Regierung schlägt Aktionsprogramm vor

Foto: Uwe Schlick / pixelio.de
Solarthemen+plus.Die Regierungskoalition hat den Ausbau der erneuer­ba­ren Energien an die Aufnahmekapazität der Stromnetze gekoppelt. Sie wirken daher derzeit als eine wirt­schaft­liche Bremse für die Branche der erneuerbaren Energien – so werden mit Verweis auf die Stromnetze die B­e­schlüs­se zu Sonderausschreibungen für Windkraft­pro­jekte immer wieder vertragt. Jetzt hat das Wirtschaftsministerium einen „Aktionsplan Stromnetz“ vorgelegt.

Peter Altmaier, der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, hat am 14. August seinen „Aktionsplan Stromnetz“ vorgestellt. Er selbst erklärt dazu: „Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir moderne und gut ausgebaute Netze genauso wie den Ausbau erneuerbarer Energien.“ Doch beim Ausbau der Netze sei Deutschland im Verzug und er schlage daher mit dem Aktionsplan Stromnetz Maßnahmen vor, um durchzustarten, den Netzausbau deutlich zu beschleunigen und bestehende Netze zu optimieren können. Mit der Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes, des NABEG 2.0, will er im Herbstdie Planungsverfahren verschlanken. Neue Technologien ergänzen den Ausbau Dabei verfolgt der Aktionsplan nach Aussage Altmaiers eine Doppelstrategie: Der Netzausbau solle durch besseres Controlling und die Vereinfachung von Planungsverfahren beschleunigt werden. Und gleichzeitig würden mit neuen Technologien und Betriebskonzepten die Bestandsnetze optimiert. Als Beispiele nennt der Minister Leiterseile, die höhere Temperaturen und Ströme aushalten, und spezielle Transformatoren, die den Strom auf noch freie Leitungen umlenken. Der Plan wird sowohl vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) als auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt. BEE-Präsidentin Simone Peter sagt: „Der Aktionsplan Stromnetz beinhaltet gute Vorschläge, die aber auch zeitnah umgesetzt werden sollten.“ Stefan Kapferer, der Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, erklärt: „Das Eckpunktepapier enthält viele richtige Punkte, die zu einem schnelleren Ausbau und einer effektiveren Auslastung der Netze beitragen können.“ Doch auch Kapferer mahnt die Umsetzung an: „Was ich im Aktionsplan allerdings schmerzlich vermisse, sind konkrete und belastbare Zeitpläne für die Umsetzung dieser Maßnahmen. Was wir brauchen, ist nicht nur Tempo beim Netzausbau, sondern auch bei der Gesetzgebung. Das Ziel, bis 2030 den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent zu erhöhen, schaffen wir nur mit einem zügigeren Netzausbau.“ Aus Sicht von Kapferer gehen Vorschläge zu intelligenten Netzen in die richtige Richtung: „Sie können dazu beitragen, den Netzausbau auf das notwendige Maß zu begrenzen.“ Für Peter sind solche Maßnahmen jedoch mindestens so bedeutsam wie die Installation von neuen Strom­leitungen. Sie nennt als Beispiele das Echtzeit-Monitoring, die Nutzung von Hochtemperatur-Leiterseilen und die intelligentere Steuerung von Leistungsflüssen. „Das ist längst überfällig und somit ausdrücklich zu begrüßen“, sagt Peter. Mit dem Aktionsplan Stromnetz würden so wichtige Grundlagen für die weitere erfolgreiche Energiewende definiert. „Genauso wichtig ist es nun, dass entsprechende Aktionsprogramme für Speicher sowie zuschaltbare Lasten und damit verbunden Vorschläge zur Sektorenkopplung folgen“, fordert Peter weitere Schritte. Keine Aussagen zum Kohleausstieg Der BEE vermisst allerdings Vorschläge zur Reduktion der konventionellen Mindesterzeugung. „Strom aus inflexiblen, konventionellen Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken, darf nicht länger die Netze verstopfen. Ein schneller Kohleausstieg hilft, die Netze spürbar zu entlasten“, so die BEE-Präsidentin. Darüber hinaus bedürfe es weiterer Anreize für die Flexibilisierung der Bioenergie. Peter: „Der Aktionsplan Stromnetz sollte jetzt schnell umgesetzt und durch einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien begleitet werden.“ Kapferer betonte die Bedeutung der geplanten Nord-Süd-Leitungen: „So richtig die Verstärkung bestehender Netze und die Nutzung bestehender Trassen ist: Die geplanten Nord-Süd-Verbindungen bleiben unverzichtbar. Wer meint, auf diese Leitungen verzichten zu können, lügt sich in die Tasche.“ Der Netzausbau sei unverzichtbar, allerdings werde der Ausbau allein nicht reichen: „Künftig wird Strom auch im Verkehr und im Wärmmarkt eine stärkere Rolle spielen’, so Kapferer: „Das bedeutet aber nicht, dass das Stromnetz beliebig erweitert werden muss, um auch noch die letzte Kilowattstunde transportieren zu können. Hier lautet das Motto: Intelligenz statt Kupfer. Allein mit mehr Kupfer und Stahl gelingt es uns nicht, die Netze zukunftssicher zu machen. Wir müssen die Netze ‚smart‘ machen.“ Schuldzuweisungen Begleitet wird die Diskussion um die Stromnetze von gegenseitigen Schuldzuweisungen. Kapferer sagt, im Aktionsplan des Ministeriums werde angedeutet, dass der Netzausbau sich auch deshalb verzögere, da es keine regulatorischen Anreize für einen möglichst schnellen Ausbau gebe. „Diese Sichtweise ist aus unserer Sicht irreführend und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Die Netzbetreiber haben auf zahlreiche Ursachen für die Verzögerungen keinerlei Einfluss. Schon heute tun die Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber alles dafür, um die Leitungen schnellstmöglich zu bauen und werben dafür schon heute vor Ort intensiv – im Gegensatz zu manchem politischen Akteur.“ Die Politik müsse für mehr Verlässlichkeit beim Netzausbau sorgen. Sie stehe in der Pflicht, die Notwendigkeit und auch die positiven Effekte des Leitungsbaus zu vermitteln – auch und gerade dort, wo der Netzausbau mit Belastungen verbunden sei. Joachim Pfeiffer, der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt, es gelte, die Bundesländer beim Thema Stromnetze viel stärker in die Pflicht zu nehmen. „Die Länder hinken bei einigen Projekten um Jahre hinterher. Von 1800 Kilometern sogenannten EnLAG-Projekten in Länderverantwortung sind erst 800 Kilometer realisiert. Man kann aber nicht vom Bund mehr Erneuerbare fordern, ohne gleichzeitig beim Stromleitungsbau der eigenen Verantwortung gerecht zu werden.“ Wie Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, berichtet, rechnen die Übertragungsnetzbetreiber mit einer Fertigstellung von knapp 70 Prozent der EnLAG-Leitungskilometer bis Ende 2020. Mehr Anstrengungen sind offenbar noch bei den Leitungen erforderlich, die sich aus dem Ende 2015 novellierten Bundesbedarfsplangesetz ergeben und die in Bundes- und Länderzuständigkeit geplant werden. Ihre Gesamtlänge beträgt etwa 5900 km. Davon entfallen rund 3050 km auf Maßnahmen der Netzverstärkung. Von den 5900 km sind nach Aussage von Homann 600 km genehmigt und 150 km realisiert. Bei der Opposition stößt der Aktionsplan auf Kritik. Lorenz Gösta Beutin, der energie- und klimapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, bezeichnet den Akttionsplan als „PR-Offensive zum Thema Netzausbau“, die sich Bundesminister Altmaier sparen könne: „Altmaier sollte endlich runter von der Bremse bei erneuerbaren Energien und auf der Grundlage der Pariser Klimaziele einen wirklich durchdachten Netzausbau mit Augenmaß berechnen lassen. Der angeblich nicht ausreichende Netzausbau wird nämlich fälschlicherweise zum Anlass genommen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschränken, nicht aber, um die Produktion von Kohlestrom zu reduzieren. Das ist absurd.“ Text: Andreas Witt Foto: Uwe Schlick/pixelio.de

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