Solare Fernwärme – ein Markt entsteht
Für die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB), die derzeit 14 Wärmenetze mit 22 Erzeugungsanlagen und 133 MW thermischer Leistung betreiben, spielt das Solarprojekt mit seinen 1088 Kollektoren samt Wärmespeicher eine Schlüsselrolle. Von der Bundesregierung im Projekt „SolarHeatGrid“ mit 10 Millionen Euro gefördert, werden zugleich drei Inselnetze in den Netzverbund Ludwigsburg integriert. Der größte Erzeuger ist hier seit 2009 ein wärmegeführtes Biomasseheizkraftwerk mit 9,75 MW thermischer und 2,1 MW elektrischer Leistung einer ORC-Turbine. Die mit Schreddermaterial aus regionaler Landschaftspflege und Hackschnitzeln aus Waldrestholz gefütterte Anlage läuft bislang von Oktober bis Juni. In den Sommermonaten wird die Wärme mit fossil befeuerten Heizkesseln erzeugt, was die CO2-Bilanz der Fernwärme verschlechtert, sowie mit zusätzlicher BHKW-Leistung, die in der Heizperiode in „Konkurrenz“ zum Biomasse-Heizkraftwerk steht.
Win-Win-Situation
Mit der Solarthermieanlage und dem 2000 Kubikmeter großen Pufferspeicher schlagen die Stadtwerke daher mehrere Fliegen mit einer Klappe. Sie sparen durch eine solare Jahreserzeugung von prognostizierten 5500 Megawattstunden entsprechend viel Brennstoff und Lieferverkehr im Ballungsraum. Die Heizperiode für das Biomasseheizwerk verkürzt sich künftig um einen Monat. Die Solaranlage verbessert zugleich die CO2-Bilanz der Fernwärme massiv, weil sie im Sommer vor allem fossile Energien verdrängt. Die Solarwärme wirkt im Gesamtnetz preisstabilisierend.
Stadtwerke entdecken die Sonne
Kein Wunder also, dass die SWLB nicht der einzige Energieversorger sind, die an der Solarisierung ihres Wärmenetzes arbeiten. Ein aktueller Marktstatusbericht des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites weist 34 solarthermische Großanlagen aus, die mit einer Gesamtleistung von 44 Megawatt (MW) und einer Bruttokollektorfläche von 62.700 m2 in deutsche Fernwärmenetze eingebunden sind. Im Jahr 2019 werden laut Solites voraussichtlich weitere 19 Megawatt mit 23.200 m2 Kollektorfläche an den Start gehen. Für die kommenden fünf Jahre bis 2023 erwartet das Institut eine Verdopplung der Anlagenzahl auf 70 große Solarsysteme mit einer Verdreifachung der Leistung auf dann 140 MW. „Diese Zahl errechnet sich aus bereits laufenden Projekten und konkreten Machbarkeitsstudien, wobei wir die jeweilige Realisierungswahrscheinlichkeit als Faktor einkalkuliert haben“, erläutert Solites-Institutsleiter Dirk Mangold.
Auffällig ist, dass die Experten für die nächsten Jahre vor allem von einem Wachstum im Bereich der städtischen Wärmenetze ausgehen. In den vergangenen Jahren machten nämlich neben dem Noch-Rekordhalter Stadtwerke Senftenberg mit der 8300-m2-Solaranlage vor allem einige Solar-Bioenergiedörfer von sich reden. Von diesen ländlichen Wärmenetzen mit Kollektorfeldern zwischen 600 und 3400 m2 und einer Holz-Zusatzheizung sind deutschlandweit inzwischen neun in Betrieb. Allein fünf davon starteten im vergangenen Jahr, teils betrieben von Bürgerenergiegesellschaften.
Jetzt aber ziehen die städtischen Fernwärmeversorger nach, deren Projekte wegen der höheren Komplexität einen längeren Vorlauf benötigen. Beispielsweise haben die Stadtwerke Erfurt Ende Mai neben ihrem Heizwerk zwei Kollektorfelder von 1155 m2 (Vakuumröhren von Ritter XL) und 550 m2 (Flachkollektoren von S.O.L.I.D.) eingeweiht. Sie wollen mit dieser relativ kleinen Anlage zunächst Erfahrungen sammeln, um im nächsten Schritt weitaus größere Solarinstallationen zu errichten.
Ähnliche Funktion erfüllt auch die 1000- m2-Anlage von Vattenfall in Berlin-Köpenick. Sie hat in ihrer ersten Saison alle Prognosen getoppt und 520 MWh Wärme produziert.
Die Stadtwerke Halle an der Saale sparen sich eine solche Testphase und haben kürzlich den Zuschlag zum Bau einer gut 5000 m2 großen Anlage an den dänischen Anbieter Arcon-Sunmark vergeben.
iKWK-Ausschreibung als Vehikel
Gleich dreimal so groß soll eine Anlage werden, die die Stadtwerke Greifswald bauen möchten. Interessant ist hier die Art der Refinanzierung, denn 2018 hat sich der Greifswalder Versorger mit seinem Projekt erfolgreich an der ersten Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur für innovative KWK-Anlagen beteiligt (iKWK-Ausschreibung). Dieses Fördermodell, bei dem regenerative Wärmeerzeugung beispielsweise durch Solarthermie indirekt über einen hohen Zuschuss für den KWK-Strom von bis zu 12 Cent gefördert wird, sollte für Versorger eigentlich eine attraktive Alternative zur regulären KfW-Förderung sein.
Allerdings hat das Fördermodell in der aktuellen Fassung seine Tücken. Die Solarbranche reklamiert, dass vorgesehene Pönalen im Falle von Ertragsschwankungen einseitig zu Lasten der Solarthermie gingen. Branchenverbände setzen sich für entspre- chende Änderungen ein.
Solarthermie im Aufbruch
Welches Fördermodell die Stadtwerke Kempen am Niederrhein für ihr geplantes Solarthermieprojekt favorisieren, ist bislang noch nicht klar. Innerhalb der kommenden drei Jahre soll auf Ackerflächen am Rande der Stadt jedenfalls ein Kollektorfeld entstehen, das groß genug ist, um 15 Prozent des Jahresfernwärmebedarfs der 35.000-Einwohner-Stadt zu decken und möglichst die ganze Sommerlast. 12 Hektar Fläche sind dafür avisiert – also etwa so viel, wie alle bislang realisierten Fernwärme-Solaranlagen zusammen einnehmen.
Daran zeigt sich einerseits, dass der Markt der solaren Fernwärme langsam auch in Deutschland Fahrt aufnimmt. Zugleich kann dies aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche hierzulande noch ganz am Anfang steht. Dirk Mangold rechnete beim Forum Solare Wärmenetze Anfang Juni in Stuttgart vor: Um im Jahr 2050 rund 12 Terawattstunden Solarthermie für die Fernwärme zu ernten und damit der Gebäudestrategie der Bundesregierung zu entsprechen, müsste die jährlich errichtete Anlagenleistung um den Faktor 50 wachsen. 30 Jahre lang wäre ein Zubau von jeweils 1 Million m2 Kollektorfläche nötig.
Text: Guido Bröer
Foto: Steve Bauerschmidt, Stadtwerke Erfurt