Gericht hält Zweirichtungszähler für unnötig

Solarthemen+plus. Das Amtsgericht Herford hat am 17. Mai entschieden, dass der Betreiber einer Photovoltaikanlage keinen Strombezugsvertrag eingehen muss, wenn er lediglich Strom einspeisen möchte und im Zusammenhang mit dem Betrieb der PV-Anlage kein Strombezug zu er­warten ist. In ähnlicher Weise betrifft dies sehr viele Volleinspeiser. Grundversorger und Netzbetreiber pochen häufig darauf, dass ein Strombezugsvertrag bestehe und ein Zweirichtungszähler eingebaut werden müsse. Das hat das Gericht in dem jetzt veröffentlichten Urteil verneint.

Der Betreiber einer Solarstromanlage hatte gegen E.ON als Grundversorger geklagt. Aktiv eingebracht hatte sich als Streithelferin auch die Westfalen Weser Netz GmbH (WWN). Die Netzbetreiberin stellte sich in dem Verfahren an die Seite von E.ON. Der Anlagenbetreiber wehrte sich mit seiner Klage gegen eine Rechnung von E.ON bzw. WWN. Sie wurde schon im Oktober 2016 mündlich verhandelt und nun entschieden. Hundertausende sind betroffen In ähnlicher Weise betrifft der Fall Hundertausende von Anlagenbetreibern, die den produzierten Strom komplett ins Netz einspeisen. Die Netzbetreiber haben bei ihnen in der Regel einen Zweirichtungszähler installieren lassen, um einen eventuellen Bezug von Strom, zum Beispiel für einen eventuellen Eigenverbrauch von Wechselrichtern, messen zu können. In der Folge erhalten die Anlagenbetreiber dann häufig Rechnungen von Grundversorgern, die sich zumindest die Grundgebühren bezahlen lassen wollen. Im konkreten Fall wurden dem Anlagenbetreiber ein „Grundpreis Netzentgelt für Standardlastprofil“ in Höhe von 30,18 Euro, ein Abrechnungsentgelt in Höhe von 5,33 Euro, ein „Entgelt für Messpreis, Ablesung, Einbau und Betrieb“ in Höhe von 2,59 Euro sowie „Wartungskosten Messstelle“ in Höhe von 7,27 Euro in Rechnung gestellt. Dazu urteilte das Amtsgericht Herford, es mangele aber an einer gesetzlichen oder vertraglichen Anspruchsgrundlage. Der Anlagenbetreiber müsse solche Rechnungen daher nicht bezahlen. Es sei nicht zu erkennen, dass der Anlagenbetreiber einen Liefervertrag mit dem Grundversorger wünsche. Er betreibe die Anlage zum Zweck der Volleinspeisung. Dies sei, so erklärt das Gericht, gerade nicht darauf ausgerichtet, zusätzlich ein Stromlieferverhältnis mit dem Grundversorger einzugehen. Auch ein konkludenter Vertragsabschluss sei nicht anzunehmen. Dies könne nur der Fall sein, wenn der PV-Anlagenbetreiber tatsächlich Strom bezogen hätte. Den Einbau eines Zweirichtungszählers hält das Gericht für unnötig. Die Netzbetreiberin hatte erklärt, sie müsse nachhalten, ob Strom bezogen und dadurch ein Vertragsverhältnis eingegangen werde. Zudem könne sie das Stromnetz nur dann sicher betreiben, wenn sie Kenntnis über am Netz hängende Verbrauchsgeräte habe. Und sie könne nur so ihre Pflicht zur Bilanzierung einer jeden Abnahmestelle erfüllen. Netzbetreiber muss nicht messen Diese Einwände von WWN hält das Gericht für unerheblich. Denn der Anlagenbetreiber könne auch auf andere Art nachweisen, dass er keinen Strom beziehe. So könne er aussagekräftige Unterlagen des Wechselrichterherstellers vorlegen, die zeigen, dass es nicht zu einem messtechnisch darstellbaren Strombezug kommen könne. Und eine fachkundige Person, zum Beispiel ein Elektroinstallateur, könne dem Anlagenbetreiber bescheinigen, dass sich hinter dem Wechselrichter keine Stromverbraucher befinden. Nach Ansicht des Gerichtes ist der Netzbetreiber nicht verpflichtet, bei einer „als nicht strombeziehend eingestuften“ Anlage die eventuelle Stromentnahme ohne Anlass zu überwachen. Er verstoße dann auch nicht gegen seine Bilanzierungspflicht. Und von einer ernsthaften Gefährdung der Netzsicherheit sei nicht auszugehen. Der Netzbetreiber könne jedoch – auf zunächst eigene Kosten – zu Kontrollzwecken einen Bezugszähler einbauen und betreiben, wenn er einen Strombezug vermutet. Sollte der Anlagenbetreiber Änderungen an seiner Anlage vornehmen und dadurch Strom beziehen, dies aber nicht anmelden, so könne er gegebenenfalls schadensersatzpflichtig gemacht werden. Noch ist offen, ob WWN weitere rechtliche Schritte einleiten wird. Wie deren Pressesprecherin Maria Pottmeier-Rath gegenüber den Solarthemen erklärte, sei das Unternehmen noch in der Phase, das Urteil zu bewerten. Stefan Moriße, Pressesprecher von E.ON, sagt: „Kunden, die den Ausbau mitgestalten, selbst Solarenergie erzeugen und über ihren Stromzähler einen konstanten Nullverbrauch aufweisen, stellen wir grundsätzlich keine Entgelte für Stromzähler und -messung in Rechnung.“ Oft sei es jedoch unklar, ob die Solaranlage tatsächlich dauerhaft keinen Strom aus dem öffentlichen Netz beziehe. „Soweit jedenfalls einzelne Netzbetreiber, wie in diesem Fall die Westfalen Weser Netz GmbH, uns netzseitig entsprechende Kosten in Rechnung stellen, hatten wir diese in der Vergangenheit an Kunden weitergegeben und wollten die Berechtigung der Netzbetreiber wie im vorliegenden Rechtsstreit gerichtlich klären lassen“, so Moriße. Leider sei das Gericht aber auf diese Rechtsfrage nicht näher eingegangen. Die noch offene und weiterhin ungeklärte Frage sei für E.ON daher, „wer die netzseitigen Kosten für Messung und Messstellenbetrieb bei konstantem Nullverbrauch der Solaranlage letztlich tragen muss“. In diesem erstinstanzlichen Urteil ist allerdings zu lesen, dass eine Messeinrichtung aus Sicht des Gerichtes gar nicht erforderlich ist, wenn aufgrund der Umstände nicht von einem Strombezug auszugehen ist. Text: Andreas Witt Foto: PeJo/fotolia.com

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