Interview: Prof. Dr. Eicke R. Weber (ISE) – Forschung und Markt gehören zusammen

Prof. Dr. Eicke R. Weber wurde am 11. November als Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg feierlich verabschiedet, das er 10 Jahre lang geleitet hat. Zuvor lehrte und forschte er 23 Jahre lang in Berkeley, Kalifornien. Im Interview mit Solarthemen-Redakteur Guido Bröer spricht Weber über Donald Trump, die deutsche Energiepolitik, über die Zukunft des ISE und über seine persönlichen Pläne.

Solarthemen: Sie haben mehr als zwei Jahrzehnte in den USA gelebt und gearbeitet. Welche Folgen erwarten Sie nach der Wahl von Donald Trump für die erneuerbaren Energien und speziell die Photovoltaik in den USA?

Eicke Weber: Keiner meiner Freunde – ich eingeschlossen – hat damit gerechnet, dass Trump es tatsächlich schaffen würde. Und als die Wahlergebnisse dann kamen, war das Entsetzen groß. Nun muss man mit der Situation leben, so wie sie sich darstellt. Bisher hat Trump sehr wenig direkt gegen unsere Themen erneuerbare Energien und Photovoltaik gesagt. Das einzige, was er gesagt hat, ist, dass er nicht an das Klimaproblem glauben will – das kann sich natürlich noch ändern. Aber ich glaube, dass Trump auf Dauer die ökonomischen Chancen, die in der Umstellung des Energiesystems nun mal liegen, erkennen wird. Ein Business-Mann, für den Trump sich ja hält, wird das ökonomische Argument, das für die schnelle Umstellung auf Erneuerbare spricht, durchaus erkennen können. Beispielsweise kostet Photovoltaik nur noch wenige Cent pro Kilowattstunde. Und ich sehe einen Silberstreif am Horizont, weil Trump nicht so sehr eingebunden ist in die starken Interessengruppen von Öl-, Kohle-, und Nuklearindustrie, die dagegen sind, das Energiesystem schnell von Fossil- und Nuklearenergie auf Erneuerbare umzustellen. Denn er hat seinen Wahlkampf weitgehend unabhängig finanziert. Man kann verhalten optimistisch sein, dass er an die Tatsachen herangeht und Zahlen prüft.

Wie hat sich denn in den zehn Jahren, seit sie Amerika verlassen haben, die Einstellung zu den erneuerbaren Energien in der US-Gesellschaft verändert?

Ganz enorm. Vor zehn Jahren hat man dort Deutschland noch belächelt, nach dem Motto „Was wollen die Deutschen da bloß mit ihrer Energiewende“. Inzwischen hat man gemerkt, dass sich da etwas tut, was wirtschaftlich sehr interessant ist. Ganz besonders stark zeigt sich dies an den beiden Küsten: Und ich denke, Kalifornien hat in einiger Hinsicht sogar Deutschland bereits überholt, was den Transformationsprozess angeht. Dort ist kein Kohlekraftwerk mehr am Netz und nur noch ein einziges Kernkraftwerk. Weil dieses auf der erdbebengefährdeten St.-Andreas-Spalte steht, gibt es starke Kräfte, dieses lange vor 2020 abzuschalten. Zugleich werden die Erneuerbaren vom Governor of California, Jerry Brown, stark unterstützt. Dasselbe gilt in einigen anderen Staaten der USA wie Massachusetts und New York. Die arbeiten sehr stark an der Einführung der Erneuerbaren. Die Staaten sind ja recht unabhängig in ihrer Energiepolitik. Bei Obama musste man feststellen, dass die Bundesregierung nicht viel helfen kann. Jetzt kann man umgekehrt sagen, dass die Bundesregierung nicht so viel schaden kann, weil die Staaten die Umstellung des Energiesystems weitgehend selbstständig vorantreiben können.

Vor zehn Jahren standen Sie vor der schweren Entscheidung, Ihre Karriere in den USA aufzugeben, um am ISE als Institutsleiter anzufangen. Sie haben mir mal erzählt, Ihr wichtigstes Argument sei damals die durch das EEG angestoßene Marktent­wicklung in Deutschland gewesen und die große Chance, die Sie auch für die Forschung darin sahen. Erinnere ich mich richtig?

Ja, das haben sie vollkommen richtig in Erinnerung. Und ich kann sagen, dass meine kühnsten Erwartungen aus dem Jahr 2006 weit übertroffen wurden. Unter meinem Vorgänger hatte sich unser Institut schon von 250 auf 500 Mitarbeiter verdoppelt. Und ich hatte damals der Berufungskommission gesagt: Ich erwarte, dass das Institut weiterhin wächst, aber bitte erwarten Sie nicht, dass es sich noch einmal verdoppelt. In Wirklichkeit ist unser Betriebshaushalt von 25 auf 73 Millionen Euro angestiegen und wir haben heute 1100 Mitarbeiter – in der Spitze waren es sogar 1300 Mitarbeiter. Das heißt, was wir durch unsere gute Reaktion auf die Bedürfnisse des Marktes geleistet haben, war tatsächlich weit über meinen Erwartungen. Das einzig Traurige an der Geschichte ist, dass Deutschland in den letzten drei Jahren massiv auf die Bremse steigt mit dem Argument, der Markt wachse viel zu schnell und das sei viel zu teuer. Das hat zur Folge, dass die Firmen aus dieser Branche Deutschland scharenweise verlassen und schließen. Wir haben nur noch einen einzigen großen PV-Produzenten. In Deutschland steht das politische Handeln diametral dem entgegen, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird. In Wirklichkeit will die Politik die Kohleindu­strie so lange wie möglich in Deutschland halten, mit dem Zubau der Erneuerbaren nur auf kleinster Sparflamme. Das ist eine sehr dumme Politik, wenn man sich anschaut, dass wir in Deutschland noch 20 Jahre lang die Bürde von etwa 400 Milliarden Euro an die Altanlagenbesitzer zahlen müssen. Und jetzt, wenn die ganze Welt dabei ist, auf diese Technologien umzustellen, bremsen wir und verspielen unseren Vorsprung. Das ist wirklich verrückt – es ist das Dümmste was wir tun können. Brandgefährlich ist diese Art von Politik übrigens besonders auch für den Automobilmarkt. Die Automobilindustrie ist die Stütze der deutschen Volkswirtschaft, und die deutsche Bundesregierung tut fast gar nichts, um in Deutschland einen Markt für die emissionsfreien Fahrzeuge der Zukunft zu schaffen. Diese dumme Prämie von 3 bis 4000 Euro nutzt keinem. Sie ist reine Steuergeldverschwendung. Meine Forderung ist: Wir müssen die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, dass deutsche Städte die Autorität bekommen, emmissionsfreie Innenstädte zu erklären, wenn sie dies wollen. Wenn wir nicht ganz schnell dafür sorgen, dass wir einen eigenen Markt für unsere emissionsfreien Fahrzeuge bekommen, gefährden wir unsere Automobilindustrie, die nämlich sonst von Fahrzeugen aus Kaliformien und China überschwemmt wird.

Denken Sie, dass, nachdem das EEG gezeigt hat, was Anreize bewirken können, jetzt die Politik Märkte stärker mit Ordnungsrecht voranbringen sollte?

Ganz genau. Was wir brauchen ist die weise Unterstützung der Politik an der jeweils richtigen Stelle. Und neben dem Ordnungsrecht ist die nächste Stelle eine echte Industriepolitik. Die hat uns in der Photovoltaik gefehlt. Die Politik hat zwar das Richtige getan, indem sie durch die Einspeisetarife den Markt geschaffen hat. Aber sie hat sich geweigert, günstige Konditionen für Industrieansiedlungen zu schaffen. Die Chinesen haben dies getan.

Kommen wir mal zu Ihrem Institut: Wie konnten Sie die Beschäftigtenzahl und Umsätze des ISE trotz der großen PV-Krise in Deutschland stabil halten?

Das ISE ist ja kein reines PV-Institut. Schon Professor Goetzberger hat es 1981 als Institut für Solare Energiesysteme gegründet. Wir haben ein breites Portfolio von der Photovoltaik und der Solarthermie über Leistungselektronik, Wechselrichter, die Batterie-, Wasserstoff- und andere Speichertechnologien bis hin zur Energiesystemanalyse. In diesem Spektrum ha­ben wir die Schwerpunkte deutlich verlagert. Ich bin nicht nur zufrieden, dass wir das Institut in den letzten Jahren, die wir die Konsolidierungsphase nennen, auf diesem Niveau halten konnten. Ich erwarte auch, dass das Institut in den nächsten Jahren hervorragend arbeiten und auch wieder moderates Wachstum erleben wird.

Haben sie vor diesem Hintergrund einen guten Rat an Ihre Nachfolger?

Mein Rat ist, künftig sicherzustellen, dass die Angebote des ISE auf der einen Seite das Gesamtsystem der Erneuerbaren Energien betreffen. Auf der anderen Seite müssen wir uns natürlich auch global aufstellen und verstärkt international zusammenarbeiten. Solange die deutsche Politik so schläfrig ist, müssen wir im Ausland tätig werden, wo diese Märkte ein sehr dynamisches Wachstum haben. Unsere Partner sollten dabei natürlich weiterhin vorzugsweise deutsche Firmen sein.

Wenn Sie sich anschauen, wie die Erneuerbaren und gerade Ihre Photovoltaik – im Gegensatz zu Deutschland – weltweit stabil und schnell wachsen, könnten Sie als Weltbürger sich doch zufrieden zurücklehnen und sich freuen, dass Ihre Mission erfüllt ist.

Ja durchaus. Und es ist ja auch so, das wir immer noch die führenden Ausrüster der PV-Industrie in Deutschland haben. Mit diesen Unternehmen arbeiten wir als Fraunhofer-Institut eng zusammen. Und dies ist auch die Begründung für die nach wie vor gute öffentliche Förderung, die wir bekommen.

Ich hörte, dass es Sie nun, nach Ihrem Abschied am ISE, zurück in die USA zieht. In diesen Zeiten?

Das hat einen ganz einfachen Grund: In Berkeley hätte ich als Professor kein Pensionsalter gekannt. In Deutschland haben wir ein Pflicht-Rentenalter – was ich für einen großen Fehler halte. Während ich in Deutschland mit 67 für die meisten Stellen nicht mehr in Frage komme, hatte ich aus Kalifornien drei Angebote. Ich habe mich für dasjenige entschieden, welches mir aktuell am interessantesten erscheint. Ich werde in Berkeley arbeiten, an meiner alten Alma Mater, wo ich 23 Jahre lang unterrichtet habe. Es gibt dabei eine Verbindung nach Singapur und auch Verbindungen zu Deutschland.

Dann wünsche ich Ihnen weiterhin einen hohen Wirkungsgrad?

Danke. (Weber lacht) Aber bitte nicht, wie bei der Photovoltaik, zu den geringsten Kosten!

Interview: Guido Bröer
Foto: Fraunhofer ISE

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