Amtsgericht widerspricht Bundesgerichtshof

Foto: Guido Bröer
Das Amtsgericht Ratzeburg hat dem Spruch des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rückzahlung bereits erhaltener EEG-Vergütungen bei versäumten Meldepflichten in einem eigenen Urteil aus­drück­lich widersprochen. Tausende betroffene EEG-Anlagenbetreiber könnten daraus Hoffnungen ableiten.

Das Grundsatzurteil des BGH vom 5. Juli 2017, wonach Anlagenbetreiber ihre seit 2012 bereits erhaltenen EEG-Vergütungen zum überwiegenden Teil oder ganz zurückzahlen müssen, weil sie ihre Anlagen nicht rechtzeitig bei der Bundesnetzagentur angemeldet hatten (vgl. Solarthemen+plus vom 6.7.2017), wird von dem Ratzeburger Amtsrichter schlicht nicht anerkannt, weil der BGH nach seiner Auffassung den Willen des Gesetzgebers nicht korrekt ausgelegt hatte. In der juristischen Praxis kommt es zwar nicht oft vor, dass ein Amtsrichter einem letztinstanzlichen Grundsatzurteil wissentlich widerspricht, aber es ist im deutschen Rechtssystem im Prinzip immer möglich. Und in diesem Fall wird es von vielen Experten auch für richtig gehalten. Sogar das für erneuerbare Energien zuständige Rechtsreferat des Bundeswirtschaftsministeriums hatte in einer Veranstaltung der Clearingstelle EEG zu Meldeverstößen (vgl. Solarthemen+plus vom 13.10.2017) bereits im Oktober 2017 öffentlich kritisiert, dass der BGH einen entscheidenden Satz in der Gesetzesbegründung der jüngsten EEG-Fortschreibung nicht gewürdigt habe. BGH ignorierte neue Rechtslage Denn nach der neuesten EEG-Änderung zu dieser Thematik, die der Bundestag mit dem Mieterstromgesetz im vergangenen Sommer – kurz vor dem BGH-Spruch – rückwirkend beschlossen hat, sollen Anlagenbetreiber, die ihre Meldepflicht versäumt haben, generell nur den Anspruch auf einen 20 prozentigen Anteil ihrer EEG-Vergütungen beziehungsweise -Marktprämien für den Zeitraum des Meldepflichtverstoßes verlieren. Der BGH hatte die 20-Prozent-Regel freilich nur für Anlagen akzeptiert, die nach dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden. Das Amtsgericht Ratzeburg verweist indes auf die eindeutige Gesetzesbegründung zum Mieterstromgesetz hin. Es setze sich damit als erstes Gericht über die Rechtsauffassung des BGH hinweg sagt Rechtsanwalt Sebastian Lange von der Berliner Projektkanzlei Lange, der in diesem Verfahren die auf Rückzahlung verklagte Anlagenbetreiberin vertreten hat. Ebenso wie seinerzeit der BGH hatte auch das Amtsgericht Ratzeburg jetzt über eine Klage der Schleswig-Holstein Netz AG zu entscheiden. Die betreffende PV-Anlage wurde im April 2012 in Betrieb genommen, jedoch erst im März 2015 der Bundesnetzagentur gemeldet. Grundsätzlich besteht die Meldepflicht im Anlagenregister der BNetzA bereits seit 2009. Verstöße sanktionierte das EEG jedoch erst seit 2012. Zunächst galt, dass sich der Vergütungsanspruch für die Dauer des Pflichtverstoßes auf die Höhe des Marktwerts des eingespeisten Stroms verringerte. Durch das EEG 2014 verschärfte der Gesetzgeber diese Bedingung noch, so dass sich der anzulegende Wert für Vergütung oder Marktprämie „auf null“ verringert, solange der Anlagenbetreiber der Bundesnetzagentur keine Daten meldet. Mit Gesetzesänderung vom 22.12.2016 hat der Gesetzgeber dann allerdings eine rückwirkende Änderung der Sanktionsnorm beschlossen. Demnach soll sich der Vergütungs­anspruch unter bestimmten Voraussetzungen nur noch um 20 Prozent reduzieren, und zwar rückwirkend für alle Stromeinspeisungen ab dem 1. August 2014. In der Begründung zum Mieterstromgesetz präzisierte der Gesetzgeber dann, dass es unerheblich sei, wann die Anlage, in welcher der Strom erzeugt wurde, in Betrieb ging. Rechtsanwalt Lange sagt: „Für die betroffenen PV-Anlagenbetreiber bleibt zu hoffen, dass viele weitere Gerichte der Rechtsprechung des BGH nicht blind folgen und sich vielmehr der Rechtsauffassung des AG Ratzeburg anschließen werden.” Anlagenbetreibern, die bereits Vergütungen zurückgezahlt hätten, rät er, ihrerseits nun über eine Rückforderung vom Netzbetreiber nachzudenken und damit wegen der Verjährungsfristen nicht lange zu warten. Text + Foto: Guido Bröer

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