Interview mit Michael Sladek: Bürgern mehr Freiräume geben

Solarthemen. Michael Sladek gründete zusammen mit seiner Frau Ursula und einigen anderen Schönauer Bürgern 1994 die Elektrizitätswerke Schönau. Er setzt sich – mehrfach ausgezeichnet – für eine bürgernahe Energiewende ein und verfolgt aktiv seit mehr als 30 Jahren die energiepolitischen Entwicklungen. Die Solarthemen sprachen mit ihm über Trends und Hindernisse einer umweltfreundlichen Energieversorgungsstruktur.

Solarthemen: Verbunden mit der Gründung der EWS war ein partizipativer Ansatz. Die Netze sollten in die Hände der Bürger gelangen. Ist das erreicht worden?

Michael Sladek: Der Ansatz von damals ist heute genauso aktuell. Auch im Rahmen neu aufkommender Geschäftsmodelle werden die Verteilnetze als Basis eine starke Rolle spielen. Als wir damals das Stromnetz übernommen haben, war die Verteilung rein unidirektional, also eine Einbahnstraße vom Erzeuger zum Verbraucher. Jetzt kommt die bidirektionale Verteilung in Kombination mit der dezentralen Erzeugung hinzu. Das ist eine große Herausforderung für die Verteilnetzbetreiber. Dabei beobachte ich eine tolle Entwicklung, denn die Partizipation der Bürger sowohl bei Erzeugung und Verteilung nimmt zu. Das hätte ich damals so nicht für möglich gehalten.

Als Sie in Schönau anfingen, war Ihnen die Trennung von Netz und Erzeugung wichtig.

Dafür habe ich immer gekämpft. Zuvor war bei der Energieversorgung alles in einer Hand sozusagen von der Stromproduktion bis zur letzten Funzel. Wir haben für das Unbundling gekämpft. Mittlerweile muss man aber wohl noch einmal darauf schauen, ob eine ganz scharfe Trennung noch stimmig ist.

Wo haben Sie Zweifel, dass es noch richtig ist?

Das betrifft zum Beispiel die Frage des Lastmanagements. Um es einfach zu sagen: Man muss auch als Verteilnetzbetreiber Strom in die Hand nehmen, etwa zum Ausgleich der Netzverluste. Eine rigide Trennung erschwert hier die Praxis. Das Unbundling war ebenso wie das EEG sehr wichtig. Aber bei den Stellschrauben müssen wir nun korrigierend eingreifen, wenn wir zum Beispiel an Sektorkopplung und Mieterstrom denken.

Die Bürger nehmen im Strommarkt Einfluss als Konsumenten. Sie kaufen und treffen eine Entscheidung, zum Beispiel für Ökostrom. Aber ist der Strommarkt transparent genug?

Ökostrom ist kein genau definierter Begriff. Es tummeln sich hier sehr viele Anbieter, aber es kommt beim Ökostrom entscheidend darauf an, was der Ökostromanbieter für die Umsetzung der Energiewende und für die Beteiligung der Bürger tut, und deshalb muss man die Spreu vom Weizen trennen. Für die Konsumenten ist das nicht einfach, vor allem, wenn sie nur auf den Preis schauen. Auf den Portalen sieht man fast nur den Preis, aber man erfährt nichts von der Ausrichtung des Unternehmens, von mit der Tätigkeit eventuell verknüpften politischen Zielen. So waren ja der Ausstieg aus der Atomenergie und der Aufbau einer sauberen Energieversorgung für uns der Grund, die Elektrizitätswerke Schönau, die EWS, zu gründen. Wir verstehen unsere Kunden daher auch eher als Mitstreiter einer Bewegung. So zahlen einige sogar freiwillig mehr, damit der Sonnencent in den Aufbau neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen fließen kann. Konsumenten sind auch Gestalter der Zukunft.

Was halten Sie von den neuen technologischen Trends, also Angeboten zum Strom-Sharing für Prosumenten?

In Schönau haben wir selbst einen Feldversuch laufen. Dafür setzen wir moderne und hoch leistungsfähige IT ein. Welch hochkomplexe Abläufe im Hintergrund ablaufen, davon spürt der Kunde überhaupt nichts. Der Gedanke der Community, des Gemeinschaftsstroms ist für uns im Moment ein großes Thema. Und wir haben das Glück, dass wir ein eigenes Netzgebiet haben, wo wir etwas probieren und Verfahren austesten können. Das machen wir gemeinsam mit den Menschen vor Ort, die eingebunden sind, die PV-Anlagen und BHKW haben, die sich miteinander vernetzen. Und dabei geht es aber nicht nur um den eigenen Nutzen des Anlagenbetreibers, sondern auch um Solidarität. Um dies zu ermöglichen, brauchen wir diese hochmoderne IT. Wir arbeiten dabei mit dem Freiburger Fraunhofer-Institut zusammen und mit einem Start-up-Unternehmen, mit dem wir jetzt unseren Feldversuch gestartet haben.

Mittlerweile können sich Stromkäufer einen bestimmten Erzeuger aussuchen. Entspricht das schon Ihrem Ideal der Partizipation?

Verbraucher und Erzeuger müssen viel näher aneinander rücken. Das müssen die Systeme ermöglichen. Im Detail sind dafür noch viele Fragen zu klären, zum Beispiel zur Messtechnik. Und der Verteilnetzbetreiber muss dabei mitspielen. Wichtig ist aber auch, dass sich viele Konsumenten an der Produktion beteiligen können, möglichst in einer Genossenschaft. In einer Genossenschaft können die Menschen gemeinsam Verantwortung übernehmen, sowohl bei der Erzeugung als auch beim Verbrauch. Wir reden ja viel zu häufig nur über die Produktion und hinterfragen den Verbrauch nicht.

Die Produktionskosten sind gesunken und es gibt mehr technologische Optionen für den Handel. Für mich stellt sich dennoch die Frage, ob jeder Erzeuger tatsächlich die gleichen Chan­cen im Handel hat und ob die Investitionen ausreichend abgesichert sind.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat diese Absicherung beinhaltet. Aus meiner Sicht war es eines der besten Gesetze, das wir je hatten. Und nur das EEG hat diesen Ausbau bei den Erneuerbaren gebracht. Aber das EEG in der bisherigen Form läuft jetzt aus. Die über das EEG gesicherte Abnahme des Stroms wird sich in Zukunft möglicherweise nicht mehr realisieren lassen. Wir müssen jetzt neue Instrumente schaffen, um den Klimaschutz voranzubringen. Dabei hat die von uns zusammen mit anderen geforderte CO2-Abgabe eine herausragende Bedeutung. Das EEG hat den Aufbau der Erneuerbaren ermöglicht. Aber die Braunkohlekraftwerke laufen unvermindert weiter, weil wir Kohlendioxid finanziell nicht ausreichend belasten. Der Emissionshandel funktioniert leider nicht. Über eine nationale CO2-Abgabe, die alle heute erhobenen Umweltabgaben ersetzt, könnten wir das viel besser steuern. Nach unseren Vorstellungen ist die CO2-Abgabe aufkommensneutral und führt zu keinen Mehrbelastungen bei den Bürgern. Auf diese Weise verdrängen wir Braunkohle aus dem Markt und schaffen für die neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen unabhängig vom EEG einen ausreichenden Markt. Und wenn wir dann noch ein Community-Modell aufbauen können, bei dem die Preiselastizität nicht so im Vordergrund steht, dann kann das gut auch mit kleineren Anlagen funktionieren.

Aber wäre das tatsächlich so, wenn kleine Anlagen mit großen Parks konkurrieren?

Da gibt es schon Möglichkeiten. So kann man als Energieversorger mit den Produzenten feste Abnahmeverträge vereinbaren. Generell ist es gerade für kleine Produzenten schwierig, sich immer um Abnehmer zu kümmern. Wenn man aber einen Partner hat, der über Abnehmer verfügt und dem Produzenten faire Bedingungen bietet, dann sind das tragfähige Investitionsvoraussetzungen. Das sind Modelle, an die die EWS denkt. Für den Bau neuer Anlagen wollen wir ausreichend Sicherheit geben. Ich denke aber auch an die Anlagen, die bald 20 Jahre laufen und dann keine EEG-Vergütung mehr erhalten. Sollen wir daraus gestrandete Investitionen machen oder lieber diese Anlagen erhalten? Daher müssen wir uns jetzt darum kümmern, wie wir deren Strom partnerschaftlich vermarkten können, um die nötige Sicherheit zu bieten.

Das heißt, Sie verbinden den liberalen Ansatz und die technischen Möglichkeiten mit einer Art Gemeinschaftsverständnis.

Für mich ist die Community, die ich als offenes System sehe, ein wesentlicher Punkt. Natürlich geht es dem Einzelnen auch darum, seine Anlage rentabel betreiben zu können. Aber wenn wir Klimaschutz erreichen wollen, dann geht das nur in einer großen Gemeinschaft, der es nicht nur um ein Produkt, sondern um ein gemeinsames Ziel geht. Es geht dabei darum, dem kleinen Produzenten verlässliche Rahmenbedingungen für seine Investitionsbereitschaft zu geben, daneben aber auch um weitere Aspekte, um Lebensfreude, um Ziele, für die man brennen kann. Und der Klimaschutz bewegt tatsächlich viele Menschen. Das können wir auch an der Kundenentwicklung der EWS ablesen.

Stimmen die derzeitigen Rahmenbedingungen, um das umzusetzen, was Sie möchten?

Wir haben eine extreme Bürokratisierung und einen Regulierungswahn. Und das Energierecht ist gleichzeitig so fehlerhaft, handwerklich einfach schlecht gemacht. Der Ordnungsrahmen muss entrümpelt werden und mehr Platz für Aktivität , für Gestaltung schaffen. Damit wir selbst mehr entwickeln und machen können. Die Regularien dürfen die Bürger nicht mehr so stark eingrenzen. Die Politik muss nur den entscheidenden Rahmen setzen und dann freies Handeln ermöglichen. Dies würde ebenso die Chance für Community-Ansätze eröffnen. Ein weiterer Grund, warum ich mich für die CO2-Abgabe einsetze, ist die Reduktion von Bürokratie. Die Abgabe würde eine hohe Lenkungswirkung entfalten, aber gleichzeitig könnte sie auch vieles vereinfachen. Denn EEG-Umlage, KWKG-Abgabe und die Stromsteuer werden aus den Erlösen der CO2-Abgabe bezahlt – dies würde die Bürokratie extrem vereinfachen und endlich auch ein Stück weit Kostengerechtigkeit schaffen.

Interview: Andreas Witt

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