Solarwärme harmoniert mit Beton

Solarthemen. Auf der Suche nach kostenoptimierten Gebäuden mit geringem Energieverbrauch und hohem solaren Deckungsgrad setzen Spezialisten zunehmend auf die solare Betonkernaktivierung. Vorteil: Die Solarkollektoren arbeiten im Win­ter mit hoher Effizienz. Nachteil: Die Regelung will gekonnt sein.

Das klassische Sonnenhaus, das nach dem Konzept des Schweizer Pioniers Josef Jenni um einen großen Wasserspeicher herum gebaut wird, hat inzwischen Konkurrenz bekommen. Wenn es um Gebäude mit hohen solaren Deckungsraten geht, setzt eine Avantgarde unter den solaren Baumeistern zunehmend auf das Konzept der solaren Bauteilaktivierung. Wahlweise spricht man auch von Betonkernaktivierung, denn in der Regel sind es Zwischendecken oder Bodenplatten aus Stahlbeton, in die ähnlich einer klassischen Fußbodenheizung schlangenförmig verlegte Heizungsrohre eingegossen werden. Mitunter werden die Rohre auch in Wände einbetoniert. Und zwar nicht, wie bei einer klassischen Fußboden- oder Wand­heizung in die oberflächliche Estrich- beziehungsweise Putzschicht, sondern direkt in das konstruktive Bauteil, dessen Masse als Wärmespeicher genutzt wird. Die Wärme wird verzögert und ungeregelt in die angrenzenden Räume abgegeben. Auf diese Weise entsteht ein extrem träges Heizungssystem, das in Verbindung mit der Solarthermie zwei wesentliche Vorteile hat: Zum einen wird die Speicherka­pa­zität des Bauwerks selbst genutzt. Ein – womöglich über mehrere Etagen reichender – Wasserspeicher wird verzichtbar. Zum anderen reichen zur direkten Abgabe der Wärme an die Räume wenige Grad Temperaturunterschied zur Solltemperatur des Raumes. Indem die Bauteile direkt von der Flüssigkeit des Solarkreislaufes durchflossen werden, können die Solarkollektoren mit so niedrigen Arbeitstemperaturen betrieben werden, dass sie auch im Winter bei geringer Solareinstrahlung schon ihre Energie auf einem nutzbaren Temperaturniveau an das System abgeben können. Hoher Effizienzstandard Damit diese Philosophie aufgeht, seien allerdings einige praktische Dinge zu beherzigen, berichtet Andreas Schu­ster. Der Wirtschaftsingenieur und Inhaber eines zweiten Diploms für Versorgungstechnik hat mit seinem Haustechnik-Betrieb im ostbayerischen Büchlberg neben vielen klassischen Sonnenhäusern bereits mehrere Gebäude mit solarthermischer Bauteilaktivierung realisiert. So macht der Einsatz solarisierten Betons nach Schusters Erfahrung nur Sinn, wenn die Gebäudehülle mindestens Passivhausstandard erfüllt. Seine Begründung: „Der wesentliche Vorteil niedriger Aufnahmetemperaturen für die Solarthermie kommt ja nur zum Tragen, wenn das Gebäude mit dieser niedrigen Temperatur auch etwas anzufangen weiß.“ Steile Kollektoren Wichtig findet Schuster ferner, dass die Kollektoren sehr steil – möglichst mit 75 bis 90 Grad Neigung – arrangiert werden. Einerseits, damit sie im Winter aus geringer Solarstrahlung bei flach stehender Sonne das Optimum herausholen. Andererseits, damit sie im Sommer das Gebäude nicht überhitzen. Denn Wärmemengen, die einmal in die Wand oder Decke eingebracht worden sind, die bekommt man so schnell nicht wieder aus dem Gebäude heraus. Ein Sonnenhaus mit aktivierten Bauteilen ist träge – in die eine wie in die andere Richtung. Insofern müssen sich Bewohner oft erst daran gewöhnen, dass sich die Heizung nie und nirgends warm anfühlt. Anders als bei einer Fußbodenheizung oder gar Radiatoren kann man nicht mit der Hand kontrollieren ob die Heizung funktioniert. Die beheizten Wände, Decken und Böden sind mit 22 bis 25 Grad Celsius nicht spürbar wärmer als die Raumluft. Dadurch komme es mitunter zu Missverständnissen zwischen Planern, und Bewohnern, berichtet Georg Dasch, Architekt und Vorsitzender des Sonnenhaus-Instituts: „Leider versteht nicht jeder, dass unsere Leistung nicht in einer warmen Heizung besteht, sondern in einem warmen Raum“. Nicht von der Stange Wobei Räumwärme relativ ist – und auch dass ist eine Herausforderung für den Planer, wie Andreas Schuster weiß: Ein Schlafzimmer mit gerin­geren Temperaturen zu versor­gen als das benachbarte Wohnzim­mer sei in einem Gebäude mit aktivierten Bauteilen und hochgedämmter Außenhülle keine triviale Aufgabe. Steuern lässt sich dies beispielweise über unterschiedliche Bodenbeläge mit unterschiedlichen Dämmeigenschaften. Apropos Boden: „Mit den typischen Bodenaufbauten bekommen wir mit der Betonkernaktivierung ein Prob­lem“, berichtete Schuster im Novem­ber bei einem Praxisworkshop des Sonnenhaus-Instituts. Weil heute gängige Systeme zur Trittschalldämmung zugleich auch Wärme dämmen, und die Abstrahlung der Betondecken nach oben zu stark reduzieren würden, musste sich Schuster nach Alter­na­tiven umschauen. Statt beispielsweise Blähgranulate wie Perlite im Fußboden einzusetzen hat er nunmehr mit be­stimm­ten Arten von Gesteinssplit gute Erfahrungen gemacht. Auch manche Mode passt nicht zum modernen Sonnenhaus. So versucht Schuster seine Kunden zu überzeugen, dass die heutige Vorliebe, Südfenster bis zum Boden gehen zu lassen, sich nicht gut mit einem extrem trägen Heizungssystem verträgt. Denn während die untere Hälfte eines solchen Fensters für die Helligkeit im Raum subjektiv nicht viel bringt, verdoppelt sie den Energieeintrag. Bei einem ohnehin grundwarmen Haus wird das schnell zu viel, so dass Fenster verschattet werden müss­ten, sobald die Sonne scheint. Ein bauteilaktiviertes Haus durch vorsorgliche Regelung wechselnden Witterungen anzupassen, bedarf einiger Erfahrung. Kostensenkung als Ziel Ein neues Sonnenhauskonzept mit solarthermisch aktivierten Geschossdecken, das in den letzten zwei Jahren vom Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) zusammen mit der Helma Eigenheimbau AG an einem Prototypen erprobt wurde, setzt deshalb auf einen Mix solarer Einspeiseobtionen und eigens dafür entwickelte neuartige Regelungsalgorithmen. Die Kollektoranlage von 30 Quadratmetern auf dem 45-Grad-Dach kann wahl­weise im Winter die Betondecken beschicken oder einen kleinen 1-Kubikmeter-Pufferspeicher, der für die Trinkwarmwasserbereitung sorgt und zusammen mit einer Wärmepumpe ein klassisches Heizungssystem mit Radiatoren bedient. Als dritte Option, wenn im Haus keine Wärme gebraucht wird, regenerieren die Kollektoren einen kleinen Erdwärmetauscher im Garten, aus dem die Wärmepumpe ihre Umweltwärme zieht. Die ISFH-Forscher belegten in dem 2-jährigen Test nicht nur, dass es ihr neues Konzept bei einem Stromverbrauch von knapp 8 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr mit Passiv- und klassischen Sonnenhäusern aufnehmen kann. Sie ermittelten auch Baukosten, die um 28 Prozent unter denen eines gleichwertigen Sonnenhauses mit Wasserspeicher liegen. Wasserspeicher hat auch Vorteile Auf die klassische Bauweise allerdings lässt Andreas Schuster trotz und gerade wegen seiner positiven Erfahrungen mit aktivierten Betonteilen nichts kommen. Denn Wasser habe trotz seiner geringeren Masse eine höhe­re spezifische Energiespeicherkapazität als Beton, erklärt er. „Deshalb würde ich das klassische Sonnenhaus mit großem Pufferspeicher an Stand­orten, wo es im Winter oft neblig oder trübe ist, einer Betonkernaktivierung vorziehen.“ Und zwei denkbare Alternativen kommen für Schuster nicht ohne weiteres in Frage. Ein klassisches Heizungssystem mit der Betonkernaktivierung zu kombinieren, hält er – im Gegensatz zum ISFH-Konzept – nicht für sinnvoll. Und die Decken und Wände einfach dicker zu machen, sei auch keine Alternative, weil man damit schnell an statische Grenzen stoße. Text: Guido Bröer, Foto: ISFH

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