Klaus Lambrecht: Wir müssen ambitionierter sein
Solarthemen: Mit dem Gebäudeenergiegesetz sollen das Energieeinspargesetz, die Energieeinsparverordnung – die EnEV – und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammengeführt werden. Ist das tatsächlich sinnvoll?
Klaus Lambrecht: Sinnvoll ist es auf jeden Fall, denn wir haben im EE-Wärmegesetz und in der EnEV unterschiedliche Systematiken. Dies zu harmonisieren, erleichtert die Nachweisführung und würde dabei helfen, die Gebäudeplanung zielgenau auf das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestandes auszurichten.
Bislang sind die Zielsetzungen teils widersprüchlich. So kann bei besonders guten Dämmwerten auf den Einsatz erneuerbarer Energien verzichtet werden.
Gerade deswegen ist diese Zusammenführung wichtig. Meines Erachtens haperte es bislang daran, dass jeder so sein Gesetz hatte. Die EnEV ist im Bundesbauministerium verankert gewesen. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz kam aus dem Umweltministerium. In der vorangegangenen Legislaturperiode ist beides im Ministerium für Umwelt und Bauen zwar zusammengeführt worden. Doch dann hat das Ministerium für Wirtschaft und Energie die Federführung übernommen – die EnEV hat schließlich Energie im Titel –, sodass man wieder verteilte Zuständigkeiten hatte. Und die beiden Häuser ticken einfach unterschiedlich.
Schon seit sehr vielen Jahren ist die Rede davon, dass Gebäude mehr zum Klimaschutz beitragen sollten. Was könnte hier ein Gebäudeenergiegesetz bewirken?
Im Gebäudeenergiegesetz müsste sich das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes, das auch die Bundesregierung bis 2050 erreichen möchte, niederschlagen. Dazu gehört, dass die Gebäude nur noch sehr wenig Energie benötigen und diese Energie aus regenerativen Quellen stammen muss. Die Sparsamkeit ist heute Aufgabe der EnEV und der Zuwachs erneuerbarer Energien im Wärmesektor soll derzeit mit dem EE-Wärmegesetz erreicht werden. Dies im Gebäudeenergiegesetz zusammenzu- führen, ist – wie schon gesagt – richtig und wichtig. Doch das, was bislang zum Gebäudeenergiegesetz auf dem Tisch liegt, wird dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes nicht gerecht. Dass Gebäude nicht zum Klimaschutz beitragen, hat aber schlicht und einfach auch mit der steigenden Wohnfläche zu tun. Selbst wenn wir je Quadratmeter sparsamer werden, wird dieser kleine Erfolg durch die Gesamtmenge konterkariert.
Was würde denn ein gutes Gebäudeenergiegesetz auszeichnen?
Es müsste schlank und handhabbar sein sowie sinnvolle Anforderungsgrößen stellen. Einerseits an die Gesamtenergieeffizienz einschließich Bewertung der Energieträger: Das könnte wie bisher über den Primärenergiebedarf oder auch über Treibhausgasemissionen gehen, wobei letzteres den Charme hat, eine fest eingeführte Größe im Zusammenhang mit dem Klimaschutz zu sein. Und zum zweiten müsste ein gutes Gebäudeenergiegesetz auch die Effizienz des Gebäudes an sich im Blick haben. Momentan wird bei Wohngebäuden als Nebenanforderung rein der Wärmeschutz der Gebäudehülle beurteilt und nicht deren gesamte Effizienz über den Wärmeenergiebedarf. Für die neuen Anforderungen bräuchten wir dann auch ambitionierte Werte.
Was sollten die konkreten Anforderungen sein?
Im Rahmen des individuellen Sanierungsfahrplans gibt es eine Farbskala, was ambitionierte Standards für Wohngebäude sind. Die Definition dafür ist derzeit ein Primärenergiebedarf von unter 30 kWh/m²a. Das sind Größenordnungen, zu denen wir bei Wohngebäuden kommen müssen. Bei den Nichtwohngebäuden ist das je nach Nutzerprofil etwas differenzierter zu betrachten. Das Niveau des Effizienzhaus-55, das ursprünglich im neuen Gebäudeenergiegesetz mal vorgesehen war, ist eigentlich schon kein besonders ambitioniertes Ziel mehr, sondern das ist gebauter Standard – unsere Bauherren bauen schon nichts anderes mehr und nehmen die Förderung der KfW Bank dankend mit. Das heißt, wir müssten die heutigen Anforderungswerte deutlich absenken und aber auch die Anforderungsmaßstäbe anpassen.
Welche Impulse könnte ein gutes Gebäudeenergiegesetz für die erneuerbaren Energien bringen?
Momentan haben wir bei den erneuerbaren Energien im Wärmesektor eher Stagnation. Zuwächse gibt es im Neubau, wo zunehmend Wärmepumpen installiert werden. Aber von den insgesamt in Deutschland neu installierten Heizungen sind fast 90 Prozent noch konventionelle Gas- und Ölheizungen. Wärmepumpen und Pelletskessel kommen hier auf nur gut 10 Prozent. Hier muss das Gebäudeenergiegesetz ansetzen und den Anteil der erneuerbaren Energien auch im Gebäudebestand mit erhöhen. Denn der Ansatz der Freiwilligkeit, der darauf setzt, dass der einzelne Bürger die Bedeutsamkeit des Klimaschutzes erkennt, der funktioniert so nicht. Es geht hier einfach um zu lange Zeiträume. Die Relevanz der einzelnen, eigenen Entscheidung ist für viele kaum erkennbar. Wir müssen also ambitioniert auch in den Bestand hineingehen. Und Gebäude, die heute gebaut werden und dann 2050 zum Bestand zählen, die müssen jetzt schon klimaneutral errichtet werden.
Nun tun sich viele Politiker offenbar damit schwer, die Anforderungen zu verschärfen, weil Bauen dadurch teurer werden könnte. Trifft das zu?
Selbstverständlich ist eine Dreifachverglasung teurer als eine Zweifachverglasung. Und die dickere Wärmedämmung ist in der Regel teurer als eine dünne. Diese Mehrkosten sind aber, gerade wenn es innerhalb des Prozesses der energetischen Verbesserung stattfindet, relativ gering. Ein großes Problem, das bei zukünftigen Sanierungen auf uns zukommt, sind Gebäude, die nicht richtig schlecht, aber auch nicht gut, sozusagen nicht Fisch nicht Fleisch sind. Bei Gebäuden, die heute saniert werden, sind die getroffenen Maßnahmen viel wirksamer und deshalb wirtschaftlicher. Das wird zunehmend schwieriger werden. Vor diesem Hintergrund ist es enorm wichtig, dass der Bürger gut informiert wird, dass er, wenn er sowieso an seinem Gebäude etwas macht, hier einen ausreichend ambitionierten Ansatz verfolgt. Hier sollte auch das Gesetz einen Rahmen vorgeben und nicht zu Fehlentscheidungen, die später teuer werden, verleiten.
Wenn diese Gefahr besteht, gibt es dann etwas, was man heute schon tun könnte?
Man sollte sich neben einem sinnvollen Gesetzesrahmen verstärkt auf die Beratung konzentrierten. Dass Hausbesitzer, die einen Sanierungsbedarf haben, auch tatsächlich dahingehend beraten werden, wie ihr Gebäude zu einem möglichst klimaneutralen weiterentwickelt werden kann. Dafür gibt es Instrumente, doch sie werden noch viel zu selten in Anspruch genommen. Nach meinem Eindruck haben auch einige Berater hier eine Schere im Kopf in dem Sinne, dass sie die Hausbesitzer sozusagen schonen wollen. Bei diesen Beratungen rückt das klimaneutrale Gebäude dann in weite Ferne. Da müssen Beratungen ambitionierter sein und den Hausbesitzern muss reiner Wein eingeschenkt werden, was es kostet, sein Gebäude zukunftsfähig zu machen. Der beste Zeitpunkt für Sanierungen ist dabei immer der, wenn sowieso Arbeiten am Gebäude anstehen. Kaum ein Mensch saniert, nur um Energie einzusparen.
Folgt man dem EU-Recht, werden Fast-Nullenergiehäuser bald Pflicht. Wie weit sind wir davon entfernt?
Wir sind noch weit von dem entfernt, was die EU bereits 2010 in der Gebäuderichtlinie beschlossen hat. Sie schreibt fest, dass öffentliche Gebäude ab 2019, also sehr bald, nur noch als Nahezu-Nullenergiegebäude gebaut werden dürfen. Ab 2021 gilt dies für alle Neubauten. In der Richtlinie wird auch definiert, was ein Nahezu-Nullenergiegebäude ist: Hier wird eine hohe Effizienz vorausgesetzt und die noch benötigte Energie muss weitgehend aus erneuerbaren Energien stammen. Die EU-Anforderungen sind also klar, und wir sind weit davon entfernt, sie zu erfüllen. Und wenn es im Gebäudeenergiegesetz nicht zu höheren Anforderungen an die Gebäude kommt, dann wird künftig EU-Recht nicht erfüllt.
Was erwarten Sie denn nach derzeitigem Stand vom Gebäudeenergiegesetz? Der Referentenentwurf kommt eventuell im späten Herbst, doch das Thema wird in Fachkreisen ja schon diskutiert.
Es gab ja schon in der vorausgegangenen Legislaturperiode einen Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz. Der wurde nach Intervention insbesondere der Union zurückgezogen, weil dort Ziele für öffentliche Gebäude festgeschrieben waren, die vom Niveau her einem Effizienzhaus-55 entsprochen hätten. Das wurde bereits als zu ambitioniert angesehen. Nun steht im jetzigen Koalitionsvertrag explizit drin, dass es nicht zu Verschärfungen im Gebäudeenergiegesetz kommen soll. Und die aktuelle Gesetzgebung orientiert sich am Koalitionsvertrag. Wie dies mit dem aktuellen EU-Recht in Einklang gebracht werden soll, ist mir unverständlich.
Interview: Andreas Witt
Foto: Alina Lambrecht / www.solaroffice.de