Branchenverunsicherung nach Jamaica-Absage
Der UN-Klimakongress, der vom 6. bis zum 17. November unter der Regie der Fidschi-Inseln in Bonn stattfand, war ein Beitrag zur Fortführung des Klimaschutzprozesses. So bildete sich eine Koalition für den Kohleausstieg bis 2030, die Power Past Coal Alliance, an der sich u.a. Frankreich, Großbritannien und Italien beteiligen. Doch die scheidende Bundesregierung blieb der Initiative fern und war so nicht fähig, dieser Klimaschutzinitiative Nachdruck zu verleihen. Umweltministerin Barbara Hendricks erkärte, sie wolle der neuen Regierung nicht vorgreifen. Sie zeigte sich während der Konferenz allerdings auch enttäuscht davon, dass die zu dieser Zeit sondierenden Parteien offenbar ein Signal zum Festhalten am Klimaschutz brauchen würden. Deutschland nicht mehr Vorreiter „Deutschland droht beim Klimaschutz international den Anschluss zu verlieren“, warnt Klaus Milke, der Vorsitzende von Germanwatch. „Für die politische Glaubwürdigkeit Deutschlands brauchen wir einen Fahrplan zum sozialverträglichen Kohleausstieg.“ Auf der Klimakonferenz sei von Konferenzteilnehmern das Minimum geliefert worden. Jetzt müsse im kommenden Jahr intensiv verhandelt werden, damit beim Klimagipfel im polnischen Kattowitz 2018 eine Einigung auf robuste Regeln für den Klimaschutz gelinge. Aufgabe der Bonner Konferenz ist es gewesen, am konkreten Regelwerk zur Umsetzung der in Paris beschlossenen Klimakonvention zu arbeiten. Abgeschlossen werden soll dies möglichst im kommenden Jahr bei der Konferenz in Polen. Vielen Organisationen war es allerdings ein Anliegen, schon in Bonn Ergebnisse zu erzielen, weil von der polnischen Verhandlungsleitung weniger Ambitonen erwartet werden als von den vom Klimawandel wesentlich stärker betroffenen Fidschi-Inseln. Diese setzten gemeinsam mit anderen Staaten durch, dass die derzeitigen Klimaschutzaktivitäten der Staaten bilanziert und anschließend Steigerungen beim Klimaschutz beraten werden sollen. Jan Kowalzig, Klima-Experte von Oxfam Deutschland, sieht in diesem so bezeichneten „Talanoa-Dialog“ eine gute Nachricht der Bonner Konferenz. Wenn es damit gelinge, „allerorten“ den politischen Willen für mehr Klimaschutz deutlich zu erhöhen, könnte 2018 ein Wendepunkt werden. Auch Deutschland müsse sich wesentlich mehr anstrengen, sagt Hendricks. Doch auch am Streit darüber, wie dies in Deutschland erfolgen soll, ist die Nicht-Mehr-Jamaica-Koalition schon vor ihrem Start zerbrochen. Die Branchenvereine Bundesverband Erneuerbare Energie, Fachverband Biogas, Bundesverband WindEnergie und Bundesverband Solarwirtschaft fürchten nun eine Hängepartie. Die Energiewirtschaft könne angesichts der Korrekturbedürftigkeit beim Ausschreibungssystem, der dringend notwendigen Korrektur beim Eigenverbrauch und anderer Herausforderungen nicht monatelang auf eine handlungsfähige Regierung warten. Auch wenn Zwischenergebnisse der Sondierungsverhandlungen die Erneuerbare-Energien-Verbände, wie sie erklären, „nicht in jedem Punkt“ überzeugt hätten, so wäre damit gleichwohl „eine erfolgreiche Energiewende“ und ein Schub für die notwendige Sektorenkopplung ermöglicht worden. Stattdessen werde nun das Erreichen der Klimaschutzziele umso mehr in Frage gestellt. Im Umfeld der Verhandlungen hatten sich bereits Interessenkonflikte gezeigt. So erklärten Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, und BDEW-Präsident Johannes Kempmann, sie seien „in großer Sorge, dass um einer Einigung Willen beim Thema Energiepolitik Vereinbarungen mit negativen Auswirkungen auf Wachstum, Beschäftigung und Versorgungssicherheit getroffen werden.“ Gemeint hatten sie damit offenbar einen Einstieg aus dem Kohleausstieg. Text: Andreas Witt