Photovoltaik-Speichermarkt reift rapide

Solarthemen 494. Die Preise fallen, Sicherheit und Installationsqualität haben zugenommen. Mit dem jüngsten Monitoringbericht der RWTH Aachen erhält die junge Branche der Photovoltaik-Speicheranlagen ein gutes Zeugnis. Die Institutionalisie­rung von Normen und Qualitätsindikatoren steht jetzt auf der Tagesordnung.

Der Markt ist dynamischer als die empirische Wissenschaft hinterherkommen kann. Daraus macht Kai-Philipp Kairies kein Hehl. Der Speicherexperte am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen hat im Juni mit seinen Kollegen den jüngsten Jahresbericht zum Speicherförderprogramm der Bundesregierung vorgelegt. Zwar bildet der Bericht nur das prozentual schrumpfende Teilsegment der geförderten Speichersysteme ab. Gleichwohl handelt es sich wohl um die weltweit umfangreichste Datensammlung über den jungen Markt der Photovoltaik-Speicher. 16000 registrierte Speicher Für den Bericht konnten bis Mitte April 2017 Daten von 16000 installierten und registrierten Speichersystemen ausgewertet werden, die vom Bund über die KfW seit 2013 gefördert wurden. Die Gesamtzahl der in Deutschland installierten PV-Speichersysteme schätzen die Aachener Wissenschaftler auf 61000 Stück mit einer nutzbaren Kapazität von insgesamt 400 Megawattstunden (MWh). Zwar handele es sich bei dieser Zahl und den aus ihr abgeleiteten Schlüssen um Hochrechnungen. Die Genauigkeit sei aber recht hoch, sagt Kairies: „Wir sind uns bis auf wenige Prozentpunkte sicher.“ Gleichwohl könne es durchaus gewisse systematische Fehler geben. So kann es sein, dass bestimmte Hersteller, Regionen oder Baugrößen im Gesamtmarkt einen höheren oder geringeren Anteil haben als im KfW-geförderten Segment. Allerdings gibt es derzeit keine bessere Marktübersicht als dieses quasi amtliche Monitoring der bundesdeutschen Förderung. In dessen Neuauflage bestätigen sich die wichtigsten Tendenzen der Vorjahre. Kairies: „Der Markt entwickelt sich schnell und dynamisch, aber nach den Prinzipien, die wir schon länger beobachten. So richtig überrascht hat uns in diesem Jahr bisher nichts.“ Weiterhin verläuft der Preisrückgang bei den Lithiumsystemen ohne große Sprünge auf der empirisch belegten Lernkurve (Grafik). Dass sich die Preisentwicklung im ersten Halbjahr 2017 etwas zu verlangsamen schei­ne, liege hauptsächlich daran, dass der Stichtag für den Bericht bereits am 10. April war und mithin das Halbjahr noch nicht vollständig ausgewertet werden konnte, erklärt Kairies. 1400 Euro pro Kilowattstunde Für Lithium-Ionen-Systeme fielen die durchschnittlichen Endverbraucherpreise je Kilowattstunde seit Mitte 2013 um 45 Prozent. Der Mittelwert liegt inzwischen im Bereich von 1400 Euro pro Kilowattstunde einschließlich Mehrwertsteuer. Und günstige Systeme sind bereits für weniger als 1000 Euro pro Kilowattstunde erhältlich. Die aktuell gemeldeten Preise für Bleispeicher sind wegen der geringen Grundgesamtheit von nur noch 11 geförderten Anlagen in 2017 nicht mehr repräsentativ. „Lithium hat Blei praktisch vollständig abgelöst“, sagt Kairies. Schon im Jahr 2014 hatte Lithium die Bleispeicher bei der Zahl der geförderten Systeme überholt. 2015 war der Markt dann endgültig in Richtung Lithium gekippt, so dass der Anteil der Bleibatterien 2016 nur noch im einstelligen Prozentbereich lag. Mit diesem strukturellen Wandel – aber nicht nur mit ihm – hängen auch die Verschiebungen der Marktanteile zwischen den einzelnen Herstellern zusammen (Tabelle S. 11). Im Jahr 2016 liegt weiterhin ein Führungstrio von drei Marken – Sonnen, Senec und E3/DC – mit jeweils zwischen 15 und 17 Prozent Marktanteil (nach KfW-Förderung) deutlich vor den Verfolgern. Auf jeweils 7,5 Prozent bringen es dann SMA und LG, wobei zahlreiche LG-Systeme und auch beispielsweise manche von Tesla und Mercedes-Benz mit einem SMA-Wechselrichter verkauft wurden, so dass der Marktanteil des Kasseler Wechselrichter-Primus entsprechend höher liegt. Auf diese systematische Verzerrung weist Kairies ausdrücklich hin: „Hersteller modular aufgebauter Systeme werden bei den Marktanteilen tendenziell unterschätzt“. Betriebsdatenerfassung Spannend sind neben den einmaligen obligatorischen Angaben des Speichermonitorings, an dem sich jeder Fördernehmer beteiligen muss, auch die Erkenntnisse aus den freiwillig von vielen Besitzern auf www.speichermonitoring.de gemeldeten Betriebsdaten. Ausgewertet werden manuell eingetragene Zählerstände und Logfiles von Speichersystemen. Dadurch können in anonymisierter Weise jährliche Energieerzeugung, Stromverbrauch, Eigenerzeu­gungsquoten und Autarkiegrade ermittelt werden. Auffällig ist, dass typische Nutzer von PV-Speichern einen überdurchschnittlichen Energieverbrauch haben. Der Median liegt bei 5730 Kilowattstunden. Vor diesem Hintergrund stellt der Monitoringbericht fest, dass Autarkiegrade von mehr als 70 Prozent auch mit einem Stromspeicher nur von wenigen PV-Haushalten erreicht werden: „Typische Autarkiegrade liegen im Bereich um ca. 60 Prozent.“ Auch typische gemessene Eigenverbrauchsquoten von Eigenheimbesitzern liegen auf diesem Niveau. Aus diesen Daten wiederum leitet der Monitoringbericht auch eine volkswirtschaftliche Bewertung der Energiespeichersysteme ab. Einerseits entlasten die bislang installierten Speichersysteme das EEG-Konto jährlich um 21 Millionen Euro, zugleich werden für den vermiedenen Strombezug der Haushalte 9 Millionen Euro EEG-Umlage nicht gezahlt. Unter Berücksichtigung der beim Kauf der Systeme fälligen Umsatzsteuer sowie der entgangenen Netzentgelte und Konzessionsabgaben kommen die Aachener Forscher zu dem Schluss: „Die Gesamtbilanz von Steuern, Umlagen und Abgaben ist für alle im Jahr 2016 betriebenen PV-Anlagen mit Speicher somit in etwa ausgeglichen.“ Dass die Netze bei Einsatz intelligent gesteuerter Speichersysteme deutlich mehr Solarstrom aufnehmen können als ohne und somit Ziele der Energiewende günstiger erreicht werden können, ist als volkswirtschaftlicher Vorteil in dieser Bilanz noch nicht enthalten. Qualität steigt Offenbar hat sich auch die Qualität von Speichern und der Installation weiter verbessert. Dies lässt sich aus der Zufriedenheit der Speicherkäufer schließen, die im vergangenen Jahr zu 82 Prozent ausschließlich positive Erfahrungen mit ihrer Investition verbinden. Weniger als 1 Prozent nennt bei der Befragung negative Erfahrungen. Auch das Intensivmonitoring, bei dem die Aachener Wissenschaftler 20 zwischen 2015 und Ende 2016 installierte PV-Speichersysteme auf Herz und Nieren prüften, bestätigt laut Kairies die steigende Installationsqualität. Die Erkenntnisse aus dem Intensivmonitoring, insbesondere zum Wirkungsgrad der Systeme, der allein für die Entladung der Batterie zwischen 77 und 96 Prozent liegen kann, sind auch in den im März 2017 veröffentlichten, von Herstellern, Branchenverbänden und Prüfinstituten gemeinsam entwickelten Effizienzleitfaden PV-Speichersysteme eingeflossen. Performance-Index als Orientierung Der Effizienzleitfaden legt fest, wie die Wirkungsgrade von Speichersystemen im Labor gemessen und angegeben werden müssen, um einen fairen Vergleich zu ermöglichen. Den Einfluss dieser Parameter auf die tatsächlich auftretenden Verluste kann er jedoch nur andeuten. Hier setzt der Speicher Performance Index (SPI) an, der von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin entwickelt wurde. Er soll Verbrauchern und Installateuren anhand nur eines Wertes ein leicht zu vergleichendes Kriterium an die Hand geben. Gemessen an einem nur in der Theorie möglichen 100-prozentig effizienten Speicher, bei dem keine Verluste auftreten, gibt der Index an, welche Effizienz im realen Betrieb zu erwarten ist und was die Verluste kosten. Die Verluste durch Energiemanagement und Abregelungsstrategien würden erfasst, indem die tatsächlichen Energieflüsse simuliert würden, erklärt Johannes Weniger, Speicherexperte an der HTW Berlin. „Wir definieren deshalb die Systemgrenze am Hausanschlusspunkt“, sagt er. Um den SPI eines Speichers zu ermitteln, simulieren die Wissenschaftler die Lastflüsse anhand typischer Last- und Erzeugungsprofile einer 5-kW-PV-Anlage auf einem Einfamilien­haus. „Man kommt dabei nicht darum herum, die unterschiedliche Wertigkeit der Stromflüsse zwischen PV-Anlage, Speicher, Haushalt und öffentlichem Netz zu berücksichtigen. So haben dann zum Beispiel die unterschiedlich hohen Standby-Verluste eines Speichers im entladenen beziehungsweise beladenen Zustand einen verschiedenen Preis“, erklärt Weniger die komplexen Simulationen, die sich hinter dem SPI verbergen. SPI für jedermann Der Quellcode der Simulation wurde von den Wissenschaftlern offengelegt, so dass der SPI von interessierten Software-Anbietern, Prüflaboren und Herstellern genutzt werden kann. Der Bundesverband Solarwirtschaft hat jetzt damit begonnen, den SPI zu bewerben. An der HTW hofft man, dass er – zum Beispiel über Marktübersichten von Fachmedien – schnell zum Standard werden könnte. Text: Guido Bröer  

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