Willi Vaaßen: Die Modulqualität muss besser werden

Willi Vaaßen ist beim TÜV Rheinland Geschäftsfeldleiter für solare Energien. Dort ist er u.a. verantwortlich für die Prüfung und Zertifizierung von Solarmodulen sowie von Photovoltaikkraftwerken. Er befasst sich beim TÜV bereits seit 1980 mit der Photovoltaik. Mitte der 90er Jahre wurde dort das Photovoltaiklabor gegründet. Die Solarthemen sprachen mit Vaaßen über die Qualität von Solarmodulen.

Solarthemen: Was ist ein gutes Solarmodul?

Willi Vaaßen: Das ist ein sicheres Modul, von dem keine Gefahr ausgehen kann. Des Weiteren soll es natürlich die versprochene Performance über einen langen Zeitraum bringen – über die Jahre sollen die Leistungsverluste nicht höher sein, als dies vom Hersteller garantiert wird.

Wie kann sich ein Kunde sicher sein, ein gutes Modul zu kaufen?

Das kann er leider nicht, das ist das Problem. Er kann sich an Informationen entlang hangeln. Er kann zum Beispiel nachschauen, ob das Modul von einer geeigneten Ins­titution zertifiziert worden ist. Nur hat er damit noch keine Aussage, ob dieses zertifizierte Produkt auch im Alltag die eben genannten Anforderungen erfüllt.

Kann man sich auf Normen für Solarmodule als eine Art Qualitätssicherung nicht verlassen?

Nein, kann man nicht. Zunächst gibt die Erfüllung der Normen und das damit verbundene Zertifikat einen guten Hinweis darauf, dass das Produkt, seine Materialien sowie der Produktionsprozess generell geeignet sind. Das ist eine positive Indikation. Allerdings ist dann die Frage, wie gut kann der Hersteller in der täglichen Produktion sicherstellen, dass die Qualität aller täglich produzierten Module genau dem zertifizierten Produkt entsprechen. Das ist leider teilweise zu verneinen, weil es in der Fertigung nicht immer dazu kommt, dass eine durchgängig gute Qualitätssicherung eingehalten wird, interne Testverfahren kontinuierlich durchgezogen werden und auch immer die zertifizierten Materialien verwendet werden. Es kommt leider vor, dass neue Materialkombinationen verwendet werden, die so vorher nicht zertifiziert wurden.

Man kann sich also als Kunde nicht darauf verlassen, dass ein bestimmter Modultyp eines Herstellers immer die gleiche Qualität aufweist?

Das ist genau der Punkt. Die Produktpalette sieht bei den Herstellern in der Regel vor, dass sie unter einer Typenbezeichnung mehrere Materialien miteinander kombinieren, zum Beispiel unterschiedliche Gläser und Zellen, Einbettungs- und Rückseitenfolien sowie andere Materialien. Und diese Materialien müssen in allen denkbaren Kombinationen die Anforderungen erfüllen. Das ist leider nicht immer der Fall, weil begleitend dazu immer wieder auch Produktionsschwächen vorkommen.

Dann bin ich als Kunde in einer schlechten Position. Denn ich kann ja nicht jedes gelieferte Modul testen lassen.

Solche Tests kann in der Regel nur ein Kunde vornehmen lassen, der eine sehr große Anlage baut. Und auch hier lassen sich nur einzelne Module testen, die man in einer sinnvollen Auswahl der Gesamtliefermenge entnimmt, um die verschiedenen Phänomene, wie Degradation, Alterung und Leistungserfüllung, zu überprüfen.

Haben Sie eine Idee, wie man diese Situation verbessern könnte?

Mit Blick auf diese Ideen muss man unterscheiden zwischen demjenigen, der sich zuhause eine kleine Anlage baut, und dem Investor in eine große Anlage. Letzterer kann, wenn es im Megawattbereich um eine Investition in Millionenhöhe geht, durchaus der Produktion oder der Lieferung einige Module entnehmen lassen, um deren Qualität und Leistung prüfen zu lassen. Er kann ermitteln, ob es eine signifikante Anfangsdegradation oder die Neigung eines Moduls zur potenzialinduzierten Degradation gibt. Auch für die Laminationsqualität gibt es Kurzzeitprüfungen. Man kann aber nie mehr als eine Indikation bekommen, dass die gesamten Module einer Anlage die Anforderungen wohl erfüllen können. Wenn eine solche Indikation positiv ist, hat man zumindest etwas mehr Sicherheit gewonnen. Wenn sie negativ ist, so ist das natürlich ein klares Zeichen, dass wohl noch mehr Module von Qualitätsmängeln betroffen sein könnten. Der große Investor kann also etwas tun, der kann auch eine Fertigungsinspektion in der laufenden Produktion beauftragen, um zu sehen, ob alles sauber läuft. Aber der Hausbesitzer und auch der normale Installateur haben nicht allzu viele Möglichkeiten. Diese Kunden sind mehr oder weniger auf den guten Namen der Hersteller und die Erfahrung des Installateurs angewiesen.

Gibt es irgendwelche anderen Optionen der Orientierung?

Wir haben vor ein paar Jahren den PV-Plus-Test entwickelt, der aber von den Herstellern nicht gut angenommen wurde. Der hätte eine ähnliche Funktion haben können wie die Tests der Stiftung Warentest. Das wäre ein gutes Werkzeug, um immer wieder aktuell die Modulqualitäten zu überprüfen und die Hersteller dadurch zu nötigen, eine gute Qualität und eine gute Qualitätssicherung zu etablieren.

Ist denn eigentlich ein Modul, das man in Europa einsetzen kann, auch eines, das ebenso in anderen Klimazonen geeignet ist?

Das ist nicht unbedingt der Fall. Module reagieren sozusagen auf die Umwelt. Es gibt Module, die bei hohen Temperaturen besser funktionieren als andere. Es gibt spektrale Einflüsse, die zu unterschiedlichen Energieerträgen führen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir haben ja verschiedene Technologien am Markt, die eine unterschiedliche Performance abhängig von den klimatischen Bedingungen zeigen. Unsere Messungen haben gezeigt, dass die Unterschiede sehr groß sein können. Bei gleicher Nennleistung können verschiedene Modultypen bis zu 10 Prozent unterschiedliche Energieerträge über das Jahr liefern. Das hat natürlich einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage.

Welche Konsequenz sollte man daraus ziehen? Sollte man Module für bestimmte Klimazonen herstellen?

Ich finde, dass wir jetzt genau da angekommen sind – auch durch die Marktgröße. Es gibt einige Hersteller, die im Gigawattbereich produzieren. Und warum sollte man da nicht Module angepasst an heiße und moderate Klimazonen konstruieren und anforderungsentsprechende Module designen?

Der TÜV denkt auch über ein neues Zertifikat für Hersteller nach. Was stellen Sie sich da vor?

Das zielt vor allem auf die Investoren und Großhändler ab, dass man ein technisches Rating der angebotenen Produkte erstellt. Das würde zunächst auf einem Fragebogen basieren, mit dem Charakteristika der Produkte, des Produktionsprozesses und der Qualitätssicherung abgefragt würden. Auf dieser Basis könnte man Produkte bereits klassifizieren und auswählen. Im nächsten Schritt würde man beim ausgewählten Hersteller die bereits genannten Kontrollen vornehmen, also eine Fabrikinspektion und Tests von einzelnen gelieferten Modulen.

Das betrifft die großen Einkäufer. Wie stehen die Chancen, eine Art Label zu bekommen, das A-, B- oder C-Produkte klassifiziert und auch für den Installateur oder Hausbesitzer geeignet wäre?

Bezogen auf den Einsatz von Modulen in den verschiedenen Klimazonen ha­ben wir ein Label entwickelt, das ähnlich aussieht wie das, was auf einem Kühlschrank klebt und die Energieeffizienz angibt. Beim Kühlschrank ist es der Verbrauch, beim Modul die Erzeugung. Da geht es darum, welches Mo­dul unter welchen Klimabedingungen am besten performt. Das könnte ein Label sein, an dem sich der Verbraucher orientieren kann. Und dann müssen wir noch die allgemeine Qualität so positiv beeinflussen, dass der Verbraucher sich neben der Performance auch auf die Langlebigkeit verlassen kann. Hier, glaube ich, wird uns die Zeit in die Karten spielen. Denn die Her­steller werden immer häufiger genötigt, Inspektionen in den Fertigungen über sich ergehen zu lassen. Auch lassen Investoren immer häufiger Module testen. Das sollte dazu führen, dass Hersteller ihre Produktionsqualität proaktiv verbessern. Dies wür­de auch für Endverbraucher positiv sein.

Könnte ein solches Label auch für Hersteller eine Erleichterung sein, wenn sie sich dadurch die Überprüfungen durch Investoren ersparen könnten?

Das meine ich. Ein gut organisiertes Qualitätssicherungssystem muss nicht unbedingt mehr kosten. Es kann natürlich auch zu Einsparungen führen.

Würden Sie dies an TÜV binden wollen? Es gibt ja auch eine Reihe weiterer Zertifizierungsorganisationen.

Wir müssen es gemeinsam organisiert bekommen. Es sollte nicht an einzelnen Playern hängen. Die Solarszene insgesamt sollte ein höheres Qualitätslevel anstreben, das für alle akzeptabel ist. Dabei ist eine qualifizierte Zertifizierungsorganisation wichtig.

Wie schätzen Sie denn die Möglichkeit ein, dass es dazu kommen kann?

Momentan ist es leider nicht so, dass wir uns über durchgängig gute Qualität freuen können. Und es ist durchaus schwierig, dies zu erreichen, weil viele Prozesse in der Produktion parallel ablaufen, weil teilweise ein immenses Wachstum in den Fabriken organisiert werden muss. Dann ist die Etablierung einer guten, gleichbleibenden Qualitätssicherung eine große Herausforderung. Der Kostendruck führt zwar zu preiswerten Modulen. Aber andererseits erschwert er es den Herstellern, Qualitätssicherung auf einem hohen Niveau durchzuhalten.

Interview: Andreas Witt
Foto: TÜV Rheinland

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