Dauerthema: EEG-Sonderausschreibungen

<strong>Solarthemen+plus. </strong>Sehr umstritten innerhalb der großen Koalition im Bund ist weiterhin das angekündigte Gesetzgebungsver­fah­ren zu EEG-Sonderausschreibungen für Windkraft und Photovoltaik. Derweil sind für die Wind- und die Solarbranche sehr unterschiedliche Ausgangspositionen entstanden.

Nach der am 1. Oktober erzielten Vereinbarung im Koalitionsausschuss soll das im Frühjahr als eiliges „100-Tage-Gesetz“ gestartete Bündel energiepolitischer Gesetzesnovellen nun als „Energiesammelgesetz“ bis Ende Oktober vom Bundeskabinett verabschiedet und in den Bundestag eingebracht werden. Ob dies gelingt, gilt allerdings unter energiepolitischen Beobachtern in Berlin zunehmend als fraglich. Während der Teil der geplanten Neuregelungen, der vor allem die Kraft-Wärme-Kopplung betrifft, bereits in offizielle Entwurfsform gegossen und den betroffenen Branchenverbänden Anfang des Monats kurz zur Anhörung vorgelegt wurde, liegen sich Union und SPD über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Sonderausschreibungen für Wind- und PV-Parks stärker in den Haaren denn je. Vorbehalte in der CDU/CSU Laut Koalitionsvertrag sollten in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 8 Megawatt – jeweils 4 Megawatt an Wind und Photovoltaik – ausgeschrieben werden, um die Lücke zum CO2-Ziel für 2020 zu verringern und das auf 65 Prozent erhöhte Ziel für den erneuerbaren Stromanteil 2030 erreichen zu können. Die Union hatte allerdings die Verfügbarkeit ausreichender Netzkapazitäten als Voraussetzung in den Koalitionsvertrag schreiben lassen, was von Wirtschaftsminister Peter Altmaier bei jeder Gelegenheit betont wird. Hinzu kommt nun durch die von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Ergebnisse der jüngsten EEG-Ausschreibungen ein weiteres Problem. Während für die PV-Ausschreibung zum 1. Oktober dreimal so viele Gebote eingingen, wie an Anlagenleistung ausgeschrieben war, konnte die Bundesnetzagentur im Windbereich nur Förderzusagen für 363 Megawatt vergeben. Das ist nicht viel mehr als die Hälfte des ausgeschriebenen Volumens von 670 Megawatt. Dies ist Wasser auf die Mühlen der in der Union zahlreich vorhandenen Gegner der Sonderausschreibungen. Denn es bringt die Windbranche in Erklärungsnot: Welchen Sinn macht die Forderung nach weiteren Sonderausschreibungen, wenn es die Branche nicht einmal annähernd schafft, das verfügbare Volumen auszuschöpfen? Für den Bundesverband Windenergie (BWE) steht beides allerdings keineswegs im Gegensatz. Damit die Branche aus ihrem rapiden Abwärtstrend herauskommen und ihren dringend notwendigen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne, bedürfe es klarer politischer Signale, sagt BWE-Präsident Hermann Albers: „Die Politik muss jetzt vor allem ein klares Zeit- und Mengengerüst vorlegen, mit dem sich die Klima- und Ausbauziele 2030 erreichen lassen. Dazu gehört ein jährlicher Zubau von 4500 bis 5000 Megawatt Windenergie an Land.“ Langwierige Genehmigungs- und Gerichtsverfahren Die mangelnde Beteiligung an den jüngsten Ausschreibungen erklärt BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm auf Nachfrage mit zähen Gerichts- und Genehmigungsverfahren. Allein 400 bis 600 Megawatt an genehmigten Windparks seien aktuell nicht in die Ausschreibung gegangen, weil sie vor Gericht beklagt würden und den Projektierern eine Beteiligung an Ausschreibungen angesichts der langen Prozessdauer zu riskant sei. Weitere 10000 Megawatt steckten derzeit in den Genehmigungsverfahren fest, die inzwischen durchschnittlich mehr als zwei Jahre dauerten. Axthelm: „Die Politik muss helfen, diesen Genehmigungsstau abzubauen. Wir brauchen ein Planungsbeschleunigungsgesetz.“ Analog zum Netzausbau sollten damit auch für Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energien die Gerichtsverfahren auf eine Instanz beschränkt werden, erläutert Axthelm die Forderung des Verbandes. Angesichts umfangreicher Beteiligungs- und Anhörungsmöglichkeiten im Rahmen der Genehmigungsverfahren sei eine derartige Verkürzung des Gerichtsweges durchaus mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Die Schwierigkeiten, mit denen der Windsektor aktuell kämpft, könnte auf den ersten Blick zum Vorteil der Photovoltaik werden. Hatten sich doch in der ersten gemeinsamen Pilot-Ausschreibung von Wind- und Photovoltaik am 1. April 2018 bei einem durchschnittlichen Zuschlagwert von 4,67 Cent ausschließlich PV-Projekte durchgesetzt. Unter den aktuellen Marktbedingungen dürfte sich dieser Trend noch verstärken. Es steht zu erwarten, dass auch die Zuschläge der gemeinsamen Ausschreibung zum 1. November 2018 vollständig an Solarparks gehen. Nach einem im EEG angelegten Mechanismus, auf den der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig, jetzt gegenüber den Solarthemen hinwies, könnte gerade dieser Erfolg der Photovoltaik in den gemeinsamen Ausschreibungen allerdings dazu führen, dass im kommenden Jahr gar keine normalen Ausschreibungen für Solaranlagen stattfinden. Denn laut § 28 EEG, der die Ausschreibungsvolumina festlegt, werden von den für 2019 eigentlich vorgesehenen 600 MW an regulären PV-Ausschreibungen wahrscheinlich 400 MW abgezogen, die in den gemeinsamen Wind-/PV-Ausschreibungen 2018 von PV-Parks gewonnen wurden. Außerdem abzuziehen sind die in den internationalen Ausschreibungen auf Deutschland entfallenden PV-Mengen und sämliche 2018 installierten Freiflächenanlagen, die nicht der Ausschreibungspflicht unterliegen, weil sie kleiner sind als 750 kW. „Rechnet man das alles zusammen, wird es vielleicht 2019 gar keine normalen Ausschreibungen für PV geben“, befürchtet Körnig. „Uns blieben dann nur die gemeinsamen Ausschreibungen und die Sonderausschreibungen.“ Diese Sonder-Ausschreibungsvolumen könnten laut Solarthemen-Informationen aus Koalitionskreisen möglicherweise anstelle der im Koalitionsvertrag genannten zwei Jahre über einen längeren Zeitraum von drei Jahren oder mehr gestreckt werden. Beschlüsse sollten aber offenbar nicht vor der Hessenwahl am Wochenende fallen. Völlig offen ist auch, ob es in diesem Gesetzgebungsverfahren gelingen wird, den vor einigen Jahren auf insgesamt 52 Gigawatt (GW) festgelegten EEG-Förderdeckel für die Photovoltaik zu lüften. Laut Körnig steht die Photovoltaik aktuell bei einem Gesamtbestand von 46 GW an installierten Anlagen in Deutschland. Gemessen an dem für die Klimaschutzziele der Bundesregierung notwendigen Ausbaubedarf – mit dem allerdings das Mengengerüst des EEG 2017 bislang nicht im Einklang steht – könnten die fehlenden 6 Megawatt bereits Ende 2019 oder 2020 erreicht werden. Dann wäre nach geltendem EEG die Förderung nicht nur für PV-Großanlagen vorbei, die zwar bereits mit durchschnittlichen Börsenstrompreisen mithalten können – allerdings nicht während der Hauptproduktionsstunden für Sonnenstrom, wenn die PV selbst die Börsenpreise in den Keller drückt. Vielmehr würden auch kleinere Anlagen aus der Förderung fallen, die sich dann allein über den Eigenverbrauch rechnen müssten. Text: Guido Bröer Foto: Nordex

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