EuGH-Urteil: EEG ist keine Beihilfe

Solarthemen+plus. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat gestern in einem weitreichenden Urteil festgestellt, dass das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der Fassung des Jahres 2012 keine staatliche Subvention im Sinne der europäischen Beihilferichtlinie war.
Der EuGH korrigierte damit als Revisionsinstanz ein Urteil des Europäischen Gerichts (EuG). Dieses hatte vor zwei Jahren die Klage der deutschen Bundesregierung gegen den von der EU-Kommission behaupteten Beihilfecharakter des EEG abgewiesen. Zwar bezieht sich das gestrige Urteil direkt nur auf das EEG des Jahres 2012, das seitdem mehrfach überarbeitet wurde. Allerdings gehen Experten davon aus, dass es auch für künftige EEG-Novellen von großer Bedeutung sein kann. Denn erst die nachträgliche Einstufung des EEG 2012 als staatliche Beihilfe durch die EU-Kommission hatte dazu geführt, dass seitdem alle EEG-Novellen von Brüssel unter Verweis auf die europäische Beihilferichtlinie aktiv mitgestaltet wurden. Die wesentlichen Veränderungen des EEG in den letzten Jahren – allen voran der Wechsel zum Ausschreibungsprinzip – wurde von der jeweiligen Bundesregierung stets auch mit dem Hinweis auf angeblich alternativlose Vorgaben der EU-Kommission durchgesetzt. Dabei wäre Brüssel aus heutiger Sicht nach dem EuGH-Urteil gar nicht zuständig gewesen. Brüssel hat nicht mehr mitzureden Jahrzehntelang waren den Brüsseler Wettbewerbshütern zuvor beim deutschen EEG die Hände gebunden gewesen. Denn ähnlich wie bereits beim Vorgänger, dem Stromeinspeisegesetz (StrEG), hatten dessen Mütter und Väter beim EEG darauf geachtet, dass die Förderungen für Anlagenbetreiber weder direkt noch indirekt über staatliche oder staatlich kontrollierte Kassen liefen. Das sogenannte PreussenElektra-Urteil des EuGH von 2001 hatte bestätigt, dass StrEG- und damit auch EEG-Vergütungen keine Subventionen sind, und das oberste Gericht der EU hatte damit die alleinige Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers gegenüber Brüsseler Begehrlichkeiten gesichert. Angreifbar wurde diese Rechtsauslegung erst mit dem im EEG 2009 geänderten Wälzungsmechanismus – vor dem insbesondere die Ideengeber des ersten EEG, Hermann Scheer und Hans-Josef Fell, erfolglos gewarnt hatten. Seitdem werden nicht mehr die Strommengen aus erneuerbaren Energien auf alle Verbraucher gleichmäßig verteilt, sondern der EEG-Strom wird von den Übertragungsnetzbetreibern an die Börse gebracht, und verteilt werden die Differenzkosten, also Geld. Die Steuerung dieser Geldströme werde vom Staat kontrolliert, argumentierte die EU-Kommission zur Begründung ihrer Auffassung, dass das EEG nunmehr Beihilfecharakter habe. Zwar hat die Bundesregierung gegen diese Brüsseler Rechtsauffassung geklagt, und damit gestern höchstrichterliche Bestätigung erhalten. Dennoch hatten deutsche Ministerien sämtliche EEG-Novellen seit 2014 vorab mit der EU-Kommission abgestimmt und dann notifizieren lassen. Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), sagt dazu: „Es ist schon tragisch, dass wir jahrelang in Deutschland auf Befehl der EU Kommission Gesetze gemacht haben, die so nicht nötig gewesen wären.“ Dazu zählt nicht nur der große Paradigmenwechsel im EEG mit der Einführung obligatorischer Ausschreibungen für Windkraft- und PV-Anlagen oberhalb 750 kW. Thorsten Müller, Vorsitzender der Stiftung Umweltenergierecht, erinnert im Gespräch mit den Solarthemen daran, wie viele wesentliche Details der Gesetzgebungsverfahren mit dem Hinweis auf Brüsseler Vorgaben vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagen und vom Parlament beschlossen wurden. Beispielsweise seien die gemeinsamen Ausschreibungen für Wind und Photovoltaik auf Druck der Brüsseler Wettbewerbshüter eingeführt worden, ebenso die Streichung der Förderung bei über sechs Stunden anhaltenden negativen Strompreisen. Auch die grenzüberschreitenden PV-Ausschreibungen, die bislang nur zwischen Deutschland und Dänemark erprobt werden, sind auf dem Mist der EU-Kommission gewachsen. Und zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auch die umstrittenen Sonderabsenkungen der Vergütung für Photovoltaikanlagen zwischen 40 und 100 KW mit zwingenden europäischen Beihilferegeln gerechtfertigt. „Die Entscheidung des EuGH heißt allerdings nicht, dass es nun ein Zurück zum alten EEG geben kann, wie es jetzt erste Stimmen fordern“, warnt Europarechts-Experte Müller. „Dafür sorgen schon die neue Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung und die Erneuerbare Energien-Richtlinie, die für Anlagen oberhalb von 400 kW feste Einspeisevergütungen ausschließen und ein Marktprämienmodell als Standard vorgeben.“ Übrigens lasse sich das EEG-Urteil des EuGH unmittelbar auch auf das KWK-Gesetz übertragen, betont Müller. Somit hätte nicht nur der KWK-Branche große Investitionsunsicherheiten während des Tauziehens zwischen Berlin und Brüssel um das KWK-Gesetz erspart bleiben können. Auch das EEG sähe stellenweise anders aus, da es bei Deals zwischen Brüssel und Berlin um die KWK-Förderung als Verhandlungsmasse eingesetzt wurde. Die Präsidentin des BEE, Simone Peter, sagt zum EuGH-Urteil: „Der deutsche Gesetzgeber hat dadurch wieder deutlich mehr Handlungsspielräume.“ Nun müsse alles auf den Prüfstand, was auf Druck der EU-Kommission in das EEG aufgenommen wurde und mehr Nachteile als Vorteile bringe, dazu gehörten unter anderem die Nicht-Vergütung bei negativen Strompreisen. Auch die Ausschreibungsregelungen müsse man sich genau anschauen. Für den Versorgerverband BDEW warnt dessen Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer hingegen: „Die EuGH-Entscheidung sollte die Bundesregierung jedoch nicht dazu verleiten, weitere Ausnahmen im EEG zu schaffen oder erfolgreiche Korrekturen zur Kostendämpfung wieder zurückzunehmen.“ Ob und wann sich das EuGH-Urteil in deutscher Gesetzgebung niederschlägt, bleibt abzuwarten. Allerdings werde der Spruch des EuGH auch direkt einen Klimaschutzeffekt haben, scherzt Thorsten Müller, „weil demnächst viel seltener Ministeriumsbeamte zwischen Berlin nach Brüssel hin und her fliegen müssen.“

Text: Guido Bröer

Foto: EuGH

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