Die Energiewende in den Großstädten

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Solarthemen. Deutsche Großstädte wie Berlin, Ham­­burg und München gehen jeweils eigene energiepoliti­sche Wege. Während Hamburg über ein Wärmekonzept des Umweltsenators diskutiert und in Berlin das Abgeordnetenhaus die Novelle des Energiewendegesetzes beschließt, drängen die Münchener ihre Stadtverwaltung und die Stadtwerke per Bürgerentscheid zur schnelleren Energiewende.

Am 5. November sorgten Münchens Wähler für das vorzeitige Aus eines Steinkohlekraftwerks im Norden der Stadt. Block 2 darf nicht, wie von den Stadtwerken München (SWM) vorgesehen, bis zum Jahr 2027 oder auch 2029 weiterlaufen. Schon Ende 2022 werden die SWM es außer Betrieb nehmen müssen. In einem Bürgerentscheid entschieden sich 60,2 Prozent der Wähler für einen Ausstieg aus der Kohle bis Ende 2022. Zwar beteiligten sich nur 17,8 Prozent der stimmberechtigten Münchener an der Abstimmung, doch ein Bürgerentscheid ist gültig, sobald mindestens 10 Prozent der Bürger mitmachen. Dieter Reiter, der Oberbürgermeister von München, sagte bereits am Abend der Entscheidung, er werde die Stadtwerke nun beauftragen, einen Antrag zur Stilllegung des Kohlekraftwerks bei der Bundesnetzagentur zu stellen. Florian Bieberbach, der Vorsitzende der SWM-Geschäftsführung, kündigte an, sich an das Abstimmungsergebnis selbstverständlich halten zu wollen. Die Stadtwerke hatten sich für ein anderes Konzept eingesetzt, das den längeren Betrieb des Kraftwerks vorsah. Unabhängig davon würden die SWM ihre Ziele weiter verfolgen, so Bieberbach. Demnach wollen die Stadtwerke ab 2025 genug Ökostrom erzeugen, um ganz München versorgen zu können. Und 2040 soll auch die gesamte Fernwärme in München aus regenerativen Quellen stammen. Die SWM will dafür vor allem das geothermische Potenzial nutzen. München: Raus aus der Steinkohle Den Stein ins Rollen gebracht hat in München das Bürgerbegehren „Raus aus der Steinkohle“, das vor allem auf die hohen CO2-Emissionen des Kraftwerks hingewiesen hatte. Das von einer Mehrheit des Stadtrates geteilte Argument der Stadtwerke, es sei eines der emissionsärmsten Kohlekraftwerke Deutschlands, fand bei den Wählern kaum Gehör. Die Wähler schreckte auch nicht die Warnung, eine frühzeitige Abschaltung könne teuer für die Stadt werden. Berlin: Novelle zur Energiewende In Berlin hat das Abgeordnetenhaus am 7. November die Novelle des Berliner Energiewendegesetzes beschlossen. Darin heißt es jetzt, der Berliner Senat werde auf die Beendigung der Energieerzeugung aus Steinkohle bis spätestens Ende 2030 hinwirken. Bereits im Mai dieses Jahres, nach Beschluss des Gesetzentwurfs durch den Berliner Senat, hatten Daniel Buchholz von der SPD-Fraktion, Michael Efler von der Fraktion Die Linke und Georg P. Kössler sowie Stefan Taschner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärt: „Mit dem geplanten Gesetz zum Kohleausstieg setzen wir nun ein klares Zeichen für die Energiewende und den Kohleausstieg in Berlin.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch die von Umweltorganisationen getragene Initiative „Kohleausstieg Berlin“ an dem Gesetzentwurf kritisiert, dass der Abschaltzeitpunkt auf 2030 fixiert werden sollte, statt dies als spätestes Datum zu definieren. „Diese Abweichung ist keine Kleinigkeit, sondern wirft die Frage auf, ob der Berliner Senat tatsächlich daran interes­siert ist, den Klimavertrag von Paris einzuhalten“, erklärte im Mai 2017 Laura Weis von Kohleausstieg Berlin. Fernwärme – auch durch Dritte Das Abgeordnetenhaus entschied sich nun, das letzte Steinkohlekraftwerk in Berlin möglichst früher als 2030 abschalten zu wollen. Der erste Beschluss des Energiewendegesetzes im März 2016 enthielt noch keinen Passus zum Kohleausstieg. Neu aufgenommen wurde zudem ein Artikel, der den Senat ermächtigt, für bestimmte Gebiete zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes den Anschluss an ein Fernwärme- oder -kältenetz vorzusehen. Er kann hier für neue Gebäude den Anschluss- und Benutzungszwang vorschreiben. In solchen Gebieten soll es Dritten ermöglicht werden, Wärme aus erneuerbaren Energien in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Schon bislang sah das Gesetz vor, erneuerbare Energien vermehrt zu nutzen. Darauf wird insbesondere die Verwaltung mit ihren eigenen Liegenschaften verpflichtet. Weitere konkrete Maßnahmen werden im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) definiert. Das BEK 2030 sieht vor allem den Ausbau der gasbasierten flexiblen Kraft-Wärme-Kopplung mit Bio- und Erdgas, die Nutzung von Wärme- und Stromspeichern, den Ausbau der Solarenergienutzung, die Nutzung von Wärmepumpen und Geothermie sowie die Förderung von Power-to-Heat- und Power-to-Gas-Anwendungen vor. Letzteres ist bei Umweltverbänden umstritten, weil sich so die Wärmeversorgung indirekt auf Strom aus Kohlekraftwerken in der Lausitz stützen könnte. Das vom Berliner Senat vorgelegte BEK 2030 wurde vom Abgeordnetenhaus noch nicht beschlossen. Es ist auch durchaus noch umstritten; aus Sicht von Umweltaktivisten ist es nicht ambitioniert genug. Die Initiativen „Kohleausstieg Berlin“ und „Berliner Energietisch“ demonstrierten am 12. November gegen die Energie- und Klimaschutzpolitik des Berliner Senats. „In Berlin hat sich die rot-rot-grüne Koalition auf die Fahne geschrieben, zum Vorreiter bei Klimaschutz und Energiewende zu werden“, so Weis: „Leider spricht der kürzlich vom Senat vorgelegte Entwurf für das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm eine andere Sprache. “ Ein kompletter Verzicht auf fossile Energiequellen sei vom Senat selbst bis zum Jahr 2050 nicht zu erwarten. „In Hamburg soll das Fernwärmenetz ab dem Jahr 2025 ohne Kohle auskommen. Daran sollte sich die rot-rot-grüne Regierung in Berlin ein Beispiel nehmen. Berlin muss vor dem Jahr 2025 aus der Kohle aussteigen“, fordert Julia Epp vom BUND Berlin. Hamburgs neues Wärmekonzept In Hamburg hat Umweltsenator Jens Kerstan am 2. November ein Konzept für die Fernwärme vorgestellt, das einen Verzicht auf das Kohlekraftwerk Wedel ermöglichen soll. Stattdessen soll die Wärmeversorgung künftig neben Gas- und Müllheizkraftwerken auch stärker auf erneuerbare Energien setzen. Das Konzept beruht auf einer Studie des Hamburg Instituts (HIT). Aus Sicht von HIT-Geschäftsführer Matthias Sandrock schafft das neue Konzept vor allem Optionen für Erneuerbare. Besonders freue ihn derzeit das Projekt einer Großwärmepumpe mit einer Leistung von 90 Gigawatt, die das Potenzial einer Kläranlage nutze, und der Aufbau eines großes Aquiferspeichers. Schwierig sei in Hamburg derzeit aber aufgrund von Flächenproblemen die Nutzung großer solarthermischer Anlagen. Allerdings ist das Konzept in Hamburg nicht unumstritten. Kritiker fürchten, an die geplante Fernwärmeleitung könne später auch das erst 2013 in Betrieb genommene Kohlekraftwerk in Moorburg angeschlossen werden. Text: Andreas Witt Foto: derProjektor/pixelio.de

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