Thomas Seltmann, Verbraucherzentrale NRW: Empfehlungen für den Einsatz von Stecker-Solar-Geräten

Thomas Seltmann (l.), Referent für Photovoltaik der Verbraucherzentrale NRW, im Gespräch mit Guido Bröer, Chefredakteur der Fachzeitschrift Solarthemen, auf dem SolarServer-Stand beim Forum Neue Energiewelt in Berlin. Foto: Tom Baerwald / Solarpraxis AG§Ein Photovoltaikmodul in einen Haushaltsstromkreis einspeisen zu lassen, kann langfristig Stromkosten mindern. Foto: Jan Stasik§Mit einem Stecker-Solar-Gerät können auch Mieter zu Strom-Prosumern werden.
Mit einer kleinen Photovoltaikanlage können auch Mieter Solarstrom - zum Beispiel auf dem Balkon - selbst erzeugen und so ihre Stromrechnung mindern. Welche Sicherheitsstandards dabei zu beachten sind und was im Umgang mit Vermietern und Netzbetreibern zu klären ist, erläutert Thomas Seltmann, Referent für Photovoltaik der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Interview.
Mit einer kleinen Photovoltaikanlage können auch Mieter Solarstrom – zum Beispiel auf dem Balkon – selbst erzeugen und so ihre Stromrechnung mindern. Welche Sicherheitsstandards dabei zu beachten sind und was im Umgang mit Vermietern und Netzbetreibern zu klären ist, erläutert Thomas Seltmann, Referent für Photovoltaik der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Interview.
Solarserver: Herr Seltmann, können Sie als Verbraucherschützer den Kauf einer Photovoltaikanlage für’s Balkongeländer empfehlen?
Thomas Seltmann: Wir nennen diese Systeme Stecker-Solar-Geräte und sehen sie nicht als Anlage, sondern als stromerzeugendes Haushaltsgerät. Ich würde diese Empfehlung gern uneingeschränkt geben. Leider haben viele Anbieter solcher Geräte ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und der Gesetzgeber macht die Nutzung der Systeme bürokratischer als es sein müsste.
Welchen Anteil seines Stromverbrauchs kann ein normaler Zwei-Personen-Haushalt mit einem typischen Stecker-Solar-Gerät erzeugen?
Platz ist häufig für ein bis zwei Solarmodule mit jeweils bis zu 300 Watt Leistung. Unter realen Bedingungen wird ein Modul etwa 200 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das ist etwa ein Viertel des Stromverbrauchs einer Person.

Lohnt sich das auch finanziell?
Unter optimalen Bedingungen kann sich ein Stecker-Solar-Gerät schon innerhalb von 10 Jahren amortisieren. Da hochwertige Solarmodule 20 bis 30 Jahre und länger arbeiten, wird es sich auch finanziell lohnen. Aber es ist eher eine langfristige Anschaffung, die keine kurzfristigen Geldvorteile bringt. Wir sehen aber auch andere Vorteile wie Lerneffekte zum bewussteren Umgang mit Strom und Energie im Haushalt, die weitere Kosteneinsparungen unterstützen.
Was passiert, wenn die Anlage Strom erzeugt, der in meinem Haushalt gerade nicht verbraucht wird?
Das ist faktisch bei einem bis zwei Modulen nur selten der Fall. Es fließt dann ein wenig Strom ins Netz, der je nach Zählertechnik erfasst wird oder auch nicht. Da es sich um sehr geringe Energiemengen handelt, sehen wir keine Notwendigkeit, dass Netzbetreiber hier aktiv werden. Der nordrhein-westfälische Netzbetreiber Westnetz sieht das nach unserer Kenntnis bei nur einem Solarmodul pro Haushalt auch so.

Ein Photovoltaikmodul in einen Haushaltsstromkreis einspeisen zu lassen, kann langfristig Stromkosten mindern. Foto: Jan Stasik
Kann ich eine Balkon-Solaranlage an eine normale Steckdose anschließen oder muss ich einen Elektriker bestellen?
Der Anschluss über Steckverbindungen in Haushaltsstromkreise ist durch Änderung der elektrotechnischen Installationsnorm seit kurzem auch formell zulässig. Uneinigkeit unter den Experten herrscht noch darüber, ob die in Haushalten übliche Schuko-Steckdose dafür geeignet und zulässig ist. Wer hier ganz auf Nummer sicher gehen will, kann den Elektriker beauftragen, die vorhandene Schuko-Steckdose gegen eine spezielle Einspeisesteckdose austauschen zu lassen. Der Elektriker kann dann auch prüfen, ob der Stromkreis für die Solar-Einspeisung geeignet ist, so wie es die Installationsnorm vorsieht.
Sind die Anlagen denn sicher? Immer wieder hört man, dass Stromversorger von ihrem Einsatz abraten.
Versorger, Netzbetreiber und Behörden haben in der Vergangenheit mit Horrormeldungen vor der Nutzung der Geräte gewarnt. Diese Warnungen waren völlig übertrieben und basierten größtenteils auf unrealistischen oder auch falschen Annahmen. Und sie sind mit der nun geänderten Installationsnorm hinfällig. Inzwischen liegen außerdem wissenschaftlich fundierte Untersuchungen und Studien zu diesen Fragen vor, die keine wesentlichen Gefahren aufzeigen. Der Betrieb vieler anderer Haushaltsgeräte wie Wäschetrockner, Bügeleisen und Toaster ist weitaus gefährlicher.
Wie kann ich Spreu vom Weizen unterscheiden?
Wichtig ist, dass der Anbieter das Gerät anschlussfertig anbietet. Es darf also nicht so sein wie bei einzelnen Anbietern, dass der Anwender beispielsweise an ein offenes Kabelende erst den Stecker anklemmen muss. Das darf nämlich nur ein Elektriker. Zur Zeit wird an einer Produktnorm für diese Solar-Geräte gearbeitet. Übergangsweise hat die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie auf der Internetseite www.pv-plug.de einen Sicherheitsleitfaden veröffentlicht, der die wichtigsten Punkte beschreibt.
Mit einem Stecker-Solar-Gerät können auch Mieter zu Strom-Prosumern werden.
Muss ich meinen Vermieter fragen, bevor ich eine Balkonsolaranlage installiere?
Das hängt von den Regelungen des Mietvertrages ab. In der Regel dürfte es so sein. Das gleiche gilt übrigens für Eigentumswohnungen, hier muss die Eigentümergemeinschaft zustimmen.
Empfehlen Sie, die Anlage beim Netzbetreiber anzumelden?
Da es sich aus meiner Sicht nicht um eine Anlage, sondern ein Haushaltsgerät handelt, würde ich das gern verneinen. Die gesetzliche Grundlage hierzu ist derzeit aber nicht eindeutig, beziehungsweise es fehlt eine Bagatellregelung.
Was ist, wenn der Netzbetreiber von einer Installation abrät oder teure Auflagen verlangt?
In einem Rechtsstreit zu dieser Frage zwischen Greenpeace Energy und einem Netzbetreiber wurde festgestellt, dass der Netzbetreiber dafür schlicht nicht zuständig ist. Vielmehr regelt die Installationsnorm die technische Zulässigkeit, und die ist ja jetzt gegeben.
Photovoltaikanlagen müssen normalerweise auch bei der Bundesnetzagentur von ihrem Betreiber registriert werden. Gilt das auch für kleine Balkongeräte, für die keine EEG-Vergütung verlangt wird?
Auch hier geht die Meinung der Juristen auseinander. Formal scheint es so zu sein, dass eine Meldung als „Anlage“ gefordert wird. Auch hier fehlt eine Bagatellregelung für Solarmodule, die eigentlich keine Anlage sind, sondern Haushaltsgeräte. Da man jedoch für sein Balkonmodul in der Regel keine EEG-Vergütung in Anspruch nehmen wird, sind die Sanktionsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur eingeschränkt. Wir schlagen vor, entsprechende Bagatellregelungen in den Gesetzen zu schaffen, um hier eine ungewollte Kriminalisierung und Bürokratisierung der Verbraucher zu verhindern.
An wen kann ich mich wenden, wenn ich mir noch unsicher bin, ob ich eine solche Anlage kaufen möchte und welche die richtige für mich ist?
Einige Informationen finden sich auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW. Der Bereich wird gerade aktualisiert. Wir sind auch an konkreten Fragen von Verbrauchern zu diesem Thema interessiert, um die dringend notwendige Entbürokratisierung von Prosumern – also der wachsenden Zahl von Menschen, die Strom nicht nur verbrauchen, sondern auch selbst produzieren – zu unterstützen.
Das Interview mit Thomas Seltmann führte Guido Bröer, Chefredakteur der Fachzeitschrift Solarthemen, während des Forums Neue Energiewelt in Berlin.

07.12.2017 | Quelle: Solarthemen | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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