erfolg sich gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Export weiter profilieren können. Qualität als Stärke Deutsche Unternehmen sehen Qualität als eine ihrer Stärken. Dies betont das Chemnitzer Unternehmen Heckert, das vor allem Standardsolarmodule vermarktet. Solarwatt aus Dresden konzentriert sich auf Systemlösungen mit Energiemanagementsystem und selbst entwickeltem Batteriespeicher in Verbindung mit der eigenen Modulproukion. Und dann ist da natürlich noch die SolarWorld AG, die besonders nach Übernahme der Bosch-Werke der weitaus größte heimische Hersteller von Wafer, Zellen und Modulen in Deuschland ist. Text: Andreas Witt Foto: SolarWorld