Solar- und Windparks bald auch ohne EEG?

Solarthemen 511. Bei alten Windparks ist schon abzusehen, dass einige ihren Strom nach 2020 direkt verkaufen werden. Aber vielleicht geht die Entwicklung im Solarbereich hin zu langjährigen Stromabnahmeverträgen außerhalb des EEG noch schneller.

Benedikt Ortmann ist euphorischer Stimmung. Bis Ende des vergangenen Jahres hatte er es als Geschäftsführer für die internationalen Solar-Projekte im BayWa-re-Konzern ge­­schafft, den Aufbau eines 175-MW-Solarparks in der Nähe der südspanischen Stadt Sevilla abzuschließen – damit konnte Don Rodrigo, so der offizielle Name, noch vor dem Jahreswechsel an die Meag, die Vermögensverwaltungsgesellschaft der beiden Versicherungsunternehmen Munich Re und Ergo verkauft werden. Das Projekt mit seinen 500.000 Modulen besticht nicht nur durch seine Größe. „Don Rodrigo ist Europas erster großer Solarpark, der komplett ohne staatliche Förderung auskommt und finanziert wird“, sagt Ortmann. Das bayerische Energieunternehmen hat mit dem norwegischen Statkraft-Konzern ein Power Purchase Agreement (PPA) für den Solarpark getroffen. PPA sind marktkonforme, langfristige Stromabsatz- und Strombezugsverträge, von denen sich Erzeuger und Abnehmer gleichermaßen Vorteile versprechen. Bei Don Rodrigo werden die Skandinavier 15 Jahre lang alles an Strom abnehmen, was auf dem 190 Fußballfelder großen Kraftwerks-Areal erzeugt wird. PPA als Top-Thema Wenn in der Energiewirtschaft nach Blockchain derzeit ein Thema das Zeug hat, für einen zunehmenden Hype zu sorgen, dann sind es diese PPA im Ökostrommarkt. Warum? Nach einer jüngsten Szenariostudie des Beratungsunternehmens Enervis machen über PPA finanzierte Wind- und Solar-Projekte bis 2020 lediglich 1 Prozent der installierten grünen Kraftwerksleistung in Europa aus, da bislang der Zubau fast ausschließlich über staatliche Förderregelungen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erfolgte. Dank stetig sinkender Stromgestehungskosten wird die Quote laut Enervis aber schon bis Mitte der 2020er Jahre sprunghaft ansteigen. Anfang der 2030er Jahre erfolgt in diesem Szenario der Zubau erneuerbarer Energien fast vollständig auf PPA-Basis. Zehn Jahre später wird europaweit sogar die Hälfte aller installierten Wind- und Solarparks dank PPA-Verträgen in Betrieb sein – PPA sind dann das Standardinstrument für ihre Finanzierung. Eigentlich sind diese direkten Stromlieferverträge zwischen Erzeugern und meist Industriebetrieben oder Stromversorgern vor allem im angelsächsischen und skandinavischen Raum bereits ein alter Hut. Rechtliche Hindernisse für den Abschluss von PPA-Verträgen gibt es auch in Deutschland nicht, wie eine Ende vergangenen Jahres veröffentlichte Studie der Stiftung Umweltenergierecht zeigt. Wichtig dabei: Bei den PPA geht auch der Einspeisevorrang nicht verloren. Vorreiter: Windkraft-Oldtimer Hierzulande gewinnen PPA zurzeit im Zusammenhang mit den sogenannten Ü20-Windturbinen an energiewirtschaftlicher (und medialer) Bedeutung. Für den Weiterbetrieb dieser Windenergieanlagen, die ab 2021 nach teilweise über 20-jähriger Förderung keine EEG-Vergütung mehr erhalten, bieten sich PPA als neue Einnahmequelle an. Vor der Windmesse in Hamburg Ende September 2018, auf der die Zukunft der Ü20-Anlagen zu den Topthemen zählte, sind erste Verträge für diese „Weiterbetriebsanlagen“ abgeschlossen worden. „Die Kontrakte haben meist eine Laufzeit von zwei, drei bis maximal sechs Jahren. Die Vertragslaufzeiten hängen unter anderem vom technischen Zustand der Anlagen und der Möglichkeit zum Repowering ab“, sagt Sascha Schröder aus der Abteilung Commercial Strategy bei Statkraft Markets. Eine wachsende Zahl von PPA-Vereinbarungen für Altanlagen, sagt er, sei mehr als wahrscheinlich: „Je näher das Förderende heranrückt, desto mehr Verträge wird es geben.“ Neben diesem Segment für die Ü20-Anlagen gibt es auch die sogenannten Corporate PPA: Das sind die wirklich langfristigen Stromlieferverträge, mit denen Investoren ihre Solar- und Windparks finanzieren und absichern. Dass Statkraft mit Baywa re den europaweit bislang langfristigsten Solar-PPA abgeschlossen hat, liegt nicht allein an der höheren Solareinstrahlung in Südspanien. Schröder sagt: „Spanien zählt zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen. Aber auch Faktoren wie der geringere Solarstromanteil dort und ein funktionierender Forward-Strommarkt tragen dazu bei, dass sich ein PPA-Projekt wie Don Rodrigo rechnet.“ Dass die Börsenstrompreise und insbesondere die Marktwerte für Wind- und Solarkraft einerseits und das EEG andererseits die PPA-Entwicklungen hierzulande beim Bau neuer Grünstrom-Kraftwerke maßgeblich beeinflussen, zählt Thorsten Müller zum energiewirtschaftlichen Einmaleins. „Die Auktionen bei der Windkraft an Land haben zuletzt wieder zu höheren Zuschlagspreisen geführt, sodass ein PPA wirtschaftlich für eine der Vertragsparteien überhaupt keinen Sinn machen würde“, sagte der Energiemarktexperte bei der Stiftung Umweltenergierecht. Müller erwartet deshalb die ersten PPA für grüne Neubauprojekte im Solarsektor: „Bei der Windenergie wird es noch dauern.“ Eine Einschätzung, die Nicolai Herrmann vom Beratungshaus Enervis teilt: „Solange die Windauktionen unterzeichnet bleiben, wird es eine längere Warteschleife bis zum ersten durch einen PPA finanzierten Windpark in Deutschland geben.“ Vorher müssten eine Reihe von Fragen geklärt werden. Angefangen von der Strukturierung des Reststrombezugs bei PPA zur Kundenbelieferung bis hin zu den erhöhten Eigenkapitalanforderungen von Banken. „PPA werden sich erst dann durchsetzen, wenn es mehr Wettbewerb und vor allem eine gewisse Standardisierung gibt“, betont Herrmann: „Kein Anwalt in Deutschland hat derzeit einen fertigen PPA-Vertrag für ein Neuprojekt in der Schublade liegen, was zu vergleichsweise hohen Transaktionskosten führt.“ An der Weser verfügt der Projektentwickler WPD AG, der neben dem Wind- auch zunehmend im Solarsektor tätig ist, über genügend juristischen Sachverstand im eigenen Haus. „Power Purchase Agreements haben wir schon in einigen skandinavischen Länder praktiziert“, sagt Unternehmenssprecher Christian Schnibbe. Aber vorerst nur im Windsektor. Solare PPA für WPD erwartet Schnibbe nach derzeitigem Stand eher im Ausland denn in Deutschland. PPA noch kein deutsches Thema? Ähnlich ist die Haltung bei der Abo Wind AG, mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern in einer Reihe von Ländern rund um den Globus auch im Photovoltaikbereich unterwegs. „PPA sind für uns zunehmend ein Thema, weshalb wir auch ein eigenes Team aufbauen“, sagt Alexander Koffka, Mitglied der Geschäftsleitung. Den Schwerpunkt erwartet Koffka in nächster Zeit für deutsche Projektentwickler auf ausländischen Märkten. Eher zurückhaltend zeigt sich Udo Möhrstedt, CEO der IBC Solar AG, beim Thema PPA: „Solange Deutschland sein EEG hat, werden PPA nicht marktbestimmend sein. PPA-Verträge passen nicht zur deutschen Mentalität.“ Außerdem bärgen PPA-Verträge so manche Risiken, die beim derzeitigen Hype gerne übersehen würden. Möhrstedt, Nestor der deutschen Solarbranche, verweist auf die aktuellen Geschehnisse in Kalifornien. Der dort mit Abstand größte Energieversorger Pacific Gas and Electric Company (PG&E) hatte jüngst Insolvenz als Folge von Schadensersatzforderungen nach den großen Waldbränden aus dem vergangenen Herbst vermeldet. PG&E ist in den USA einer der größten Abnehmer von Solar- und Windstrom auf Basis von PPA-Verträgen. Nach einer Einschätzung der Analysten Michael Weinstein und Khanh Nguyen von der Credit Suisse könnte eine Neuverhandlung dieser PPA-Abschlüsse im Rahmen einer PG&E-Insolvenz allein für den Solar- und Windpark-Betreiber Con Edison eine Gewinneinbuße in der Größenordnung von 10 Prozent bedeuten. Erstes deutsches Solar-PPA in Sicht Davon lässt sich Benedikt Ortmann vom BayWa-re-Konzern nicht seine gute Stimmung vermiesen: „Wir wollen nicht nur in Spanien das erste Unternehmen sein, das einen solaren PPA-Vertrag abgeschlossen hat, sondern auch in Deutschland.“ Bereits in diesem Jahr, so lässt Ortmann durchblicken, soll es soweit sein. Längerfristig vermarktet werden soll der Solarstrom eines 10-MW-Projektes in der Nähe der vorpommerschen Stadt Barth: „Wir warten noch auf die Baugenehmigung, verhandeln aber parallel mit potenziellen Interessenten für den Strombezug.“ Barth soll für BayWa re nur der Anfang für solare Stromlieferverträge ohne EEG-Förderung sein: „Wenn die Kohle-Kommission ihre Empfehlungen vorgelegt hat, werden sicherlich viele Flächen in der Lausitz und in den angrenzenden Regionen für neue, größere Solarparks zur Verfügung stehen.“ Nach den bisherigen Überlegungen sollen die derzeitigen Braunkohleabbaugebiete auch künftig als Energieregionen erhalten bleiben (vgl. Interview mit Reiner Priggen auf den folgenden Seiten). Ortmann sagt: „Was bietet sich da Besseres an als große solare Freiflächen, für deren Stromvermarktung es keine EEG-Vergütung mehr braucht?“ Text: Ralf Köpke Foto: BayWa r.e.

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