Mieterstrom wartet auf Verordnung

Solarthemen 482. Mieterstrom ist bereits ein großes Thema, aber bislang nur ein kleines Geschäft mit schmalen Margen. Die Branche hofft daher auf eine Verordnung, die von Bundestagsabgeordneten ins EEG verhandelt wur­de. Ein Entwurf soll noch im Herbst kommen.

Die so genannte „Mieterstromverordnung“ nach § 95 des EEG 2017 ist nur eine von vielen angekündigten Verordnungen, die noch erlassen werden müssen, bevor das im Sommer verabschiedete Gesetz für viele Marktteilnehmer zur Geschäftsgrundlage werden kann. Entsprechend viel hat das für die erneuerbaren Energien zuständige Rechtsreferat im BMWi aktuell zu tun und entsprechend dringend ist andererseits die Erwartungshaltung der interessierten Unternehmen. Nach einem Meinungsaustausch, zu dem das Ministerium im September Fachpolitiker und Marktakteure eingeladen hatte, rechnen die jetzt damit, dass im November ein erster Entwurf der Verordnung auf den Tisch kommen wird. Laut der Verordnungsermächtigung im § 95 des EEG 2017 sollen damit ausdrücklich Mieterstrommodelle gefördert werden, indem für diese eine verringerte EEG-Umlage angesetzt werden kann. Die Ungewissheit, die eine angekündigte Regeländerung immer mit sich bringt, scheine sich auf das Kundeninteresse derzeit nicht auszuwirken, berichtet Tim Meyer, der bei der Naturstrom AG den für die Mieterstromprojekte zuständigen Arbeitsbereich leitet: „Wir erleben es derzeit nicht im Markt, dass Kunden abwarten würden. Trotzdem hoffe ich, dass das Bundeswirtschaftsministerium zeitnah eine brauchbare Verordnung vorlegt, die dann auch möglichst bald in Kraft treten sollte.“ Verschiedene Modelle Naturstrom kann bislang auf über 10 realisierte Projekte verweisen und zählt sich damit zu den führenden überregionalen Anbietern. Regional sei allerdings schon eine Reihe von Akteuren aktiv oder in den Startlöchern, weiß Branchenkenner Michael Vogtmann von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Als unermüdlicher Vortragsreisender ist er derzeit viel unterwegs, um Stadtwerke, Energie­genos­senschaften und Wohnbau-Unternehmen über neue Betreibermodelle für Photovoltaikanlagen zu informieren. Für Mieterstrom gibt es nämlich durchaus sehr verschiedene Arbeitsteilungen. und Geschäftsmodelle. Florian Henle, Gründer und Geschäftsführer des Stromversorgers Polarstern, der ebenfalls schon auf 20 teils realisierte teils in Umsetzung befindliche Projekte verweisen kann, will sich deshalb nicht zu sehr festlegen: „Wir sind da recht flexibel, was unsere eigene Rolle in einem Mieterstromprojekt betrifft“. So betreibt Polarstern die PV-Anlagen und Blockheizkraftwerke teils selbst, teils ist aber auch der Immobilienbesitzer der Betreiber. Immer aber ist Polarstern in der Rolle des Stromlieferanten, stellt den Reststrom, der nicht vom Dach oder aus dem Keller kommt und übernimmt meist auch die Rolle des Messstellenbetreibers. Überhaupt scheinen es bislang hauptsächlich Energieversorger zu sein, die den Mieterstrom als künftiges Geschäftsfeld sehen und sich hier eine gute Startposition erarbeiten wollen. Zu den wenigen, die bereits aktiv sind, zählen die Stadtwerke Konstanz. Gordon Appel, Leiter des dortigen Produktmanagements, rechnete auf der Innovationskonferenz des Grüner-Strom-Label e.V. kürzlich vor, welcher finanzielle Spielraum sich aus der Direktlieferung von PV-Strom ins Gebäude anstelle eines sonstigen Ökostromangebots im konkreten Fall ergibt. Durch die Ersparnis von Netz­entgelten, Konzessionsabgabe und Stromsteuer errechnet er einen Spielraum von 3,5 Cent. Den müssten sich Mieter, Stromanbieter, Messtellenbetreiber und Anlagenbetreiber teilen. „Eine Reduktion der EEG-Umlage würde uns deshalb schon deutlich helfen“, sagt Appel mit Blick auf die angekündigte Verordnung. Aktuell vermarkten die Stadtwerke den PV-Strom an Mieter in vier Gebäuden örtlicher Wohnbauunternehmen nur in Verbindung mit BHKW-Strom, bei dem die Marge deutlich höher ausfällt. Tim Meyer steht also nicht allein mit der Aussage: „Mit PV-Mieterstrom sind für Energieversorger heute keine hohen Margen zu erzielen“. Florian Henle sekundiert: „Aktuell muss man als Mieterstrom-Dienstleister Mieterstrom wirklich wollen. Denn die Margen sind bei Photovoltaik nicht besser als bei einer normalen Belieferung mit Ökostrom. Aber der Vertriebsaufwand dafür ist sehr hoch.“ Transaktionskosten Je kleiner das Mietshaus desto mehr fielen Vertriebsaufwand und andere Transaktionskosten ins Gewicht, sagt Henle. Wirtschaftlich interessant seien Mietobjekte oberhalb von 25 Parteien erklärt er, wobei es immer auf den Einzelfall ankomme. Henle: „Wir haben auch schon Mieterstrom für Gebäude mit 6 oder 8 Mietwohnungen realisiert, wenn eine Wohnungsbaugesellschaft, mit der wir in größeren Projekten zusammenarbeiten, auch solche kleineren Häuser im Portfolio hat.“ Letztlich kostenrelevant sei dabei auch die Kooperationsbereitschaft des Netzbetreibers vor Ort, denn: „Wer ein Mieterstromprojekt auf die Beine stellen will muss sich immer mit dem Netzbetreiber über das Messkonzept abstimmen.“ Tim Meyer hat dabei durchaus gute Erfahrungen gemacht: „Viele Netzbetreiber sind kooperativ. Aber sie sind verunsichert, weil es einfach noch kein Regelwerk für Mieterstrom gibt, an dem man sich orientieren könnte.“ Den Netzbetreiber interessiert dabei nicht nur der Summenzähler am Hausanschluss, mit dem die Stromabnahme aller Mieter aus dem öffentlichen Netz und die Einspeisung von BHKW und PV-Anlage gemessen werden. Er redet auch ein Wörtchen dabei mit, wie innerhalb der sogenannten Kundenanlage gemessen und abgerechnet wird. Gerade im Altbau, wo gegebenenfalls Umrüstungen anstehen, kann das hohe Kosten verursachen. Hier wollen einige Bundesländer Unterstützung anbieten. Mindestens in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gibt es entsprechende Überlegungen, und in Hessen gilt sogar schon eine Förderrichtlinie. 1000 Wohneinheiten sollen dort unterstützt werden. Gefördert wird die Umrüstung von Wohngebäuden auf das Summenzählermodell und datenbankbasierte Abrechnungssysteme. Gefördert wird mit einem Sockelbetrag von bis zu 10000 Euro und weiteren 300 bzw. 500 Euro pro Wohneinheit. Das Messkonzept ist auch wesentlich für die Kosten. Meyer von Naturstrom sagt: „Wir arbeiten in aller Regel mit einfachen Stromzählern. Eine Ausrüstung des Summenzählers und jedes einzelnen Mieters mit Smart Metern ist aufgrund der höheren Kosten im Moment wirtschaftlich nicht darstellbar.“ Appel von den Stadtwerken Konstanz und Henle von Polarstern sehen das anders. Bei ihnen ist der Smart Meter auch für die einzelne Wohnung Standard. Wichtigste Argumente: Nicht nur die Mieter, auch der Stromanbieter erhält dadurch eine höhere Transparenz für Stromangebot und Verbrauch. Und der individuell verbrauchte Solarstromanteil könnte perspektivisch auch wirklich individuell abgerechnet werden, statt das Verbrauchsverhalten der einzelnen Mieter über Standard-Lastgänge zu verallgemeinern. Wenn die einzelnen Wohnungen mit Smart Meter ausgestattet sind, könnte man theoretisch auch auf den gemeinsamen Summenzähler ganz verzichten, erklärt Nicolai Ferchl, der beim Smart-Meter-Anbieter Discovergy GmbH das Mieterstromthema vorantreibt: „Derzeit wird es aus eichrechtlichen Gründen immer mit einem Summenzähler gemacht.“ Discovergy möchte mit seinen Angeboten auch Vermieter in die Lage versetzen selbst den Strom anzubieten, statt mit einem etablierten Versorger zusammenzuarbeiten. Ferchl weiß: „Es gibt tatsächlich Vermieter, die auf diesem Markt tätig sind, aber es sind nicht viele.“ Diesen Vermietern oder auch solchen Playern wie einer lokalen Energiegenossenschaft, bietet Discovergy an, die Abrechnung zu übernehmen. Das Unternehmen bietet auch ein Software-Tool zur Kundendatenverwaltung an. Unterstützung könne man auch bei den energiewirtschaftlichen Meldepflichten bieten, die jeder zu erfüllen hat, der zum Stromanbieter wird. Prüfsteine für die Verordnung Das alles würde möglicherweise leichter, wenn die Mieterstromverordnung künftig helfen würde. Florian Henle hat deshalb einen schlichten Wunsch an die Politik: „Entscheidend für die Verordnung wird sein, dass sie einfach umzusetzen ist.“ „Juristisch kann man viel machen, man braucht allerdings den politischen Willen dazu“, sagt dazu der Berliner Energierechtsanwalt Florian Valentin, der unter anderem den Bundesverband Solarwirtschaft beim Thema Mieterstrom berät. Michael Vogtmann von der DGS plädiert dafür, dass der Verordnungsgeber wirklich den politischen Auftrag umsetzt, Mieterstrom der Eigenversorgung gleichzustellen. Dann müssten kleine Anlagen bis 10 kW und 10 MWh ganz von der EEG-Umlage befreit werden. Vogtmann: „Außerdem wünsche ich mir eine Regelung, die in Wohngebäuden mit Mischnutzung ebenso nutzbar ist wie in reinen Wohngebieten. In den Städten würden wir sonst ein sehr großes Potenzial verschenken.“ Text: Guido Bröer Foto: Polarstern GmbH

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