Andreas Bett vom ISE im Interview: Dem PV-Heimatmarkt seine Chance

Dr. Andreas Bett, Stellvertretender Institutsleiter und Geschäftsfeldkoordinator »III-V- und Konzentrator-Photovoltaik« ©Fraunhofer ISE Dr Andreas Bett, Deputy Director and Business Area Coordinator for âIII-V and Concentrator Photovoltaicsâ ©Fraunhofer ISE
Solarthemen 489. Dr. Andreas Bett hat am 1. Januar dieses Jahres zusammen mit Prof. Dr. Hans-Martin Henning die kommissarische Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) übernommen. Bett arbeitet bereits seit 1986 am ISE und verantwortet den Bereich Solarzellen und Technologie. Aus wissenschaftlicher Sicht hat er das Auf und Ab der deutschen PV-Industrie eng begleitet. Wir sprachen mit ihm über die Bedeutung eines heimischen Marktes.

Solarthemen: Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Photovoltaik in Deutschland eine Abwärtsbewegung gesehen. Nun gibt es die Hoffnung, dass es 2017 wieder aufwärts geht. Wie wichtig ist der Heimatmarkt für Forschungsinstitute wie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme?

Andreas Bett: Er ist für uns essenziell wichtig. Alle Technologien, die wir am Fraunhofer ISE entwickeln, von der Zelle bis zu den Systemen, sollten wir im Heimatmarkt erstmal sehr gut testen. Und dann können die Firmen die Technologien letztlich exportieren und so auch den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Wir wissen aus der Vergangenheit bereits, dass vom Ausland mit sehr kritischen Augen auf die Energiewende in Deutschland geschaut wurde. Und wir haben hier lange Zeit auch eine führende Rolle gespielt. Das hat sich aber geändert. Es gibt inzwischen Länder, die schneller voranschreiten als Deutschland, weil wir eben durchaus eine Bremse bei der Energiewende in Deutschland sehen. Speziell ist auch die Photovoltaik nicht so stark gewachsen, wie wir das für eine erfolgreiche Energiewende bräuchten. Das heißt, wir haben zwei Elemente: Wenn wir die Klima-Ziele von Paris erreichen wollen, dann müssen wir stärker in erneuerbare Energien einsteigen und damit auch stärker in Photovoltaik. Dann haben wir den Heimatmarkt. Und das fördert dann auch die Innovationen in Forschung und Entwicklung sowie den Industriestandort.

Aber ist es wirklich wichtig, dass wir die PV-Module hier in Deutschland herstellen? Auch in anderen Bereichen importieren wir Produkte. Um dem Klimawandel zu begegnen könnte es doch ebenso gut sein, importierte Module zu nutzen.

Ich bin überzeugt, dass wir Energieunabhängigkeit haben sollten. Das ist auch aus politischer Sicht sehr wichtig. Wir waren lange genug abhängig vom Öl und wir wissen, was das bedeutet. Das hat weltweit zu Krisen und Kriegen geführt. Bei der Photovoltaik und beim Wind können wir dagegen die Produktion im Land selber steuern. Und wir sind kostenmäßig nicht im Nachteil gegenüber Herstellern aus Asien. Ich sehe keinen Grund, warum wir die Herstellung in Deutschland aufgeben und diesen Fertigungsmarkt komplett Asien überlassen sollten.

Aber ist das die günstigste Variante? Wäre es nicht geschickter, die Produktion den Unternehmen mit sehr großen Produktionskapazitäten in China anzuvertrauen und sich hier auf die Installation zu beschränken, um mit weniger Investment mehr Kohlendioxidemissionen zu reduzieren?

Ich würde sagen, die Frage ist falsch gestellt. Warum sollten die Module aus Asien günstiger sein als die aus Deutschland? Aus meiner Sicht muss das nicht sein. Wenn die industriepolitischen Rahmenbedingungen stimmen und es keine Verzerrung gibt, sehe ich nicht, warum wir kostenmäßig schlechter dastehen sollten. Das heißt, wir können zu gleichen Kosten auch hier in Deutschland Module produzieren. Und wir haben nicht so lange Transportwege. Zudem kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die gesamte Herstellungskette können wir im Sinne der Nachhaltigkeit hier in Deutschland gut kontrollieren: Wie werden die Prozesse gefahren? Wie sind die Leute angestellt, welche soziale Absicherung haben sie? Wie diese Aspekte in Asien berücksichtigt werden, können wir nur schwer beurteilen. Und aus meiner Sicht ist dies ein wichtiger Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen sollten.

Dennoch ist das eine Frage, die sich jedem Installateur stellt, der ein konkurrenzfähiges Angebot für eine Photovoltaikanlage macht. Welchen Grund kann man einem solchen Installateur nennen, warum er ein europäisches Modul verwenden sollte?

Ich habe eben von den Herstellungskosten gesprochen. Das ist etwas anderes als der Preis eines Produkts. Bei den Herstellungskosten bin ich überzeugt, dass sie auf einem ähnlichen Level liegen können. Zu welchem Preis dann Module auf dem Markt angeboten werden, insbesondere von den großen Herstellern, die Überkapazitäten haben und dann Preisdumping machen, das ist ein anderes Thema. Natürlich wird ein Installateur zu vermeintlich günstigen Modulen greifen. Das ist ein Marktgeschehen, auf das wir uns einstellen müssen. Und wir sind hier sicherlich derzeit in Europa im Nachteil, weil die großen Player in Asien sitzen und nicht in Europa.

Doch wo sind die Perspektiven, sich diesem Trend entgegenzustellen? Was können Sie dazu aus wissenschaftlicher Sicht sagen?

Wir müssen das wieder von der Marktseite in Europa her betrachten. Wenn dieser wieder groß genug ist, werden sich auch Möglichkeiten für die Fertigung von Zellen und Modulen in Europa ergeben. Die letzten Jahre waren einfach dadurch geprägt, dass der Heimatmarkt so gering war. Wir brauchen den Markt für die Entwicklung der Industrie, aber auch, um Forschung und Innovation einzubringen. So sehen wir derzeit in der PV-Industrie den Trend der Konversion von der Standard- zur PERC-Technologie, um höhere Effizienzen zu realisieren. Diese Entwicklungen finden überwiegend in den Firmen statt, die innovativ aktiv sind und durchaus auch den Kostendruck spüren. Ein solcher Kostendruck kann ja auch heilsam sein, um Innovationen in den Markt zu bringen. Und hier sehe ich gute Chancen, in Deutschland wieder eine Fertigung in größerem Maßstab zu realisieren.

Sie sprachen als Motivation für die eigene Produktion die Unabhängigkeit an. Das ist ein eher idealistischer Ansatz. Welche möglicherweise mittelfristigen Vorteile kann es darüber hinaus haben, hier in Europa selbst Zellen und Module zu produzieren?

Ich halte es für ganz wichtig, dass wir im Heimatmarkt die Innovationen aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich tatsächlich umsetzen können. Nicht umsonst bekommen wir viele Anfragen von Herstellern aus Asien, die mit uns zusammenarbeiten wollen, um von unseren Entwicklungen zu profitieren. Da sind wir im Moment sehr zurückhaltend, weil wir diese lieber in Deutschland und Europa verwirklicht sehen wollen. Dabei sollten wir nicht vergessen, die gesamte Wertschöpfungskette zu beachten, also auch die deutschen Materialzulieferer und Maschinenbauer, die nach wie vor einen hohen Weltmarktanteil haben. Dieser muss allerdings durch den Heimatmarkt stabilisiert werden.

Parallel zum Aufbau der Photovoltaik gab es seit Ende der 90er Jahre einen großen Zubau auch im Bereich der Forschungsinstitute. Das ist eine enorme Ressource. Wenn wir aber in den vergangenen Jahren einen Rückgang bei der Photovoltaik hatten, ist das dann auch in den Instituten zu spüren? Gibt es zum Beispiel weniger Studierende, die sich für das Thema interessieren? Oder wandern die Wissenschaftler in andere Weltregionen ab, in denen sich die PV inzwischen stärker entfaltet?

Wir haben von den Studierenden her immer noch ein großes Interesse an erneuerbaren Energien. Gegenüber der Boomphase hat die Anzahl etwas nachgelassen, aber wir haben kein Nachwuchsproblem. Es gibt immer noch sehr viele gute Studierende, die sich gerade auch im PV-Bereich mit Dissertationen befassen. Es ist weiterhin ein zukunftsträchtiges Feld. Und die jungen Menschen verstehen auch, dass wir bei der Energiewende noch am Anfang stehen. Der weltweite PV-Markt wird wachsen und er wird auch wieder in Deutschland wachsen. Wir sehen ja wieder eine leichte Erholung und wir erwarten, dass der Markt in den kommenden Jahren massiv anziehen muss, um eben die großen Klimaziele erreichen zu können.

Wie abhängig sind Sie als Forschungsinstitut von der Fertigung in Europa? Was würde passieren, wenn alle Solarfabriken auf unserem Kontinent geschlossen würden? Könnten Sie so weiterarbeiten wie bisher oder hätte dies sehr deutliche Auswirkungen?

Diese fiktive Fall hätte Auswirkungen. Aber ich sehe diesen Fall gar nicht. Sondern es ist eher andersherum: Wir werden in Zukunft die Möglichkeiten wieder sehen, wenn der Markt wächst, hier in Europa die Herstellung von Zellen und Modulen wieder in einem größeren Maßstab zu etablieren. Wir haben auch jetzt mit SolarWorld eine Weltfirma, die im Gigawattmaßstab produziert. Wir sehen mehrere kleine Firmen, die wieder investieren und Produktionen aufbauen. Insofern schaue ich optimistisch in die Zukunft. Der Gesamtmarkt wird wachsen.

Wachstum ist von Bedingungen abhängig. Wo sehen Sie als Wissenschaftler in Europa gute Voraussetzungen für ein solches Wachstum?

Wir haben am Fraunhofer ISE in den letzten Jahren markante Wirkungsgradsteigerungen erzielt. Gerade vor zwei Wochen haben wir einen neuen Weltrekord für multikristallines Material wieder nach Deutschland geholt. Das ist ein ganz neuer Zelltyp auf n-dotiertem Material. Ein anderes Beispiel ist das TopCon-Konzept, wo wir für beidseitig kontaktierte Zellen mit 25,3 Prozent ebenfalls den Weltrekord halten. Und wir schauen natürlich in die weitere Zukunft, um Wirkungsgrade noch einmal zu steigern. Das zeigt, dass wir technologisch nach wie vor an der Spitze sind. Wir müssen dies umsetzen in industrielle Fertigung. Dann haben wir hier in Deutschland wieder sehr gute Chancen auf Produktionszuwächse.

Interview: Andreas Witt

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