Nationale CO2-Abgabe gewinnt an Zuspruch

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Solarthemen 496. Die Idee, die Treibhausgasemissionen mit einem Preis zu versehen und den Klimaschutz diesem wirtschaftlichen Instrument zu überlassen, ist alles andere als neu. Sie steckt hinter dem europäischen Emissionshandel – und funktioniert dort bislang nicht. Eine nationale CO2-Steuer oder -Abgabe soll den Kimakiller mit festen, höheren Kosten belasten. In Deutschland gewinnt sie immer mehr Freunde, die jetzt auch die Chance sehen, die eventuelle neue Jamaika-Koalition dafür zu gewinnen.

Die Liste unter einem der jüngsten Papiere, das eine CO2-Steuer fordert, ist namhaft: Da finden sich unter anderem Andreas Kuhlmann, der Ge­schäfts­­führer der Deutschen Energie-Agentur, Manfred Fischedick, der Vizepräsident des Wuppertal Instituts, Patrick Graichen, der Direktor der Agora Energiewende, Felix Matthes vom Öko-Institut, Christoph Bals, der Geschäftsführer von Ger­manwatch, und Karsten Neuhoff, der Abteilungsleiter Klimapolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Experten fordern CO2-Steuer Im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen erklären sie: „Zusammen mit einer stetig wachsenden Zahl von Unternehmen und Akteuren fordern wir eine rasche Neuausrichtung der Umlagen-, Abgaben und Steuersystematik für Strom- und Energieträger mit einer eindeutigen Ausrichtung auf die Erreichung der Klimaziele: Eine stärkere Bepreisung von CO2 über alle Sektoren der Volkswirtschaft.“ Die Expertengruppe will politischen Entscheidungsträgern, wie sie selbst erklärt, „auch in Hinblick auf den Koalitionsvertrag Orientierung und Ermutigung geben“. Die formulierten Leitplanken sollten im Koalitionsvertrag verankert werden. Es müsse das Ziel sein, Maßnahmen zu entwickeln, die in Deutschland bereits 2018/2019 umgesetzt werden könnten, um die Klimaziele zu erreichen. Dies sei ohne einen Ausstieg aus der Kohleverstromung aber nicht mehr zu schaffen. Und der wiederum sei über den europäischen Emissionshandel mit seinen zu niedrigen CO2-Preisen nicht zu erreichen. Auch Jörg Lange hat den Forderungskatalog unterzeichnet. Er ist Vorstand des erst im März gegründeten Vereins für eine nationale CO2-Abgabe. Die Gründung dieses Vereins war u.a. von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), der GLS Bank und einigen Freiburger Unternehmern ausgegangen. Er hat das alleinige Ziel, eine CO2-Abgabe auf deutscher Ebene zu verankern. „Bei der CO2-Abgabe geht es nicht um Mehrbelastungen, es geht um Umbau“, sagte EWS-Mitgründer Michael Sladek im März: „Unsere Idee ist, alle Abgaben, die auf Strom erhoben werden, abzuschaffen, wie etwa die EEG-Umlage, die Stromsteuer und so weiter. Im Gegenzug führt man eine CO2-Abgabe ein, die dem Staat die gleiche Summe einspielt.“ Dieser Grundgedanke findet in immer mehr Institutionen Zustimmung. So auch im gerade vorgelegten Sondergutachten „Energie 2017: Gezielt vorgehen, Stückwerk vermeiden“ der von der Bundesregierung berufenen Monopolkommission. Darin heißt es: „Anzustreben wäre eine Reform in Richtung eines über die Sektoren hinweg einheitlichen CO2-Preises, um die ambitionierten CO2-Reduktionsziele möglichst kosteneffizient zu erreichen.“ Das System aus Energie- und Stromsteuer sollte zugunsten eines CO2-Preissignals angepasst werden. Monopolkommission pro Abgabe Zwar spricht sich die Monopolkommission dafür aus, den CO2-Emissionshandel auf europäischer Ebene zu refomieren und auf alle Sektoren auszudehnen. Aber: „Für den Fall, dass eine Stärkung des CO2-Zertifikatehandels auf europäischer Ebene nicht erreichbar ist, könnte eine Anpassung des Abgaben- und Umlagensystems auf nationaler Ebene sinnvoll sein.“ Mit einem angemessenen CO2-Preis würden die durch den CO2-Ausstoß verursachten Kosten auf den Energiemärkten internalisiert, sagt die Kommission. Dadurch würde der Einsatz fossiler Energieträger auch in den Sektoren Verkehr und Wärmeerzeugung weniger attraktiv. Voraussichtlich würde zwar auch der Großhandelspreis für Strom steigen, dieser Preisanstieg würde allerdings dazu führen, dass erneuerbare Energien eher wettbewerbsfähig würden und langfristig aus der Förderung entlassen werden könnten, meint die Monopolkommission: „Die EEG-Umlage könnte dann sinken und langfristig auslaufen.“ Als Vorteil einer CO2-Steuer sieht sie auch die mögliche Abschaffung der Stromsteuer. Dies biete sich an, da diese bisher nicht zu einem durchschlagenden Erfolg bei der Steigerung der Energieeffizienz geführt ha­be und zudem die Nutzung von erneuerbarem Strom in den Verkehrs- und Wärmesektoren erschwere. BDEW gegen nationale Steuer Doch auch wenn eine CO2-Abgabe bzw. -Steuer zunehmend Anhänger findet, Konsens herrscht bei diesem Thema noch nicht. So wendet sich der Bundesverband der Energie- und Was­serwirtschaft (BDEW) in seinen „Handlungsempfehlungen für die nächs­te Legislaturperiode“ gegen Initiativen, die auf eine möglichst rasche Einführung nationaler CO2-Signale drän­gen: „Der BDEW wird auf den Abgleich von europäischen und nationalen Maßnahmen hinwirken und sich dafür einsetzen, dass nicht voreilig nationale Maßnahmen ergriffen werden.“ Ergänzend fügt allerdings auch der BDEW in seinen Empfehlungen hinzu: „Klar ist jedoch, dass, wenn die aktuelle EHS-Reform keine Wirkung zeigt, über andere Instrumente gesprochen werden wird.“ So spielt der BDEW offenbar auf Zeit. Die Argumentation zielt auf eine europäische Lösung, die tatsächlich wirkungsvoller sein könnte, wenn sie auf dieser Ebene zu deutlich höheren CO2-Preisen als bislang führen würde. Jedoch hat sich die erhoffte Lenkungswirkung des europäischen Emmissionshandels seit seiner Einführung im Jahr 2005 – also vor mehr als 12 Jahren – nicht ausreichend bewiesen. Und angesichts der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer scheint es kaum möglich zu sein, in der Europäischen Union ein Handelssystem zu etablieren, das der Wirkung einer nationalen Maßnahme gleichkommen könnte. Fell: Steuer kein Allheilmittel Nicht nur von Seiten des BDEW wird eine CO2-Steuer skeptisch betrachtet. Auch der bündnisgrüne Politiker Hans-Josef Fell, einer der Väter des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, warnt davor, dieses Instrument als Allheilmittel zu sehen. Nicht nur bei der Monopolkommission, auch beim Verein für die CO2-Abgabe findet sich eine Verknüpfung zum EEG. Er erklärt: „Die Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz müssen nicht mehr durch zusätzliche Programme gefördert werden.“ Bedeutet: das EEG und das Kraft-Wärme-Kopplunsgesetz könnten abgeschafft werden. Fell erinnert daran, dass dies auch schon Beginn dieses Jahrtausends so gesehen wurde und er sich damals schon gemeinsam mit Hermann Scheer gegen den Emissionshandel gewehrt habe. Sowohl der Emissionshandel als auch eine nationale CO2-Steuer seien generalisierende Instrumente, die keine spezifischen Anreize für Investitionen in Nullemissionstechnologien schaffen würden, argumentiert Fell. Mit einer EEG-Vergütung hingegen könne ein Investor eine Windkraft, PV- oder Biogasanlage klar kalkulieren und die Renditeerwartung gebe den Ausschlag für die Investitionsentscheidung. „Bei einer CO2-Steuer wird aber zum Beispiel der Kohlekraftwerksbetreiber mit höheren Kosten beaufschlagt, ein Windinvestor kann damit aber nicht kalkulieren“, so Fell. Die indirekten Wirkungen einer CO2-Steuer werden aus Sicht von Fell zu hoch bewertet. Denn in der Praxis würden nur die erneuerbaren Energien zum Zuge kommen, die besonders kostengünstig seien. Viele Technologien, die noch einen stärkeren Anschub benötigten, würden sich aber selbst bei einem Preis von 80 Euro pro Tonne CO2 noch keinen Markt erschließen können. CO2-Abgabe plus EEG Allerdings ist das Eintreten für eine CO2-Abgabe/Steuer nicht zwangsläufig mit der Aufgabe des EEG verbunden. So spricht sich auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sehr deutlich für eine Reform des Steuersystems aus und hat dies durch zwei Studien untermauert. Der BEE fordert nur einen moderaten Preis von 20 bis 25 Euro je Tonne. Dies würde bereits die von ihm angestrebte Lenkungswirkung erzielen. Der Verein für eine nationale CO2-Abgabe strebt einen Anfangssatz von 40 Euro/Tonne an. Deutlich darüber hinaus geht der ehemalige Bundestagsabgeordneten Reinhard Schultz (SPD) als Vorsitzender des Vereins EnergieDialog2050. Er will mit einer CO2-Steuer von 100 Euro/Tonne starten und hält im Verkehrssektor 200 Euro/Tonne für erforderlich. Das Bündnis, das sich jetzt für die Aufnahme der CO2-Steuer in den Koalitionsvertrag stark macht und in dem auch Schultz mitwirkt, verbindet mit seinem Papier keine Maximalforderungen. Es räumt ein, unterschiedliche Aussagen zur CO2-Steuer könnten für manch einen Entscheidungsträger unübersichtlich erscheinen. Und die Vielfältigkeit der Ideen könne einer möglichen Umsetzungsinitiative im Wege stehen. Aber dies dürfe die neuen Kolitionäre nicht davon abhalten, die Umsetzung der grundsätzlichen Idee zu ihrer Aufgabe zu machen. Die genaue Ausgestaltung sei erst in der Legislaturperiode die Aufgabe gestaltender Politik. Abgabe juristisch machbar Offen ist zu diesem Zeitpunkt auch, ob eine CO2-Steuer oder eine CO2-Abgabe das bessere Mittel wären. Die Stiftung Umweltenergierecht hat im Oktober die Studie „Europa- und verfassungsrechtliche Spielräume einer CO2-Bepreisung in Deutschland“ veröffentlicht. Demnach sei für eine echte CO2-Steuer in Deutschland eine Änderung der Verfassung erforderlich. Als Alternativen kämen eine Sonderabgabe oder eine Ressourcennutzungsgebühr in Frage. Und auch eine Verbrauchsteuer, die nach der Erzeugungsart gestaffelte Stromsteuersätze oder eine an der CO2-Intensität des Energieträgers orientierte Besteuerung beim Stromerzeuger zum Ziel hätte, wären eine Option. Text: Andreas Witt Foto: Uwe Schlick/pixelio.de

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