Zweiflügler gehen auf See in die Offensive
Chinesische, deutsche und niederländische Entwickler drängen mit Zweiflügler-Prototypen fast zugleich auf den Markt. Sie versprechen, dass sie mit ihren Konzepten teilweise sogar auf schwimmenden Fundamenten in Zukunft bis zur 30 Prozent billigeren Windstrom produzieren könnten. Prototyp läuft seit 2015 Mittlerweile dreht sich auch der 3,4 MW starke Prototyp der Rendsburger Entwicklungsfirma SkyWind GmbH mit seinen 107 Metern Spannweite schon seit fast einem Jahr im Testfeld der nordfriesischen Marsch südlich von Husum. Geschäftsführer Frank Richert setzt bei seinem Zweiflügler dabei nicht nur auf eine schlanke Hybridturm-Konstruktion, auf aerodynamisch geformte Rotorblätter und ein mit 160 Tonnen relativ leichtes Gondelgewicht, sondern auch auf ein zweistufiges Planetengetriebe und als Generatortyp auf einen achtpoligen Dreiphasen-Kurzschlussläufer-Asynchrongenerator. Neues Montagekonzept Viel Gehirnschmalz haben die Ingenieure auch in das neue Montagekonzept gesteckt, bei dem bei der Errichtung Seilwinden eingesetzt werden. „Mit unserer Technik kann die Gondel waagerecht hochgehoben und auf den Turm aufgesetzt werden, was viel Geld beim Transport und Aufbau sowohl an Land als auch auf See spart“, erklärt Richert. Ein Konzept, das sich nach seiner Aussage bereits beim Aufbau des Prototypen mit einer Nabenhöhe von gut 135 Metern bewährt habe: „Wir konnten das am Boden komplett vormontierte Maschinenhaus mit dem zweiflügeligen Rotor bei einer Windstärke von bis zu 15 Metern pro Sekunde problemlos hochziehen.“ Seit September vergangenen Jahres hat das SkyWind-Team die SW3.4 weiter optimiert: „Die Anlage läuft ohne Probleme“, resümiert Richert: „Das wird was mit unserem Zweiflügler.“ Denn das Konzept unterscheide sich wesentlich von den zweiblättrigen Maschinen, die auf dem deutschen Windmarkt in den früheren 1980er und 1990er Jahren durchaus eine Rolle gespielt haben. Dafür stehen Modellnamen wie Aeolus, Aeroman, Lagerwey, Ventis und selbst der legendäre Growian – Deutschlands erste, aber gescheiterte Großwindanlage, hatte nur zwei Schwingen. Seit Jahren sind allerdings Dreiflügler das Maß aller Dinge in der Windbranche. Als zu unruhig und zu laut verloren die Zweiflügler-Anlagen an Land zunehmend an Akzeptanz. Diese Nachteile spielen auf See aber keine Rolle. Den Glauben bewahrt Zu denen, die wie Frank Richert immer an den Chancen des Zweiflüglers festgehalten und an dessen Weiterentwicklung unbeirrt weiter gearbeitet haben, zählt auch Sönke Siegfriedsen, Gründer des in der Windbranche tätigen Ingenieurbüros aerodyn Energiesysteme GmbH. Zusammen mit seinen Entwicklungsingenieuren hatte Siegfriedsen im vergangenen Jahrzehnt die zweiflügelige Super-Compact-Drive-Maschine (SCD) entwickelt, von denen der chinesische Windturbinenhersteller Ming Yang Wind Power schon 2010 und 2014 erste Anlagen mit 3 und 6 MW Leistung an Land in der Nähe von Dabancheng und auf See errichtet hat. Für seine Beharrlichkeit scheint Siegfriedsen zunehmend belohnt zu werden. Jüngst hat der Mischkonzern Glocal Inc. aus dem japanischen Hiroshima die Rechte für den Bau von SCD-Maschinen mit 3, 6 und neuerdings zusätzlich 8 MW Leistung gekaut. Zudem erwarb Glocal auch die Lizenz zum Bau der schwimmenden Offshore-Plattform nezzy, die Siegfriedsen bereits auf der Hamburger Windmesse 2014 vorgestellt hatte. „Nach der Unterzeichnung des Lizenzvertrages ging es hier schon etwas drunter und drüber“, freut sich Dirk Pries, Büdelsdorfer Niederlassungsleiter von aerodyn engineering, über den japanischen Deal. Schwimmende Zweiflügler Allein der Markteinstieg mit dem Zweiflügler in Japan wäre schon ein Coup, doch damit nicht genug: Mehr als ein Vierteljahrhundert, nachdem aerodyn eine 30-Kilowatt-Anlage auf der früheren Husumer Schiffswerft gefertigt hat, wagt sich Sönke Siegfriedsen nun mit seiner Crew wieder an den Bau eines Prototypen. Glocal hat nämlich der aerodyn engineering den Auftrag erteilt, bis Juni nächsten Jahres eine SCD-Turbine mit 3 MW Leistung zu bauen, die auf einer schwimmenden Gründungskonstruktion eines französischen Herstellers errichtet werden soll. Die Entwicklung erhält die Unterstützung der japanischen Regierung, die ein Offshore-Testfeld mit Wassertiefen von 50 Meter vor der Küste der Stadt Kitakyushu im südlichen Japan finanziert. „Das ist eine große Herausforderung für uns, da wir die Turbine so auslegen müssen, dass sie extremen Beschleunigungen standhält und außerdem Neigungswinkel von bis zu 15 Prozent meistern kann“, erklärt Siegfriedsen. Gebaut werden soll die schwimmfähige SCD-Anlage in den nächsten Monaten auf einer norddeutschen Werft. Neben aerodyn engineering sieht auch der chinesische Hersteller Envision für Zweiflügler eine interessante Zukunft im Offshore-Segment. Das zuletzt rasant gewachsene Unternehmen, inzwischen die Nummer 2 im chinesischen Markt, hat einen 3,6 MW starken Offshore-Zweiflügler entwickelt, der, so die Ankündigung, „die Kosten um mehr als 20 Prozent reduziert und eine ganz neue Marke im Markt setzen wird“. Kosten sollen runter Das will auch Mikael Jakobsson: „Die Kosten für die Windenergienutzung auf See müssen weiter entscheidend runter, sonst bleibt Offshore-Windenergie nur ein Intermezzo“, sagt der Mitbegründer des niederländischen Unternehmens 2-B Energy BV. Bereits seit 2007 beschäftigen sich er und sein 30-köpfiges Team am Standort Hengelo mit der Entwicklung eines Offshore-Zweiflügels. Seit vergangenem Oktober endlich mit sichtbarem Erfolg: Seitdem dreht sich eine erste 6-MW-Demonstrationsanlage mit der Typenbezeichnung 2B6 im niederländischen Hafen Eemshaven. Montiert haben die Niederländer die Anlage übrigens in der früheren Fertigungshalle des gescheiterten Offshore-Windturbinenherstellers Bard in Emden. „Die Anlage läuft gut, wir sind sehr zufrieden“, sagt Jakobsson über den windabgewandten Leeläufer, bei dem die zwei Flügel hinter und nicht vor dem Turm laufen. „Unsere Anlage ist erstaunlich leise. Wenn Sie in Eemshaven sind, können sie die Exzellenz unserer Anlage hören“, feixt Jakobsson über die akustische Performance des ersten 2B6-Zweiflügers. Das Besondere an der Konstruktion ist unter anderem auch das individuelle Pitch-System der zwei Flügel, womit die spezifischen physikalischen Belastungen einer Leeläufer-Konstruktion ausgeglichen sein sollen. „Wenngleich mit dem Zweiflügler viel Neuland erschlossen worden ist, haben wir in der technischen Auslegung trotzdem jedes Risiko vermieden“, betont der gebürtige Schwede. Für ihn liegen die Stärken der 2B6-Anlage vor allem im schlichten Rotordesign, der gesamten elektrotechnischen Simplifzierung, der kurzen Installationszeit, dem Verzicht des sogenannten Transition-Pieces zwischen Gründungskonstruktion und Turm/Turbine, aber auch in der sicheren Landefläche für Helikopter auf dem Turbinendach. „Außerdem haben wir ein neues Konzept zur Abführung des erzeugten Stroms entwickelt, bei dem in einem Offshore-Windpark 54 Megawatt Leistung zusammengeführt werden können“, so Jakobsson. Er erwartet nun, dass sich die ersten vielversprechenden Testergebnisse in Eemshaven im nächsten Jahr auch fortsetzen und bewahrheiten werden, wenn nördlich von Edinburgh die ersten beiden 2B6-Anlagen im Meer eingesetzt werden. Sollte dieser zweite Testlauf so reibungslos klappen, wie Jakobsson erhofft, dann weht in der Nordsee ein ganz neuer Wind. Produktion in großer Zahl Ob und wann eine SkyWind-Anlage in der Nordsee tatsächlich in Betrieb gehen wird, darauf will sich Geschäftsführer Frank Richert nicht festlegen. Er setzt darauf, seinen Zweiflügler mit Partnern demnächst in größerer Stückzahl produzieren zu können. Das allerdings wird außerhalb der Landesgrenzen stattfinden. „Für uns ist es schon ernüchternd, dass wir trotz anfänglicher Zusagen keinen Platz für eine zweite Anlage auf dem Husumer Testfeld erhalten werden.“ Dass SkyWind für seine Neuerungen auf der Husumer Wind-Messe noch im Jahr 2012 mit einem Innovationspreis ausgezeichnet worden ist, zähle heute nichts mehr im selbsternannten Windenergieland Schleswig-Holstein. Unbeirrt hält Richert an seiner Auffassung fest: „Zweiflügler haben heute das Potenzial, die Kosten für die Windstromerzeugung an Land auf fünf Cent und auf dem Meer auf unter zehn Cent pro Kilowattstunde zu senken.“ . Text: Dierk Jensen und Ralf Köpke Foto: Jan Oelker