Andreas Schütte im Interview: Bioenergie im Konzert erleben!

Solarthemen 510. Dr. Andreas Schütte leitet seit deren Gründung vor 25 Jahren die Fachagentur Nachwachsende Roh­stoffe (FNR) als deren Geschäftsführer. Im Solarthemen-Interview blickt Schütte zurück auf die wechselvolle Geschichte der Bioenergie und voraus auf deren Rolle für die Energiewende. Die FNR ist Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Land­wirt­schaft für Forschungs- und För­der­pro­gramme im Bereich Biomasse.

Solarthemen: Was war vor 25 Jahren die Motivation zur Gründung der FNR?

Andreas Schütte: Eine wesentliche Motivation damals war, dass man die agrarischen Überschüsse vom Markt bekommen wollte. So gab es beispielsweise Überproduktion in den Bereichen Getreide und Zucker. Deshalb wurden Ackerflächen stillgelegt – auf denen aber nachwachsende Rohstoffe angebaut werden durften. In den meisten Fällen war dies anfänglich Raps für Biodiesel. Parallel wurde die Suche nach Alternativen außerhalb der Nahrungsmittelbereiche intensiviert. Deshalb hieß der entsprechende Titel für Forschung und Entwicklung im Bundeshaushalt, aus dem wir heute das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe finanzieren, „Produktions- und Verwendungsalternativen“. Darin spiegelt sich wider, worum es damals eigentlich ging. Das hat sich deutlich gewandelt. Wir haben nicht mehr den Druck, dass wir Produktions- und Verwendungsalternativen benötigen. Heute wollen wir Lösungsmöglichkeiten anbieten, biogene Rohstoffe stofflich und energetisch so zu verwenden, dass mit intelligenten Produkten und Dienstleistungen CO2 vermieden und Alternativen für den ländlichen Raum geschaffen werden. Es geht jetzt darum, all die positiven Aspekte voranzubringen, die sich mit der Verwendung nachwachsender Rohstoffe verbinden.

Wissenschaft und Politik verbinden heute mit energetischer Biomasse­nutzung nicht nur Positives.

Man muss die Biomasse intelligent nutzen, damit man alle positiven Effekte erzielen kann. Für uns als FNR ist es aber auch wichtig, uns mit kritischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Wir sind ja keine Lobbyeinrichtung, wir sind ein Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der das Thema objektiv von allen Seiten beleuchten muss.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel der verstärkte Anbau von Mais zur Biomassenutzung. Der hat in einigen Regionen – bei weitem jedoch nicht in allen – zu einem Überhang geführt. Dort gibt es keine vernünftigen Fruchtfolgen mehr. Wir brauchen aber Vielfalt in den Fruchtfolgen nicht zuletzt, damit Bioenergie breit akzeptiert wird.

Wie kann die FNR denn konkret tun, damit Landwirte „vernünftiger“ säen?

Wir müssen Alternativen anbieten. Ein schönes Beispiel ist, dass wir seinerzeit zusammen mit der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft den Anbau von Durchwachsener Silphie auf den Weg gebracht haben. Bisher findet der Anbau nur in begrenztem Umfang statt, aber er hat sich sehr, sehr gut entwickelt. Und ich bin fest davon überzeugt, dass diese Alternative von den Landwirten künftig stärker genutzt wird. Ein anderes Beispiel ist der gemischte Anbau von Mais und Stangenbohnen. Stangenbohnen ziehen Stickstoff aus der Luft und stellen ihn dem Mais zur Verfügung. So kommt man mit weniger Dünger aus und erzeugt durch zwei verschiedene Pflanzen Diversität auf der Fläche. Das wird jetzt bereits in der Praxis angeboten und steht Landwirten zur Verfügung. Auch die Entwicklung von Wildpflanzenmischungen als Alternative zum Mais haben wir maßgeblich begleitet.

Früher hat die FNR neben der Forschungsförderung auch Marktanreizprogramme angeboten. Ich denke an das Programm für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen oder auch an das 100-Traktoren-Programm zur Förderung von Schleppern mit Pflanzenölmotoren. Spielt diese Art von Förderungen noch eine Rolle?

Nein. Wir haben in der Vergangenheit im Auftrag des BMEL solche marktnahen Programme umgesetzt – zu nennen wären auch die Förderungen für Bioschmierstoffe und von Eigenverbrauchstankstellen für biogene Kraftstoffe. Das machen wir nicht mehr, weil wir die damit erzielten Effekte anders besser erreichen können – und zwar mit Verbraucherinformationen. Das ist jetzt unser zweites, sehr wichtiges Standbein. Neben der Förderung von Forschung und Entwicklung setzen wir sehr stark auf die Fach- und Verbraucherinformation. Wir werden beispielsweise ab 1. Januar hier bei der FNR das Kompetenz- und Informationszentrum Wald und Holz, kurz KIWUH, betreiben. Dort bündelt das BMEL die Fördermaßnahmen einschließlich des Waldklimafonds und wird die Projektförderung spürbar stärken. Insofern betreiben wir mit dem KIWUH Kommunikation, Fachinformation und Verbraucherinformation zu den Themen Wald und Holz noch deutlich intensiver, als wir das bisher gemacht haben.

Würden sie auch für andere Bereiche der staatlichen Förderpolitik im Energiebereich empfehlen, mehr in Kommunikation zu investieren als Verbraucher mit Zuschüssen zu locken?

Man muss sich jeden Marktbereich sicher differenziert ansehen. Wir haben in unserem Bereich die Markteinführung für einen gewissen Zeitraum betrieben und dann geschaut, welche Effekte wir erzielt haben. Ich muss betrachten, welches Drehmoment ich mit solchen Förderprogrammen habe. Und dann muss ich Aufwand und Nutzen in ein Verhältnis setzen und die Maßnahmen kritisch hinterfragen. Nehmen wir das Beispiel Naturdämmstoffe, dort haben wir über mehrere Jahre gefördert. Sobald man aber die Förderung nicht mehr anbietet, verschieben sich die produktspezifischen Preise und Bauherren wählen sofort wieder ein billigeres, zumeist konventionelles Produkt. Letztlich geht es oft um die Preisspanne, um die Naturdämmstoffe teurer sind. Seit wir uns allerdings auf Verbraucherinformation konzentrieren, haben wir eine gute Steigerung in diesem Marktsegment erreicht. Insofern können wir mit diesem Instrument zufrieden sein. Und wir haben ein besseres Drehmoment, weil wir weniger Mittel einsetzen müssen, um diesen Fortschritt zu erreichen.

Wie gehen Sie mit dem Problem um, dass Förderprogramme von Seiten der Politik oft auf wenige Jahre begrenzt sind. Nehmen wir als Beispiel den Bereich der Bioenergiedörfer und Bioenergieregionen, den die FNR einige Jahre intensiv gefördert hat und wo die Programme nun ausgelaufen sind.

Die Unterstützung, die wir erfahren, um dieses Thema voranzubringen, ist mit einer hohen Kontinuität ausgestattet. Denn wir haben über die Jahre hinweg für die Förderprogramme zu nachwachsenden Rohstoffen vom Parlament ausreichend Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Für den Bereich der Bioenergiedörfer und -kommunen unterstützen wir F&E-Förderung auf Projektförderbasis. Nach einem gewissen Zeitraum muss man diese Aktivitäten evaluieren und entscheiden, wie man damit umgeht, denn eine dauerhafte Finanzierung über die Projektförderung ist nicht zulässig. Deshalb haben wir auch im Bereich Bioenergieregionen nach etwas mehr als zwei Förderphasen geprüft, wie wir die Entwicklung verstetigen können. Das geht nicht über eine Projektförderung. Deshalb haben wir die Ergebnisse aus den Bioenergieregionen in geeignete kommunikative Maßnahmen umgesetzt, beispielsweise den Leitfaden für Bioenergieregionen oder den Leitfaden für Bioenergiedörfer. Damit geben wir denjenigen, die Interesse an diesen Themen haben, Instrumente an die Hand, um dort tätig zu werden.

Wo geht es in den nächsten 10 bis 20 Jahren hin mit der Bioenergie?

Die Bioenergie wird auch in den nächsten Jahren eine sehr wichtige Rolle im Konzert der Erneuerbaren spielen. Sie ist immer im Gesamtkontext mit den anderen erneuerbaren Energieformen zu sehen – nicht als Stand-Alone-Technik. Die Bioenergie hat viele Vorteile gegenüber anderen Erneuerbaren; deshalb bietet sich die Kombination an. Ich lehne es ab, eine erneuerbare Energieform schönzureden und die anderen dadurch schlecht zu machen. Im Moment und für absehbare Zeit ist Bioenergie die wichtigste im Markt. Über alle Sektoren – Strom, Wärme und Verkehr – betrachtet, liefert Bioenergie etwa 60 Prozent aller erneuerbaren Energie. Das war früher noch mehr und ich bin froh darüber, dass die anderen Erneuerbaren deutlich zugelegt haben. Worüber ich nicht froh bin, sind die ständigen Wechsel in den politischen Rahmenbedingungen. Das ist den Investitionen abträglich.

Was meinen Sie konkret?

Zum Beispiel die wechselnden Rahmenbedingungen im Bereich EEG. Erst wird es durch die Einführung und deutliche Erhöhung des NaWaRo-Bonus in den Jahren 2004 und 2009 überhitzt. Das war ein enormer Anreiz für Unternehmen und Landwirte, dort aktiv zu werden; und dann kamen die massiven Einschränkungen 2012 und insbesondere 2014. Damit kann man einen Markt nicht kontinuierlich entwickeln. Ein anderes Beispiel haben wir im Bereich der Biokraftstoffe der ersten Generation, die irgendwann gedeckelt wurden, während wir Alternativen wie Kraftstoffe der zweiten Generation bis heute nur sehr bedingt im Markt haben. Da wird nach meinem Eindruck manchmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Ich würde mir stattdessen eine ganz einfache Sache wünschen, die allen Erneuerbaren helfen würde: eine CO2-Steuer. Sonst bekommt man immer wieder diese Verwerfungen, indem Teilbereiche gefördert werden, indem immer wieder an Stellschrauben herumgedreht wird, indem Märkte überhitzt und dann wieder heruntergekühlt werden, indem Märkte außer Acht gelassen werden – so wie der ganze Wärmebereich, der in der Energiewende-Diskussion viel zu kurz kommt.

Auch mit einer CO2-Steuer ist allerdings von der Biomasse wohl keine Kostenreduktion zu erwarten, anders als bei Wind und Photovoltaik, die in den letzten Jahren eine enorme Preisentwicklung mit steil fallenden Lernkurven vorzuweisen haben.

Das liegt an den Kosten der eingesetzten Biomasse selbst. Allerdings erreichen wir Lernkurven dadurch, dass wir die Anlagen effizienter machen. Zum Beispiel haben wir beim Biogas heute eine deutlich höhere Energieausbeute als in den Anfangsjahren. Dennoch hat die Bioenergie nicht die Lernkurve der anderen Erneuerbaren. Sie hat allerdings einige Trümpfe: Ich kann Biomasse sehr flexibel einsetzen. Deshalb sage ich, dass wir die jeweiligen Vorteile der Erneuerbaren koppeln müssen, damit wir gegenüber den Fossilen ein vernünftiges Gesamtangebot haben. Und im Wärmebereich haben wir mit Biomasse durchaus auch eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu fossilen Rohstoffen.

Wie sieht die Energiewende und die Berliner Energiepolitik aus, wenn man sie vom eher beschaulichen Gülzow aus betrachtet?

Energiewende von Gülzow aus zu betrachten, fällt mir auch deshalb leichter, weil ich natürlich sehr oft in Berlin und dort am Geschehen mitbeteiligt bin. Auf jeden Fall sehe ich, dass die Energiewende deutlich zu langsam geht. Wir müssen viel mehr Input leisten, deutlich mehr Energie einsparen und auch wesentlich mehr Erneuerbare einsetzen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen gesetzt werden, und aus meiner Perspektive wäre eine verstärkte CO2-Bepreisung ein wichtiges Element. Damit bekämen wir übrigens nicht nur im Bereich der Bioenergie sondern auch bei der stofflichen Nutzung von Biomasse einen deutlichen Schub.

Interview: Guido Bröer

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