Sonne + Holz – den Gewinn macht das Dorf
Im Hunsrück ist diese monetarisierte Sicht auf die heimische Energiewelt inzwischen in vielen Köpfen verankert. Die Idee von der kommunalen Daseinsvorsorge und der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe mithilfe erneuerbarer Energien wird nirgends deutlicher als in den inzwischen 17 Dorfwärmeverbünden, die sich im Rhein-Hunsrück-Kreis in den vergangenen Jahren gebildet haben. Für alle zusammen rechnet Uhle eine jährliche Einsparung von 2,7 Millionen Liter Heizöläquivalenten vor.
Geld ist ein Thema
Zwei dieser Verbünde, Külz-Neuerkirch und seit Oktober 2018 auch Ellern (Foto oben), 10 Fahrminuten weiter westlich gelegen, nutzen neben Holz die Solarthermie, die in beiden Ortsnetzen jeweils rund 20 Prozent zum Jahreswärmebedarf beiträgt und die den Sommerbedarf vollständig abdeckt.
Letztlich sei auch in Ellern viel über Geld gesprochen worden, bevor im Gemeinderat der endgültige Beschluss zum Bau des Wärmenetzes gefallen sei, erinnert sich Friedhelm Dämgen, der Bürgermeister. Besonders als in der entscheidenden Anwerbephase vor einigen Jahren, in der sich möglichst viele Hausbesitzer für einen Anschluss an das Netz entscheiden sollten, der Ölpreis in den Keller fiel, sagt Dämgen: „Wir hatten uns ursprünglich 130 Hausanschlüsse vorgestellt, dann sind wir allerdings lange nicht über 80 hinausgekommen.“ Je geringer die Anschlussdichte, desto geringer die Wirtschaftlichkeit – dieses Grundgesetz aller Wärmenetzprojekte ließ das Projekt in Ellern zeitweilig auf der Kippe stehen. Der Durchbruch kam dann aber, als der Arbeitskreis Nahwärme acht Dorfbewohner aus den eigenen Reihen argumentativ schulte, um für jeden Hausbesitzer eine Einzelberatung anzubieten. Gemeinsam wurde in diesen Beratungsgesprächen die Situation im Heizungskeller überprüft und mit einem eigens entwickelten Excel-Tool eine individuelle Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt. Ein wichtiges Argument war dabei auch, dass jeder Hausbesitzer für die Erneuerung seiner Heizungstechnik einen Zuschuss von der Gemeinde von 3800 Euro erhält. Der Betrag entspricht genau den Anschlusskosten die die Verbandsgemeindewerke Rheinböllen, die das Wärmenetz betreiben, einmalig für den Hausanschluss erheben. Dass die Gemeinde so großzügig sein kann, hat auch mit den vier Windrädern zu tun, die hier, wie in manchen anderen Hunsrück-Kommunen, im gemeindeeigenen Wald stehen. So fließen hohe Pachteinnahmen an die Gemeinde.
Wie in anderen Wärmenetzverbünden wird auch in Ellern ein Glasfaser-Kabel für ultraschnelles Internet ins Haus gelegt. „Für mich ist dies besonders wichtig, dass man mit der Wärmeversorgung solche anderen Dinge miterledigen kann, die für die Zukunftsfähigkeit unseres Dorfes wichtig sind“, sagt Bürgermeister Dämgen. Er denkt dabei auch an die neuen Stromkabel, die zusammen mit den Wärmeleitungen verlegt werden. Auch solche Maßnahmen hätten mit kommunaler Wertschöpfung zu tun, meint er. Denn schließlich lebe Ellern von den Pendlern, die nach Mainz, Koblenz oder Wiesbaden führen. Für diese Leute seien Kommunikationstechnik und gute Onlineverbindungen im Homeoffice zunehmend wichtiger.
Ein Dorf grinst
Volker Wichter, erlebt in Neuerkirch-Külz nun schon seit drei Jahren, wie sich der Doppel-Ort seit der Installation des Wärmenetzes entwickelt und wie das Netz auch manchen unerwarteten Segen bringt. Wichter lacht laut auf, als er erzählt: „An den Tagen, als die Stromkostenabrechnungen ins Haus flatterten, hatten alle, wirklich alle im Dorf ein Grinsen im Gesicht. Ich selber habe nach dem ersten Jahr 500 Euro Stromkostenrückerstattung bekommen, ohne dass ich etwas getan hätte – 200 bis 800 Euro haben die Leute zurück bekommen.“ MIt dem Stromspareffekt hatte niemand erechnet; er resultiert aus den vielen ineffizienten Heizungspumpen, die beim Anschluss an das Wärmenetz außer Dienst gestellt wurden.
Doch Wichter sieht den Benefit des Wärmenetzes nicht nur im Finanziellen: „Es fängt schon damit an, dass das Dorf im Winter ganz anders riecht; es stinkt nicht mehr nach Qualm. Und das Nahwärmenetz hat uns enorm zusammengeführt. Inzwischen haben wir vieles, was wir uns vor drei Jahren nicht vorstellen konnten, verwirklicht. Denn bei vielen Bürgern hat es Klick gemacht. Wenn heute neue Ideen kommen, werden die nicht gleich belächelt, wie früher, sondern es wird ernst genommen.“
Beispielsweise hat die Gemeinde mehrere E-Bikes angeschafft und ein elektrisch unterstütztes Lastenrad, „die im Sommer jeden Tag unterwegs sind“, beteuert Wichter. Und neben der Turnhalle spielen Senioren mit ihren Enkeln auf einem neuen „Mehrgenerationen feld“ Mensch-ärgere-Dich-nicht.
Alles kommt vom Wärmenetz
„Das alles kam eigentlich vom Wärmenetz“, sagt Wichter. Mit den Diskussionen über die gemeinsame Energieversorgung sei ein neuer Gemeinsinn entstanden, und das Dorf sei auch deshalb wieder attraktiv geworden für junge Familien, berichtet er: „In Neuerkirch gibt es jetzt überhaupt keine Leerstände mehr. Sondern wenn ein Haus zum Verkauf steht, ist die erste Frage des Interessenten, ist das Haus ans Wärmenetz angeschlossen? Und dann kommt als zweite Frage: Hat das Haus diesen Glasfaseranschluss?“
Derzeit befänden sich in Neuerkirch sechs Häuser im Umbau, deren ältere Besitzer verstorben seien, so Wichter: „Die werden jetzt von jungen Familien bezogen, teilweise von Leuten aus Neuerkirch, die weg gezogen waren und die jetzt wieder zurück kommen.“ Auch das habe mit dem Wärmenetz zu tun, meint Wichter. „Die Leute, die zu uns kommen, sehen, dass hier was passiert. Und die sagen sich, wenn die den Heizungsumbau im ganzen Dort gepackt haben, dann geht da auch sonst was.“
Wichter sagt: „Das ist alles aus der Nahwärme entstanden, weil wir damit so zusammengewachsen sind. Als damals nach dem Wärmenetzplan auch noch die Idee mit der Solarthermie aufkam, haben uns manche Leute für verrückt erklärt und ausgelacht.“ Inzwischen lacht niemand mehr – außer über seine eigene Stromrechnung.
Text + Fotos: Guido Bröer
Der Artikel ist in Heft 1/2019 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Als PDF-Datei kann er hier heruntergeladen werden.
Am 13.2.2019 bietet die Energieagentur Rheinland-Pfalz einen "Fachinformationstag Solare Wärmenetze" in Simmern an, bei auch dem die Anlagen in Ellern und Neuerkirch/Külz besichtigt werden. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Veranstaltung wird unterstützt vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium und dem Projekt Solnet 4.0.
Weitere Informationen zu solaren Wärmenetzen unter: www.solare-waermenetze.de
29.1.2019 | Quelle: Energiekommune | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH