Im Interview: Heiko Wuttke – Prokon lebt heute Partizipation

Heiko Wuttke ist Vorstand der Prokon eG. Die Genossenschaft ist 2015 aus der insolventen Prokon-Gruppe hervorgegangen. Deren Pleite kostete viele Kleinanleger damals einen Teil ihrer Ersparnisse. Publikumsbeteiligungen an erneuerbaren Ener­gien gerieten dadurch ins Visier der Öffentlichkeit und des Gesetzgebers. Die neue Prokon eG ist mit über 39.000 Mitgliedern die größte deutsche Energiegenossenschaft und einer der großen Windkraftbetreiber und -projektierer.Das folgende Interview führte Solarthemen-Reakteur Guido Bröer während der Windenergietage in Warmemünde.

Solarthemen: In der Insolvenzphase ist der Name Prokon sehr bekannt geworden, aber mit einem negativen Beiklang. Wie sehr belastet dies ihre tägliche Arbeit heute?

Heiko Wuttke: Die Zeit, in der es hoch her ging, war vor zwei Jahren abgeschlossen. Mittlerweile sehen wir keine große Belastung für den Namen Prokon mehr. Man muss aber unterscheiden: Das eine ist die breite Öffent­lichkeit, das andere sind die Akteure, mit denen wir normalerweise umgehen, etwa Projekteigentümer, Banken, Lieferanten. Für die hat sich inzwischen gezeigt, dass sie es mit einem soliden Unternehmen zu tun haben, mit dem man auch weiterhin vernünftig Geschäfte machen kann.Neben den beiden Bereichen Projektentwicklung und Bau sowie Service und Betrieb von Windenergieanlagen gibt es aber einen dritten Geschäftsbereich, den Stromvertrieb an Haushaltskunden, wo wir mit der breiten Öffentlichkeit zu tun haben. Da brauchen wir sicherlich etwas mehr Zeit. Aber auch dort zeigt sich nach und nach, dass wir wieder zurück sind.

Was ist seit der Insolvenz passiert? Nennen Sie mal ein paar Meilensteine.

Der erste Meilenstein war im Juli 2015 die Entscheidung, dass Prokon eine Genossenschaft wird und eben nicht verkauft wird. Seitdem haben wir die Möglichkeit bekommen, die Projekte, die ins Stocken geraten waren, weiterzuentwickeln. 2016 ist uns das sehr gut gelungen: Wir haben für über 130 Megawatt Genehmigungen bekommen. Das bedeutet, das wir weiter wachsen können. In 2017 konnten wir einen Großteil dieser Projekte dann auch umsetzen. Das ist ein großer Erfolg für uns, denn es ist ein gut sichtbarer Unterschied zu dem Stillstand, der vorher herrschte.Einen weiteren Meilenstein haben wir bei der Umsetzung des Insolvenzplans erreicht: Wir haben eine Unternehmensanleihe begeben. Damit haben die ehemaligen Gläubiger die Möglichkeit, einen Teil ihres eingesetzten Kapitals wieder zurückgezahlt zu bekommen. Eine Unternehmensanleihe von 500 Millionen Euro ist für ein mittelständisches Unternehmen durchaus eine große Herausforderung.

Sie sind also mit der Insolvenz im Grunde nicht aus den Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern heraus, sondern die neue Prokon eG hat weiterhin laufend damit zu tun?

Ja, das ist unsere Pflicht. Aber die findet jetzt in einem nachvollziehbaren Prozess statt. Denn mit der Begebung der Anleihe gibt es nun einmal im Jahr eine Auszahlung. Die Gläu­biger sollen zumindest knapp 60 Prozent ihres Genussrechtskapitals zurückbekommen. Teilweise durch die Anleihe, die verzinst und durch einen Großteil der von uns betriebenen Windparks besichert ist. Zusätzlich durch die Mitgliedschaft und entsprechende Anteile in unserer Genossenschaft, um an der Energie in Bürgerhand mitzuwirken.

Gerade der Fall Prokon hat aber dazu beigetragen, dass die Idee der Energie in Bürgerhand Schaden erlitten hat. Was tun sie, um den Begriff „Bürgerenergie“ wieder positiver zu besetzen?

Das ist sicher wahr und auch sehr schade für die gesamte Branche. Denn wenn man davon überzeugt ist, dass Energie in Bürgerhand gehört, dann sollte man alles dafür tun, dass dies nicht in Misskredit gezogen wird.Sie fragen, was wir tun. Wir versuchen Transparenz und Partizipation zu leben. Wir zeigen unseren Mitgliedern, aber auch allen, die daran interessiert sind, was wir tun, dass wir kein Interesse an einer Profitmaximierung ha­ben, sondern dass wir wirklich vor Ort mit den Bürgern etwas umsetzen wollen. Wir bieten Gemeinden und kleinen Gesellschaften vor Ort unsere Expertise an. Das Projekt bleibt – wenn gewünscht – ganz oder in Teilen in Bürgerhand; wir unterstützen die Umsetzung. Wir haben mehrere Foren, an denen sich die Mitglieder beteiligen können. Wir installieren derzeit Regionalbeiräte in Deutschland. Über das, was wir tatsächlich tun, soll jederzeit eine Auskunftsfähigkeit bestehen, so dass jedes Mitglied – wir haben mittlerweile 39200 – verfolgen kann, was wir machen und somit auch im Kleinen als Bürger mitmachen kann.

Aktuell ist Ihre Welt als Betreiber und Projektierer von Windkraftanlagen durch den Übergang ins Ausschreibungssystem stark im Umbruch. Wa­ren Sie in den ersten beiden Ausschreibungsrunden erfolgreich?

Wir hatten in den ersten Ausschreibungsrunden noch nicht die Not, tatsächlich mitzumachen. Wir haben dies in einem Fall probiert, um zunächst mal ein Gefühl dafür zu bekommen. Wir haben zwar keinen Zuschlag erhelten, das ist für uns aber verschmerzbar. Denn wir setzen darauf, mit neuen Projekten 2018 teilzunehmen.

Fallen Sie als Genossenschaft mit zweifellos breiter Bürgerbeteiligung unter den Bürgerenergie-Begriff des EEG?

Auf Anhieb formal nicht. Wir könnten als Genossenschaft durchaus im Bürgerenergie-Segment mitbieten, wenn wir für ein bestimmtes Projekt im betreffenden Landkreis mindestens 10 Genossenschaftsmitglieder haben, was bei der breiten Streuung unserer Anteile durchaus machbar erscheint.

Andere Projektierer haben Wege gefunden, unter dem Label Bürgerenergie an Ausschreibungen teilzunehmen. Ist das für Sie eine Perspektive?

Ganz klares Nein! Die ganze Branche ist ja nicht glücklich darüber, dass es in dieser Form und im großen Stil passiert ist. Es führt dazu, dass das Ziel eines gewissen jährlichen Ausbaus der Windenergieleistung so nicht erreicht wird. Wir werden in 2019 und 2020 das Ziel verfehlen – wegen der langen Realisierungszeit der Bürgerenergieprojekte, die jetzt einen Zuschlag erhalten haben, und weil teils nicht sicher ist, ob diese überhaupt umgesetzt werden können. Das wird enorme Auswirkungen haben für die Hersteller, weil sie keine Anlagen verkaufen können. Aber auch für Projektentwickler wie uns, die Genehmigungen haben – und dafür auch investiert haben –, die aber nicht mithalten können bei einem Preis, der vielleicht in fünf Jahren machbar ist, aber nicht in den zwei Jahren, die uns zur Realisierung bleiben. Wir verbrennen dadurch als Branche enorm viel Geld. Am Ende wird es zu Verwerfungen kommen.

Wie sehr ist Prokon auf einen weiteren konstanten Zubau von Windkraftanlagen in Deutschland angewiesen?

Wir setzen natürlich schon darauf, dass der Ausbaupfad von 2,8 beziehungsweise 2,9 Gigawatt pro Jahr in unserem Kernmarkt Deutschland eingehalten wird. Denn wir haben eine vernünftige Projektpipeline, die wir auch umsetzen wollen. Wenn der politische Wille zum Ausbau nicht mehr in dem Maße da wäre, dann müssten wir den Bereich zur Entwicklung neuer Projekte aufgeben. Für uns wäre das im Vergleich zu anderen Projektierern vielleicht eher verschmerzbar, weil wir einen hohen Bestand eigener Windparks haben. Wir könnten im Extremfall allein von dem Betrieb unserer mittlerweile mehr als 600 Megawatt zur Not leben. Wir versuchen auch ein wenig zu diversifizieren, indem wir uns in benachbarten Bereichen wie der Photovoltaik umschauen.

Was ist mit dem Stromverkauf? Sind hauptsächlich Ihre Genossenschaftsmitglieder ihre Stromkunden?

Viele sind es, aber wir haben 70 Prozent Stromkunden, die nicht aus der Genossenschaft kommen. Wir sehen gerade im Endkundensegment Chancen, wo uns aber durch das EEG noch die Hände gebunden sind. Wir könnten in der Lage sein, neue Geschäftsmodelle zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten aufzubauen – Stichwort Blockchain. Wir sind mit der hohen Zahl unserer Mitglieder und Stromkunden gut dafür aufgestellt.

Erklären Sie das mal an einem Beispiel!

Gern: Wir haben viele Mitglieder mit einer eigenen Photovoltaikanlage. Die könn­ten anderen Genossenschaftsmitgliedern ihren Strom verkaufen. Das könnten wir managen, indem wir ein System dafür bereitstellen, das Frau Müller Herrn Meier innerhalb der Prokon-Blockchain ihren Strom verkauft. Wir könnten auch unseren selbst produzierten Grünstrom auf diesem Weg verkaufen, wenn das Gesetzes es ermöglichen würde.

Sie selbst waren nicht Teil der alten Prokon. Wie fühlt es sich an, dieses junge, alte Unternehmen zu leiten?

Es fühlt sich unglaublich spannend an. Mein Kollege Henning von Stechow und ich sind seit April 2016 dabei. Ich komme aus der Windbranche und habe Prokon immer schon von außen beobachtet. Nun stoßen wir innerhalb der Prokon auf Mitarbeiter, die sehr lange schon dabei sind und die für Ihre Arbeit brennen. Die sind unglaublich engagiert – das macht Spaß. Und es gibt die vielfältigen Herausforderungen, einerseits jetzt Projekte umsetzen zu können und andererseits in einer Umbruchzeit in Sichtweite eines freieren Energiemarktes neue Geschäftsfelder zu finden. Es gibt eine hohe strategische Komponente in unserer Arbeit, die Spaß macht. Die bisherigen eineinhalb Jahre waren sehr intensiv, mit sehr guten Mitarbeitern und vor allem auch mit einem sehr guten Feedback aus der Mitgliedschaft. Die haben ja eine harte Zeit hinter sich, und wir haben den Eindruck, dass sie jetzt eine Perspektive sehen.

Interview + Foto: Guido Bröer

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