Interview mit Christian Buchner: Europa ist ein wichtiger Standort

Solarthemen 477.Dr. Christian Buchner, Vizepräsident der Geschäftseinheit Photovoltaik bei der Freudenstädter Schmid Group, hat das Auf und Ab im PV-Sektor, das auch den Maschinenbauern hart zugesetz hat, in den vergangenen Jahren ausbalancieren müssen. Die Solarthemen sprachen mit ihm über neue Geschäftschancen und Europa als Standort für die Industrie.

Solarthemen: Zur Standortbestimmung – die Absatzkrise im europäischen Photovoltaikmarkt hat auch die Maschinenbauer getroffen. Wie stark hat sich dies auf Schmid ausgewirkt?

Christian Buchner: Es hat uns alle gleich stark betroffen. Der Auftragseingang war auf Null heruntergegangen. Aber insgesamt betrachtet hat es uns im Vergleich mit der Konkurrenz am wenigsten stark beeinträchtigt. Das hat zwei Hauptgründe. Zum einen hatten wir die Entwicklung vorausgesehen und kaum vorproduziert, beziehungsweise auf Anzahlungen der Kunden bestanden. Daher waren wir von den Stornierungen nicht stark betroffen und auf der sicheren Seite. Zum anderen haben wir unseren Geschäftsbereich der Leiterplatten weiter ausgebaut und so eines unserer weiteren Standbeine gefestigt. Glücklicherweise gab es gerade ein Leiterplatten-Hoch, sodass wir die Ausfälle bei der Photovoltaik in weiten Teilen kompensieren konnten.

Können Sie denn im Personalbereich einfach umschwenken und Mitarbeiter in anderen Bereichen einsetzen, wenn es bei der PV nicht richtig läuft?

Ja, bis auf die auf Photovoltaik spezialisierten Wissenschaftler ist unsere Fertigung extrem flexibel.

Haben Sie denn darüber nachgedacht, den Photovoltaikbereich komplett aufzugeben?

Nein, im Gegenteil: Wir haben mit Hochdruck weiter entwickelt und uns gesagt, wenn der Bereich wieder kommt, müssen wir mit neuen Technologien gewappnet sein.

Was hat Sie optimistisch gemacht?

Der Mechanismus der zwischenzeitlichen Überkapazitäten war verstanden worden. Und es war auch klar, dass nach einer Konsolidierung der Bedarf im Bereich der Anlagentechnik wieder wachsen würde. Die Zeitschiene war natürlich nicht so genau definierbar. Aber wir waren uns sicher, dass irgendwann die nächste Ausbaustufe wieder kommen würde, insbesondere auch mit neuen Technologien, um sich von der Masse abzuheben.

Sehen Sie sich denn im Photovoltaikbereich wieder in einem sicheren Fahrwasser?

Im Maschinenbau von sicherem Fahrwasser zu sprechen, wäre immer vermessen. Jetzt sehen wir zum Beispiel schon die nächste Konsolidierungskrise. Ich glaube, dass sie dieses Mal ganz massiv Taiwan treffen wird, aber auch China.

Weil es dort ein großes Wachstum gab und es nicht alle Unternehmen von den vielen, die dort in den vergangenen Jahren gegründet wurden, schaffen können?

Der Kapazitätsaufbau wurde dort massiv vorangetrieben. Und nun sind wir wieder in einer ähnlichen Lage wie 2011. Stand heute, so würde ich es einschätzen, haben wir wieder eine Produktionsüberkapazität von 15 Gigawatt.

Wenn man sich die Entwicklung von Schmid anschaut, so ist interessant, dass Sie häufig dezidiert auf Probleme im PV-Sektor reagiert haben. So haben Sie, als das Silizium knapp war, Verfahren und Anlagen zur Siliziumproduktion auch im kleinen Maßstab entwickelt und angeboten. Das ist heute kein Thema. Aber welche Lösungen sind jetzt rund um die Photovoltaik aus Ihrer Sicht wichtig?

Wir sehen es derzeit als essentiell wichtig an, den Umstieg auf n-Typ basierende Zellkonzepte wie n-PERL zu begleiten. Das hat Fahrt aufgenommen. Man sieht es gerade insbesondere am Erfolg von LG. Daran sind wir maßgeblich beteiligt. Diese Schiene werden wir jetzt auch weiter fahren und sind uns sicher, dass wir in der nächsten Krisenphase mit neuen Technologien punkten können. Das sind APCVD, Tinpad, MultiBusBar-Stringer, saure Textur für diamantdrahtgesägte Multi-Wafer etc.. Neben diesem Geschäft im direkten PV-Sektor setzen wir im Energiebereich zudem auf unsere Vanadium-Redox-Flow-Batterien.

Um zunächst auf den PV-Bereich einzugehen. Sehen Sie in der Umstellung auf neue Zelltechnologien eine Notwendigkeit für viele Hersteller oder ist dies eher etwas für Spezialisten?

Wenn Sie sich die großen Firmen anschauen, dann haben alle mindestens eine Pilot- oder sogar Produktionslinie für Hocheffizienzzellen. Der erste Schritt war die Expansion in Richtung PERC-Zelle. Und der nächste Schritt, der mit den gesunkenen Preisen von Wafern für PERT-n-Typ-Zellen verbunden ist, wird jetzt vorangetrieben.

In den vergangenen Jahren ist der europäische Markt stark geschrumpft. Sind Deutschland und Europa aus Ihrer Sicht angesichts des Preisdrucks überhaupt noch konkurrenzfähige Produktionsstandorte?

Grundsätzlich rein von der Kostenseite her betrachtet ist Europa, auch Deutschland, als Produktionsstandort wieder attraktiv. Wir sprechen auch mit Kunden, die diesen Standort wieder ins Auge gefasst haben – insbesondere auch, weil sich China als zunehmend schwieriger Standort herausgestellt hat. Aber die realen Kosten spiegeln sich derzeit in den Preisen nicht wieder. Die Preise, mit denen am Markt agiert wird, sind höchst subventioniert. 24 Dollar-Cent je Watt für Zellen und teilweise nur 35 Dollar-Cent je Watt für Module, das ist Dumping in Reinform. Mit Blick darauf kann sich eine deutsche Produktion derzeit nicht lohnen.

Sie haben eben selbst ihre Diversifizierung in Richtung Energiespeicher angesprochen. Da gehen Sie einen anderen Weg. Bis dahin waren Sie als Anlagenhersteller tätig. Nun bieten Sie mit der Vanadium-Redox-Flow-Batterie ein eigenes Produkt an? Wie grundsätzlich ist dieser Wandel Ihrer Geschäftspolitik?

Ja, das ist sicherlich ein Wandel.Hier verfolgen wir Business-to-Business sowie Business-to-Customer. Das bedeutet natürlich auch ein Umdenken bei der Vermarktung etc.. Das ist sicherlich ein ordentlicher Wechsel in der Strategie. Aber den haben wir bewusst getan, weil wir denken, dass das ein ganz wichtiges Element auch und vor allem für die Photovoltaikindustrie ist, um sie weiter zum Erfolg zu führen.

Aber warum bieten Sie selbst ein Produkt an. Hätte es nicht besser zu Ihrer Strategie gepasst, Anlagen anzubieten, mit denen andere Redox-Flow-Batterien herstellen könnten?

Das haben wir auch diskutiert.Wir sind im Moment noch bei der Markteinführung und in der Entscheidungsfindung, wie breit wir uns in Zukunft in diesem Bereich aufstellen werden. Aber es wäre jetzt zu früh, dazu etwas zu sagen.

Die Redox-Flow- ist neben den vielen Blei- und Lithium-Ionen-Batterien eine besondere Technologie. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Der Hintergrund war die PV-Industrie. Und wir haben nach einem kostengünstigen Massenspeicher gesucht, der mit unterschiedlichen Bedingungen in diversen Ländern verträglich ist. Speicherkapazität und maximale Leistung sollten getrennt voneinander ausgebaut werden können. Diese Punkte haben uns in Richtung Vanadium-Redox-Flow getrieben. Im kleinen Kilowattstundenbereich ist die Lithium-Batterie im Vorteil, aber wenn Sie zu höheren Speicherkapazitäten kommen, dann wird die Vanadium-Redox-Flow-Batterie preislich unschlagbar. Und das ist unser Markt: Großspeicher für den Tageszyklenbereich.

Nun bieten Sie damit ein Produkt an, für das es momentan wohl insbesondere in Deutschland einen frühen Markt gibt. Aber wo sehen Sie ihre Entwicklungschancen? Ist Europa wichtig oder geht es doch mehr um den Export in andere Regionen?

Wir haben mit der Vanadium-Redox-Flow-Batterie unsere Anfänge hier in Europa gemacht, schauen aber mittlerweile auch auf den Export.

Und für den Maschinenbau im PV-Sektor trifft das wohl noch stärker zu. Ja, richtig. Dabei hatte der hiesige Maschinenbau stark von dem relativ schnell wachsenden PV-Markt in Deutschland profitiert. Er war die Basis für die PV-Anlagenhersteller. Nun werden Zellen und Module in anderen Regionen produziert. Wird dann auch der Maschinenbau abwandern?

Zum Teil ist das ja schon passiert. In Asien und speziell China wurde der Anlagenbau auch gefördert durch die chinesische Regierung vorangetrieben. Es ging um Unabhängigkeit von Europa und um Hochtechnologie. Mittlerweile gibt es viele chinesische Anbieter, die allerdings relativ wenige Innovationen hervorbringen – im PV-Sektor ebenso wie in der Leiterplatte. Die Qualität der Anlagen und des Maschinenbaus hat sich in China verbessert. Aber dies wird immer noch dominiert von der Kopie und nicht der eigenen Innovation. Das heißt, dass wir mit der Innovationsfähigkeit im deutschen Maschinenbau weiterhin einen Trumpf in der Hand halten. Wir haben immer noch eine gute Chance voranzurennen, dann zwar auch kopiert zu werden, aber dennoch weiter den Markt dominieren zu können.

Der Maschinenbau rund um die Photovoltaik, einschließlich Batterien, wird also in Deutschland weiterhin einen wichtigen Standort haben?

Das sehe ich auf jeden Fall so. Wir und die anderen deutschen Anbieter bringen die Industrie technologisch voran.

Interview: Andreas Witt
Foto: Schmid Group

Schließen