Peter Stratmann, Bundesnetzagentur: Energiewende für alle möglichst preiswert machen!

Solarthemen. Peter Stratmann leitet das Referat für Erneuerbare Energien der Bundesnetzagentur. Im Solarthemen-Interview erklärt er, warum er es für den Erfolg der Energiewende entscheidend findet, dass Eigenverbraucher zur Finanzierung des Systems herangezogen werden. Stratmann meint, dass Mieterstrom besser „Vermie­ter­strom“ heißen sollte, und er erklärt, warum das Marktstammdatenregister keine Bagatellgrenze kennt.

Solarthemen: Herr Stratmann, die Energiewende ist Ihr Job. Wie zufrieden sind Sie mit deren Fortschritt.

Peter Stratmann: Ja, Energiewende ist mein Job, und das ist auch mein Herzensanliegen. Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, jetzt hauptberuflich zu tun, was ich früher als Hobby betrieben habe. Ich bin seit Jahrzehnten Mitglied im Bund für Umwelt- und Naturschutz und freue mich, wenn Deutschland einen Beitrag dazu leistet, dass die Welt ein besserer Ort wird. Eine der Hausaufgaben ist dabei die Bereitstellung von Energie. Ich finde es ganz hervorragend, dass Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen hat, obwohl wir dafür nicht die günstigsten naturräumlichen Bedingungen haben. Ich reiße mir gerne auch persönlich ein Bein aus, damit wir hier erfolgreich sind. Und ich freue mich, in der Bundesnetzagentur an der Regelsetzung mitarbeiten zu können, beispielsweise daran, dass der Einspeisevorrang erhalten bleibt, auch wenn aus Brüssel diesbezüglich gerade einiges auf uns zukommt. Wir sind mit der Energiewende viel besser auf dem Weg als die Unkenrufe sagen.

Nicht alles, was dazu von der Bundesnetzagentur kommt, wird von Menschen, die sich ähnlich von Herzen wie Sie für die Energiewende engagieren, für zielführend erachtet. Beispiel: PV-Eigenverbrauch. Dazu geben Sie einen Leitfaden mit 135 Seiten heraus – wa­rum machen Sie es so kompliziert?

Der Leitfaden ist deshalb so kompliziert, weil die Rechtslage so kompliziert ist. Als wir den geschrieben haben, gab es zum Eigenverbrauch nur einen einzigen Paragraphen im EEG 2014. In dem stand, dass EEG-Umlage auf die verbrauchte Strommenge zu zahlen ist und nicht auf die aus dem Netz entnommene. Davon sollten nur ein paar Ausnahmen gelten. Dann haben wir angefangen dies auf die Praxis herunterzubrechen, und das ist nun mal irre kompliziert. Aber kompliziert ist das vor allem für Industriekunden. Für die allermeisten Haushalts-Eigenversorger, die unter 10 kW Leistung bleiben, ist der Leitfaden nur eine halbe Seite lang: „Du bist befreit – Tschüss!“ Für alle, die sich zum Beispiel einen Speicher daneben stellen, oder die eine größere Anlage haben, für die wird es nun mal komplexer und daher brauchen die eine Erklärung. Ich glaube, dass den Leuten weniger geholfen wäre, wenn wir weniger geschrieben hätten.

Mal ganz platt gefragt: Was geht es Ihre Behörde überhaupt an, wenn jemand seinen erzeugten Strom selbst verbraucht. Die Kilowattstunden erreichen nicht das öffentliche Netz.

Die Behörde hat damit zu tun, weil wir uns dafür verantwortlich fühlen, dass bei der EEG-Umlage und bei der EEG-Förderung alles mit rechten Dingen zugeht. Wir finden es richtig, dass die Gesellschaft sich entschieden hat, viel Geld auszugeben, um Anlagen zu fördern. Wir finden es aber nicht richtig, wenn Leute sich mehr Geld in die Tasche stecken, als gesetzlich vorgesehen ist. Das verteuert den Spaß unnötig und raubt dem ganzen Projekt Akzeptanz.

Wen meinen Sie? Den Eigenheimbesitzer, der für seinen PV-Strom keine EEG-Umlage zahlt?

Nein. Aber zum Beispiel müssen wir aufpassen, dass Leute bei der kaufmännisch-bilanziellen Volleinspeisung aus einer PV-Anlage über eine Kundenanlage nicht herumtricksen. Sonst bekämen sie eine doppelte und dreifache Vergütung. Dann würde diese Anlage durch den Bruch von Gesetzen dramatisch überfördert. Dafür fühlen wir uns zuständig. Wir müssen Netzbetreibern dabei helfen, diese Regelung richtig zu exekutieren. Wenn der Gesetzgeber aufschreibt, auf Eigenverbrauch ist 40 Prozent EEG-Umlage zu entrichten, dann sind nicht wir diejenige, die das aufschreiben, aber wir helfen allen Beteiligten, diese Regelung einzuhalten. Wenn Sie mich fragen, ob ich das richtig finde, dass auf Eigenverbrauch EEG-Umlage zu zahlen ist, …

Das frage ich Sie!

Ich halte es für richtig, dass der Eigenverbraucher sich an den Systemkosten beteiligen muss. Nehmen wir mal die Netzentgelte. Bisher gibt es kein Eigenverbrauchs-Netzentgelt. Das halte ich für falsch. Wir sollten eines einführen. Denn wenn ich eine PV-Anlage auf dem Dach habe, zahle ich weniger Netzentgelt als mein Nachbar. Wenn ich aber vor Weihnachten Plätzchen backe, dann trägt die PV-Anlage auf dem Dach dazu nichts bei, obwohl ich gerade meinen höchsten Stromverbrauch habe und das Netz mir in voller Schönheit zur Verfügung steht. Das gilt ebenso für Industriekunden mit einer großen Eigenversorgungsanlage. Es ist einfach nicht sachgerecht, dass die kaum Netzentgelt bezahlen. Denn mit oder ohne Eigenversorgung wird genau das gleiche Netz mit der gleichen Leistung und den gleichen technischen Eigenschaften bereitgestellt. Und kein Bürgermeister dieser Welt würde es ertragen, dass eine große Fabrik in seiner Stadt stillsteht, nur weil gerade deren Eigenversorgungsanlage Schluckauf hat.

Man könnte doch die Eigenversorgung mit Strom einfach als Energiesparmaßnahme begreifen. Schließlich führt kein Hausbesitzer, der seine Fassade dämmt, dafür Netzentgelte an den Gasnetzbetreiber ab, obwohl er ja künftig weniger Gas verbraucht und somit weniger zum Unterhalt des Gasnetzes beiträgt.

In der Tat gelangen viele Experten zu der Auffassung, dass sowohl das Strom- als auch das Gasnetz mit einer einheitlichen Jahrespauschale bezahlt werden sollte. Dann wäre es egal, ob ich mein Gebäude dämme, denn ich bezahle für das Netz immer gleich viel. Das ist aber nicht meine Auffassung, denn ich glaube, dass wir auch eine soziale Komponente zu berücksichtigen haben. Ich selbst würde mit meiner großen Familie und meinem relativ hohen Stromverbrauch dann nämlich nicht mehr mehr bezahlen als die Oma nebenan. Das fände ich nicht richtig.

Stichwort Soziales: Mieterstrom. Da haben wir nun ein neues Gesetz, das die Sache fördern soll. Aber der Häuslebesitzer kann den Mieter seiner Einliegerwohnung immer noch nicht mit Solarstrom vom eigenen Dach versorgen, ohne damit gleich eine bürokratische Lawine loszutreten.

Dem Gesetzgeber ist leider eine Silbe verlorengegangen, als er das „Mieterstrom-Gesetz” aufgeschrieben hat. Es ist ein „Vermieterstrom-Gesetz”. Der Anlagenbetreiber bekommt eine zusätzliche Vermarktungsmöglichkeit. Er kann den Solarstrom an die Bewohner das Hauses verkaufen, auf dem die Anlage montiert ist, und er bekommt dafür eine Förderung. Vorher kursierte die Vorstellung, ein „Grünstromprivileg 2.0” einzuführen, so dass man unter bestimmten Voraussetzungen keine EEG-Umlage bezahlen müsste. Das würde aber dazu führen, dass wir in vielen Fällen eine dramatische Überförderung haben würden. Die sehr sorgfältige Kalkulation des Bundeswirtschaftsministeriums hat ergeben, dass man für ein Mieterstrommodell 3,5 Cent braucht. Die EEG-Umlage liegt aber bei fast 7 Cent. Das heißt, man hätte eine doppelt überhöhte Förderung eingeführt. Wenn wir jeden, der eine gute Idee hat, warum er gerne billiger gestellt werden möchte, tatsächlich billiger stellen, dann machen wir es für diejenigen, die die Zeche noch bezahlen, immer teurer. Wir sollten mit den Euros, die wir für die Energiewende ausgeben, sorgsam umgehen. Wir sollten dafür sorgen, dass es für alle billig wird und nicht für den einzelnen.

Anderes Thema: Ihr Marktstammdatenregister. Es kursieren schon Vergleiche mit dem Berliner Flughafen. Wann kommt es denn nach aktueller Prognose?

Wenn schon Vergleiche, dann bitte mit dem Kölner Dom – nach 600 Jahren Bauzeit ist der fertiggeworden. Wir gehen im Moment ganz fest davon aus, dass wir im Sommer nächsten Jahres fertig sind. Das genaue Startdatum verkünden wir am 1. Februar.

Dann erklären Sie doch bitte nochmal: Warum tun Sie sich dieses Mammutprojekt an?

Es ist in der Tat ein Mega-Mammutprojekt! – Warum das Ganze? – Weil wir an sehr vielen Stellen – beispielsweise für die Versorgungssicherheit, für die Bezahlbarkeit, für die Politikplanung, für die Förderauszahlung – statistische Daten brauchen. Mein Referat ist permanent damit beschäftigt, aus verschiedenen Quellen Statistiken zusammenzusuchen, die die jeweilige Fragestellung zu beantworten helfen. Das ist deshalb so schwierig, weil wir bis heute nur sehr unvollständige Register haben. Und zwar sowohl bei uns als auch bei anderen Behörden als auch bei den Statistik-Ämtern. Aber auch bei den Verbänden und leider auch bei vielen Netzbetreibern. Das merken wir aktuell, weil wir jetzt schon für das Marktstammdatenregister bei den Netzbetreibern Daten einsammeln. Da gibt es viele, die uns auf Knopfdruck die Daten in guter Qualität zur Verfügung stellen konnten. Aber es gibt auch viele, bei denen es Kraut und Rüben ist. Die haben teilweise drei verschiedene Datenhaltungen – eine für die Anlagen, eine für die Förderungen und eine für den Netzbetrieb. Die bekommen sie selbst nicht übereinander. Das liegt auch daran, dass EEG-Anlagenschlüssel mit zig Nullen in der Mitte verwendet werden, die niemand ohne Tippfehler richtig eingeben kann. Wegen europäischer Meldepflichten versuchen wir gerade, Anlagendaten einander zuzuordnen – es geht aber nicht. Deshalb brauchen wir ein neues Register. Und jetzt wollen wir ein Register haben, dass wirklich in allen Situationen genutzt werden kann, so dass sich am Ende sogar Bürokratieentlastung ergibt. Wenngleich es beim Aufbau jetzt natürlich erstmal Belastung bedeutet.

Sie würden es sich und allen Beteiligten leichter machen, wenn es im Register eine Bagatellgrenze gäbe. Wa­rum gibt es die nicht?

Weil das eine verbreitete Vermutung ist, die aber gar nicht wahr ist. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es eine Bagatellgrenze gäbe, dann hätten wir Gezänk um die Bagatellgrenze. Deshalb: Man trägt alles ein. Das dauert zehn Minuten, und das war’s.

Um das nochmal klar zu stellen: Jedes Balkon-Solarmodul muss künftig ins Marktstammdatenregister eingetragen werden?

Ja selbstverständlich. Es hat ja eine Netzrückwirkung.

Das gilt doch auf der anderen Seite auch für jedes Haushaltsgerät. Mein Küchenherd hat die dreißigfache Leistung eines Stecker-Solarmoduls.

Meldepflicht für Haushaltsgeräte machen wir demnächst. – Nein – das war nur Spaß! Wenn ihr Haus brennt, ist Ihr Herd im Zweifelsfall aus. Die Solaranlage arbeitet dann aber noch besser, weil sie bei Feuer die doppelte Beleuchtung bekommt. Das ist ein Unterschied. Man muss es nicht so sehen, aber ich neige dazu, es so zu sehen: Wenn ich Stromerzeuger bin, dann spiele ich in dem Spiel mit und dann gelten für mich andere Regeln, als wenn ich nur Stromverbraucher bin. Ob es eine kluge Idee ist, dass wir hinter dem Zähler die EEG-Umlage abgreifen, ist eine andere Frage. Da können Sie mein Herz schnell gewinnen, wenn Sie meinen, dass dies nicht der beste Weg ist. Da muss man über andere Verfahren nachdenken, wie auch der Eigenerzeuger sich an den Systemkosten beteiligt. Das ändert aber nichts daran, dass jemand, der Strom erzeugt, Teil des Spiels ist – und zwar mehr, als wenn er Strom verbraucht. Dazu muss er sich an bestimmte Regeln halten. Dazu gehört, dass wir erstmal erfahren müssen, dass es die Anlage gibt. Sie muss deshalb im Marktstammdatenregister eingetragen werden. Der Aufwand ist durchaus überschaubar. Sie werden das sehen, sobald das System da ist. Wir bemühen uns sehr, dieses so nutzerfreundlich zu
machen, dass man es leicht versteht.

Interview: Guido Bröer
Foto: Bundesnetzagentur

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