Sauber heizen – wie geht das heute?

Solarthemen 513. Wie kann ich klimafreundlich mein Bestandsgebäude heizen? Eine Suche nach Antworten anlässlich der Messe ISH.

Die Fakten sind bekannt: Die Energie, die die Bevölkerung in Deutschland für Heizung und Warmwasser benötigt, ist erheblich größer als der Bedarf an elektrischem Strom. Die Energiewende im Wärmemarkt muss also kommen. Es braucht Heizungen, die möglichst zu einhundert Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Anlässlich der Internationalen Heizungs- und Sanitärmesse ISH versprach die deutsche Heizungsindustrie „innovative Lösungen für den Klimaschutz“ zu zeigen. Was bietet die Heizungsbranche heute schon an und wie könnte die zukünftige Entwicklung aussehen? Branche propagiert Brennwert Ein Rundgang durch die Messehallen der ISH macht schnell klar, dass die großen Hersteller durchgängig Brennwertgeräte in den Vordergrund schieben. Mit fossilem Gas befeuerte Brennwertkessel als innovative Lösungen für den Klimaschutz zu verkaufen, erscheint gewagt. Doch der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) geht davon aus, dass allein durch den Austausch von 13 Millionen alten Kesseln die Klimaschutzziele im Gebäudesegment bis 2030 mit einer CO2-Einsparung von 40 Prozent gegenüber 2014 zu erreichen sind, wenn zugleich etwas Dämmung und neue Fenster hinzukommen. 85 Prozent Fossilkessel Der aktuelle Trend spricht dafür, dass dieser Pfad auch nicht verlassen wird. Nach wie vor dominieren die fossilen Brennstoffe den Wärmemarkt in Deutschland. Mehr als 85 Prozent aller verkauften Heizgeräte waren auch im Jahr 2018 Gas- oder Ölkessel. Ein Rück­­gang fossiler Brennstoffe ist nicht in Sicht, denn der Absatz ist gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent angewachsen. Und was geschieht nach 2030, wenn es darum gehen muss, die Dekarbonisierung in Richtung 100 Prozent zu bringen? BDH-Präsident Uwe Glock geht davon aus, dass in diesem Zeitraum ein zweiter Zyklus erfolgt und die Bürger ihre bis 2030 installierten Kessel nach und nach austauschen. Gas soll aber auch dann noch eine zentrale Rolle spielen. Zukünftig sollen Biomethan aus Pflanzen und synthetisches Methan, das man aus erneuerbarem Strom gewinnt, in das Gasnetz eingespeist werden. Der Vorteil dieses möglichen Pfades: Alles bleibt im Wesentlichen so, wie es ist. Der Nachteil: Stellte man das gesamte, zurzeit in Deutschland verbrauchte Methan synthetisch her, bräuchte das Land allein dadurch deutlich mehr als doppelt so viel Strom wie heute. Die Kosten für die Herstellung des synthetischen Methans müssten nicht unbedingt eine Hürde sein. Eine Studie im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 Power-to-Gas-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 MW recht nah an den heutigen Preis von Erdgas herankommen können, wenn der Strom für die Herstellung von allen Umlagen, Abgaben und Steuern befreit würde. Dennoch gehen die Autoren der Studie davon aus, dass die Power-to-Gas-Kapazitäten in Deutschland nicht ausreichen werden und zusätzlich „grünes Gas“ importiert werden muss. Hybridsystem im Altbau Wer heute schon zu möglichst 100 Prozent mit erneuerbarer Energie heizen möchte, kann daher kaum auf den Gaskessel setzen. Was dann? BDH-Präsident Uwe Glock unterscheidet nach Gebäudestandard. Ein saniertes und gedämmtes Bestandgebäude könne man mit einer Wärmepumpe ausstatten. Im unsanierten Haus kommt für ihn eine Hybridheizung aus Grundlastwärmepumpe und Spitzenlastkessel in Frage. Zum Beispiel präsentierte Buderus auf der ISH als „Messe-Highlight“ ein Öl-Brennwert-Hybridsystem. Dem Handwerker verspricht das Unternehmen mit Hilfe des neuen Produktes, seine „Kompetenz als Systemexperte“ stärken zu können. Förderung für Hybridheizung? In einem aktuellen Positionspapier fordern der BDH und der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) auch eine spezielle Förderung im Marktanreizprogramm für solche Hybridheizungen. Bei milder Witterung und wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht, soll in solchen Systemen die Wärmepumpe allein arbeiten. Kommt es hingegen zu einer „kalten Dunkelflaute“ ohne Wind- und Solarstrom, kann der Gaskessel die Wärme­versorgung ganz allein übernehmen. Das soll die Stromnetze entlasten, so die Idee. Als Alternative zum Öl- oder Gaskessel bietet der Markt auch Hybridlösungen aus Wärmepumpe und Holzkessel an. Damit ist zumindest sichergestellt, dass die Wärme für die Spitzenlast an kalten Tagen zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie stammt. Heizen mit Strom? Bleibt der Strom. In 10 bis 15 Jahren wird der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix noch weit von 100 Prozent entfernt sein. Thorsten Herdan, Abteilungsleiter Energiepolitik im Bundeswirtschaftsministerium, betont: Wärmepumpen gingen nicht, wenn man in diesem Zeitraum zu 100 Prozent erneuerbare Energie für die Heizung nutzen möchte. „Das geht nur mit Biomasse, Photovoltaik und Solarthermie“, sagt Herdan. Er verweist auf Konzepte wie das Sonnenhaus, sagt aber auch, dass solche Konzepte nicht unbedingt kostengünstig seien. Er plädiert daher dafür, sich dem Ziel Schritt für Schritt zu nähern, um nicht sofort 100 Prozent erneuerbare Energie nutzen zu müssen. Das sieht die Mehrheit der Bevölkerung anscheinend ähnlich, denn der Absatz von Holzkesseln ist im Vorjahr um 9 Prozent geschrumpft. Gerade einmal 3,3 Prozent aller verkauften Heizgeräte nutzen zurzeit Biomasse. Mikro-KWK löst Heizproblem nicht Von einem sehr niedrigen Niveau aus stieg aber der Absatz von sehr kleinen BHKW im Vorjahr um 6 Prozent an. Trotz des Zugewinns machen diese KWK-Heizgeräte weniger als 1 Prozent am Gesamtmarkt aus. Technologisch unterscheiden sich die Geräte danach, ob sie einen klassischen Verbrennungsmotor, einen Stirling-Motor oder eine Brennstoffzelle für die Stromerzeugung einsetzen. Neuheiten bot die ISH in diesem Jahr bei den Brennstoffzellengeräten. Bei Buderus findet sich unter den „Messe-Highlights“ das Brennstoffzellenaggregat BlueGEN. Mit einer elektrischen Leistung von 1,5 kW kann das BHKW laut Buderus bis zu 13.000 kWh Strom im Jahr aus Erdgas erzeugen. Dank der Feststoff-Brennstoffzelle SOFC erzielt das Gerät 60 Prozent Wirkungsgrad. Brennstoffzelle aus Allendorf Auch Viessmann hat mit dem Vitovalor PA2 ein neues Brennstoffzellengerät im Programm. Es soll als Ergänzung zu bestehenden Heizungen installiert werden. Viessmann setzt auf die PEM-Brennstoffzelle, deren Wirkungsgrad mit 37 Prozent deutlich geringer ist als bei der SOFC-Zelle. Daher leistet das Gerät bei einer elektrischen Leistung von 0,75 kW zusätzlich 1,1 kW thermisch. BHKW mit Brennstoffzellen sind eigentlich keine Neuheit. Schon vor 20 Jahren sollten sie kurz vor der Marktreife stehen. Probleme machte den Entwicklern aber die Lebensdauer der Brennstoffzellen. Viessmann geht heute davon aus, dass die PEM-Brennstoffzelle auf 80.000 Betriebsstunden kommt. Das entspräche einer Einsatzdauer von rund 10 Jahren. Wenn das Gerät im 5-Jahres-Turnus fachgerecht gewartet wird, soll es aber sogar 20 Jahre durchhalten. Sind solche Mikro-BHKW in Hinblick auf die Umstellung der Heiztechnik eines durchschnittlichen Bestandsgebäudes im Sinne des Klimaschutzes auf möglichst 100 Prozent erneuerbare Energie eine Option? Leider nein. Bei einem Bestandsgebäude mit einer Heizlast von 25 kW trägt ein Brennstoffzellengerät wie das von Viessmann nur zu einem verschwindend geringen Anteil zur Gesamtheizenergie bei. Der Effekt für den Klimaschutz ist auf der Heizseite minimal. Schon eine kleine Solarthermieanlage kann da viel mehr bewirken. Anders sieht es auf der Stromseite aus. Denn viele kleine Mikro-BHKW können den Strombedarf senken und sie können in Kombination mit PV-Anlagen gezielt dann Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint. PtG-Anlage im Einfamilienhaus Es ist sogar möglich, den Brennstoff für das Mikro-BHKW aus eigenem Solarstrom zu gewinnen. Das Unternehmen Home Power Solutions stellte auf der ISH ein System vor, das im Sommer überschüssigen Solarstrom nutzt, um Wasserstoff zu erzeugen. Dieser wird bis in den Winter in Stahlbehältern gespeichert, um dann aus dem Wasserstoff mit Hilfe von Brennstoffzellen wieder Strom zu erzeugen. Dieses Konzept kann Stromautarkie gewährleisten. Für eine Wärmeautarkie im Bestandsgebäude wären aber derart viele Stahlbehälter und eine entsprechend große PV-Anlage nötig, dass eine Umsetzung schon aus Platzgründen praktisch nicht möglich ist – von den Kosten gar nicht zu sprechen. Bleibt die Solarthermie. In Sonnenhäusern kann man schon heute auch im sanierten Bestand fast 100 Prozent mit erneuerbarer Energie heizen. Um mehr als 50 Prozent Solarwärmeanteil zu erreichen, sind auch gar nicht unbedingt riesige Speicher nötig. Ein 1000 Liter fassender Speicher mit einer 14 kW-Solarthermieanlage reicht dafür schon aus. Doch solche Konzepte suchte man auf der ISH vergeblich. Text: Jens Peter Meyer

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