PV-Steckersysteme: Die Ruhe vor dem Boom?

Der Markt für steckbare Solarstromsysteme ist deutlich in Bewegung geraten. Mehr Geräte werden verkauft. Und auch einige Fragen zum Umgang mit den Anlagen beim Anschluss an das Netz scheinen ge­klärt. Doch das Potenzial wird noch lange nicht ausgeschöpft.

Energiewende kann so einfach sein: Die Lieferung mit ein bis drei Teilen ist schnell ausgepackt und die nötigen Elemente werden mühelos verbunden. Am Balkon hängen bereits ein sicheres Gestell oder ein passender Haken an der Wand. Schon nach wenigen Minuten wird der Stecker in die Dose gesteckt und man ist Stromerzeuger in eigener Sache. Anlagen sind wirtschaftlich Steckbare Solarstromanlagen haben das Zeug zum Massenmarkt, seitdem auch deren Kosten gesunken sind und mit den kleinen Geräten sehr viele Menschen ihren Strom unterhalb der Strompreise ihres Energieversorgers produzieren können. Mit einem Einstiegspreis von wenigen hundert Euro sind die Anlagen für Mieter erschwinglich – oder auch als gemeinsames Geschenk zum Einzug in die erste Studenten-WG oder zur silbernen Hochzeit geeignet. Eine wichtige Voraussetzung, um selbst Strom erzeugen und Geld sparen zu können, ist lediglich eine erreichbare Steckdose, die gesondert abgesichert sein und bestimmten Anforderungen genügen sollte. Kein Problem und nicht besonders teuer – insbesondere wenn Vermieter im Interesse ihrer Mieter dafür sorgen. Tatsächlich ist der Markt für steckbare Solarstromanlagen in den vergangenen Jahren sehr deutlich gewachsen. Dies bestätigt Marcus Vietzke, auch wenn er keine konkreten Zahlen nennen möchte. Vietzke ist Koordinator von pvplug, einer Initiative der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), und Geschäftsführer der indielux UG, die sich mit der Entwickung von steckbaren PV-Anlagen befasst. Eine Markt­statistik gibt es nicht. Doch in der Branche ist davon die Rede, die Zahl der verkauften Anlagen habe sich im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr eventuell verdoppelt. Größeren Zuspruch für die Mikro-Solarstromanlagen sieht auch Aymeri Raphael Barrailh, Verkaufs und Marketingmanager bei der deutschen AEconversion GmbH & Co. KG. Das Unternehmen hat bereits vor einigen Jahren einen Modul-Wechselrichter entwickelt. Dieser wird außerhalb Deutsch­lands vor allem in größeren PV-Anlagen und -Parks eingesetzt. In Deutschland jedoch würden die Geräte eher in Verbindung mit Mikro-Solaranlagen Verbreitung finden. Dass das Interesse an diesen Anlagen wachse, zeige sich auch in den gut zweistellig wachsenden Absatzzahlen, so Barrailh. Er sieht auch in den komplizierten Mieterstrommodellen, die es Vermietern schwer machen, ihre Mieter mit Strom zu versorgen, einen Grund für den Zuwachs. Die kleinen Anlagen, die man einfach auf den Balkon stellen kann, seien ein alternatives Mieterstrommodell. Spezielle Wechselrichter Viele Anbieter für die kleinen Wechselrichter gebe es nicht, so Barrailh. Die stärkste Konkurrenz komme mit Unternehmen wie Envertec aus China. AEconversion habe sein Gerät schon 2012 auf den Markt gebracht und damit schon die geforderten Sicherheitsanforderungen, wie eine automatische Netztrennung, einhalten können. In diesem Jahr komme eine neue Generation des Modulwechselrichters, die auf eine etwas größere Eingangsleistung von 315 Watt ausgelegt sein und zudem sogar noch leichter werde. AEconversion wolle sich damit auf Module mit entsprechender Leistung einstellen. Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Solar-Info-Zentrum GmbH, sieht seit Oktober 2018 einen Aufwärtstrend. Mit der VDE Anwendungsregel N 4105 für Erzeu­gungs­anlagen am Niederspannungsnetz, die Anfang November vergangenen Jahres mit einer Übergangszeit bis zum 27. April dieses Jahres in Kraft trat, seien Steine aus dem Weg geräumt worden. Eine Herzensangelegenheit Für Müller sind die Steckergeräte eine Herzensangelegenheit. Sein Unternehmen habe sogar speziell für die Anlagen ein eigenes Modul mit einem stabileren Rahmen entwickelt. „Doch wenn ich den ganzen Aufwand mit vielen Vorträgen und weiteren Aktivitäten rechne, ist dieses Geschäftsfeld für uns total unrentabel”, so Müller, aber es gehöre zur Energiewende von unten, die ihm wichtig sei. Und dieser Bereich entwickele sich. So habe gerade eine ältere Dame ihr Interesse signalisiert, an ihrem Mietshaus für die Mieter Stecker-Solarmodule an den Balkonen installieren zu lassen. In der Regel, so Müller, seien die Mikro-PV-Anlagen für Installateure kein interessantes Feld, weil sie leicht selbst aufgebaut werden könnten. Es gebe aber auch Kunden, die sich nicht darum kümmern und dies lieber einem Fachmann überlassen wollten. Der Installateur ist gefragt, wenn es um eine eventuell erforderliche Installation einer Steckdose geht. Dabei ist noch umstritten, was eingesetzt werden muss. Reicht eine übliche Schuko-Steckdose aus? Die Anwendungsregel sagt Nein und fordert spezielle Steckdosen – die Anwendungsregel ist aber nicht verbindlich. Einige Experten, die in der DGS-Initiative pvplug (www.pvplug.de) mitarbeiten, halten eine Schuko-Steckdose, wenn wesentliche Sicherheitsanforderungen beachtet werden, jedoch für ausreichend. Um dieses Thema wird wohl noch vor Gerichten gestritten werden. Ebenso gibt es noch Auseinandersetzungen um den Zähler. Wohl fast alle Netzbetreiber halten einen Zähler ohne Rücklaufsperre nicht für ausreichend. Manche tauschen ihn dann gegen einen mit Sperre aus – ohne Kosten für den Anlagenbetreiber. Andere Netzbetreiber pochen auf den Einbau eines Zweirichtungszählers, weil ja sonst nicht messbar sei, ob eine Steckers­olar­anlage nicht doch Strom ins Netz einspeise. Die Fixierung auf solche technischen Fragen hält Jurist Jörn Bringewat von der Rechtsanwaltskanzlei von Bredow Valentin Herz für verfehlt. Es sei vor allem eine Frage des Rechts. Für den Netzbetrieb gehe von den kleinen PV-Anlagen keine Gefährdung aus. Sie seien daher zulässig. Und auch gegen einfache Zähler ohne Rücklaufsperre spreche aus seiner Sicht nichts. Auch bei Aufzügen komme es zu einer Rückspeisung von Strom – und das habe einen Netzbetreiber noch nie interessiert. Restriktive Netzbetreiber Wie die Diskussionen auf der Website Photovoltaikforum zeigen, gehen Netzbetreiber sehr unterschiedlich restriktiv mit steckbaren Solarstromanlagen um. Manche haben bislang noch nicht einmal das in der VDE-AR N 4105 vorgesehene vereinfachte Anmeldeverfahren umgesetzt, obwohl dies spätestens seit November 2018 bekannt ist. Bei den Zählern gibt es keine einheitliche Linie. Müller hat aber den Eindruck, dass einige Netzbetreiber kooperativer würden, die sich noch vor zwei Jahren massiv gegen die Anlagen gestemmt hätten. Die teils unklare Situation hemmt den Markt für Mikro-PV-Anlagen derzeit noch. Mehr und mehr Betreiber scheren sich aber schon nicht mehr um die Anforderungen der Netzbetreiber und stöpseln ihre Anlagen ein. Helfen könnte aber auch eine Produktnorm für die Stecker-Solaranlagen. Derzeit erfüllen nicht alle auf dem Markt angebotenen Anlagen den Standard, den die DGS-Initiative pvplug aus Sicherheits­gründen definiert hat. Wie Vietzke erklärt, ist die Norm auf dem Weg, ganz so schnell werde sie aber nicht kommen. Dafür sei ein neues Normungsverfahren zu aufwändig. Dennoch spreche dies nicht gegen die Stecker-Solaranlagen und ihre massenhafte Verbreitung.

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