Verbraucherschützer Thomas Engelke im Interview: Prosumenten stärken
Solarthemen: Die Stromkunden tragen zu einem großen Teil die Energiewende. Was denken Sie, wie groß ist derzeit deren Bereitschaft dazu?
Thomas Engelke: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind nach wie vor Unterstützer der Energiewende. Umfragen zeigen immer wieder, dass die Verbraucher mit 80 bis 90 Prozent die Ziele der Energiewende befürworten. Hinzu kommt, dass die Verbraucher auch durchaus bereit sind, ihren eigenen finanziellen Anteil daran zu leisten. Aber es geht auch um Kostengerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass die Verbraucher immer wieder die Hauptlasten der Energiewende zahlen, sondern es geht um eine faire Kostenverteilung. Dazu gehört auch, dass die Industrie ihren Anteil übernimmt. Dabei ist der Verbraucherzentrale Bundesverband durchaus damit einverstanden, dass Unternehmen mit einem hohen Energieverbrauch mittels der Besonderen Ausgleichsregelung von der EEG-Umlage entlastet werden. Wir wollen nicht, dass diese Betriebe ins Ausland gehen, hier die Arbeitsplätze verloren gehen und dann dennoch die Treibhausgasemissionen anderswo freigesetzt werden. Damit ist niemandem geholfen. Auf der anderen Seite kann es aber auch nicht sein, dass diese Industrieausnahmen immer stärker ausgeweitet werden, die von den Verbrauchern zusätzlich bezahlt werden. Und wir müssen zudem auch im Blick haben, dass die Netzentgelte als Teil des Strompreises für die Verbraucher weiter angehoben werden und wir mit dem geplanten Ausbau der teuren Offshore-Windkraft weitere Kostensteigerungen für das EEG-Konto zu erwarten haben, die dann letztlich von den Verbrauchern getragen werden müssen. Wir sprechen uns für den Ausbau erneuerbarer Energien aus, sehen aber mehr und vor allem kostengünstiges Potenzial bei der Onshore-Windkraft und der Photovoltaik.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien schlägt vor, die Industrieausnahmen vom EEG sollten als Subvention über den Bundeshaushalt finanziert werden. Was halten Sie davon?
Der Verbraucherzentrale Bundesverband setzt sich für Kostengerechtigkeit ein. Es muss ein Weg gefunden werden, die Kosten fairer zu verteilen. Das könnte zum Beispiel über einen Energiewendefonds erfolgen, der wie jetzt vom BEE vorgeschlagen aus Steuermitteln finanziert wird. Für mich ist es wichtig, dass unterm Strich die Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet werden und zusätzlich eine soziale Komponente in diesem Fonds zu verankern. Wenn nämlich dieser Fonds aus Steuermitteln finanziert würde, dann könnten die stärkeren Schultern in der Gesellschaft stärker belastet werden und die, die weniger haben, entsprechend entlastet werden. Uns wäre in diesem Zusammenhang auch wichtig, die Refinanzierung des Energiewendefonds nicht in die Zukunft zu verlagern.
Der BEE will nur die Industrieausnahmen über den Staatshaushalt finanzieren. Sollte das bei dem Energiewendefonds auch so sein? Oder sollen die kompletten EEG-Kosten über den Fonds abgewickelt werden?
Man muss diesen Energiewendefonds entwickeln und zumindest Teile der EEG-Umlage sollten aus diesem Fonds finanziert werden.
In den vergangenen Jahren wurden Verbraucher mehr und mehr zu Energieerzeugern, zu den sogenannten Prosumern. Wie kommen diese kleinen Erzeuger mit den immer umfangreicher und komplizierter werdenden gesetzlichen Regelungen zurecht?
Grundsätzlich sieht der vzbv die Möglichkeit, sich weg vom reinen Konsumenten hin zum Prosumer oder Prosumenten entwickeln zu können, sehr positiv. Denn es geht auch um eine stärkere Teilhabe an den Vorteilen der Energiewende. Das gilt für den Solar- und den Windbereich. Bei der Photovoltaik haben wir heute schon mehr als eineinhalb Millionen Betreiber solcher Anlagen. Das sind überwiegend Eigenheimbesitzer, die ihren Strom zu sehr günstigen Konditionen erzeugen und selbst verbrauchen können. Und das ist auch gut so. Aber das können Mieter nicht. Wir setzen uns daher dafür ein, dass die Mieterstromverordnung, für die eine Ermächtigung ins EEG aufgenommen wurde, so umgesetzt wird, dass möglichst viele Mieterhaushalte finanzielle Vorteile des direkt auf dem Gebäude erzeugten Stroms nutzen können. Man geht davon aus, dass bei ungefähr 18 Millionen Haushalten in Deutschland 3 bis 4 Millionen Haushalte davon profitieren könnten.
Die PV-Installationszahlen sind deutlich zurückgegangen. Wo sind die Hürden, die Verbraucher davon abhalten, solche Anlagen zu installieren?
Tatsächlich sind die Bedingungen schwieriger geworden. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass der Eigenverbrauch bei den Hauseigentümern eine wichtige Säule bleibt und der Direktverbrauch für Mieter künftig möglich wird. Das würde unserer Ansicht nach einen deutlichen neuen Schub für die Nutzung der Solarenergie gerade in den Städten bringen.
Die EU-Kommission und das Parlament drängen inzwischen darauf, die Prosumenten zu unterstützen. Was würden Sie angesichts dessen der Bundesregierung raten?
Erstmal sehen wir, dass auf EU-Ebene tatsächlich die Förderung der Prosumer intensiver diskutiert wird. Das begrüßt der vzbv. Es gibt Planungen, den Bereich Prosumenten auf EU-Ebene gesetzlich zu regeln. Natürlich ermutigen wir die Bundesregierung, diesen Prozess zu unterstützen und die Rechte der Prosumenten sowohl im Solar- als auch im Windbereich zu stärken.
Ein Grund, warum der Eigenverbrauch eingeschränkt wurde, ist die Sorge, dass die Kosten für die EEG-Umlage und die Netze auf weniger Verbraucher umgelegt werden können. Halten Sie dieses Argument für plausibel?
Jein. Der Betreiber einer kleinen PV-Anlage unter 10 Kilowatt muss für seinen Eigenverbrauch zwar keine EEG-Umlage zahlen, er erhält für diesen Strom aber auch keine Vergütung. Das heißt, das EEG-Konto macht hier plus/minus null. Wenn dagegen ein PV-Betreiber den Strom ins Netz einspeist erhält er eine Vergütung von derzeit etwa 12,3 Cent pro Kilowattstunde. Für den gleichzeitig im Haus genutzten Strom, den er aus dem Netz bezieht, zahlt er aber nur die EEG-Umlage von 6,4 Cent. Dies belastet das EEG-Konto. Bei Eigenverbrauch profitierten also das EEG-Konto und damit alle Verbraucher. Bei Mieterstromanlagen, die häufig größer als 10 Kilowatt wären, ist außerdem noch zu berücksichtigen, dass die EEG-Umlage nicht zu 100 Prozent, sondern voraussichtlich nur zu 60 Prozent reduziert würde. Mieter würden für ihren direkt verbrauchten Strom einen Teil der EEG-Umlage zahlen, ohne dass für diesen Strom eine Einspeisevergütung gezahlt würde. Der Vorteil für das EEG-Konto wäre also nochmal größer. Bei der Finanzierung der Netzkosten sieht die Sache etwas komplexer aus. Hier einen gerechten Mittelweg zwischen einer angemessenen Beteiligung der Eigen- und Direktverbraucher einerseits und dem Schutz der Geringverbraucher andererseits zu finden, wird die große Herausforderung der kommenden Legislaturperiode sein.
Das Smart Metering wurde neu geregelt. Auch Betreiber von kleinen Anlagen könnten sich damit konfrontiert sehen. Smart Metering wird zwar für die sehr kleinen Anlagen nicht vorgeschrieben, aber Netzbetreiber können sich für die Option entscheiden, wenn die Rechnung an Betreiber bestimmte Obergrenzen nicht überschreitet. Wenn ein Netzbetreiber bei Ihnen anfragen würde, ob er das Smart Metering möglichst weit ausdehnen sollte, was würden Sie ihm raten?
Dem Messstellenbetreiber würde ich raten, die Einführung der Smart Meter möglichst auf freiwilliger Basis durchzuführen, weil die Freiwilligkeit in der Regel die Zustimmung der Betroffenen erhöht. Und wenn Kunden sich für oder gegen einen Smart Meter entscheiden können, dann werden sie ihn eher so einsetzen, wie er auch gemeint ist, nämlich um Energie zu sparen.
Mancher Prosumer würde das sicher auch als weitere Bürde erleben, die zu den komplizierten Regelungen im EEG und anderen Gesetzen noch hinzukommt. Holger Krawinkel, der erst beim vzbv gearbeitet hat und nun bei der MVV Energie AG beschäftigt ist, hat die These geäußert, die Anlagenbetreiber würden sich möglicherweise komplett aus dem Versorgungssystem verabschieden und ihren Strom einfach selbst produzieren, wenn die Regelungen weiter verschärft werden. Halten Sie es für ein realistisches Szenario, dass sich mehr und mehr Anlagenbetreiber aus dem Stromsystem ausklinken könnten?
Ich glaube, dass dieses Szenario realistisch wird, wenn die Preise für Batteriespeicher weiter sinken. Denn, wenn Prosumer ihren produzierten Strom gut speichern können, erhielten sie damit eine neue Option und die nahezu autarke Eigenversorgung könnte zu einem realistischen Szenario werden.
Die aber aus Sicht Ihres Verbandes eigentlich keine wünschenswerte sein kann, weil man dann eventuell tatsächlich in die Situation kommt, dass sich diejenigen, die es sich leisten können, aus dem System herausbewegen und die anderen die auflaufenden Kosten zu tragen haben.
Das ist richtig. Das ist auch eine Frage der Größenordnung. Wenn wir das mit den aktuellen Industrieausnahmen vergleichen, dann ist der gegenwärtige Eigenverbrauch der Hauseigentümer vergleichsweise gering. Wenn eine Größenordnung erreicht wird, die den Industrieausnahmen entspräche, dann müsste man das Thema neu diskutieren. Der vorhin angesprochene Energiewendefonds würde im Übrigen auch dieses Problem entschärfen, da er die in der EEG-Umlage enthaltenen Technologieentwicklungskosten über die Steuerfinanzierung auf alle Schultern verteilen würde. Dann könnten auch die Eigen- und Direktverbraucher sich nicht mehr entziehen. Das wäre aus unserer Sicht die sauberste Lösung des Problems.
Interview: Andreas Witt