Interview mit Peter Stratmann (Bundesnetzagentur): „Das Marktstammdatenregister ist wunderschön“
Solarthemen: Routine scheint der Umgang mit dem Marktstammdatenregister noch nicht zu sein – welche Resonanz bekommen Sie?
Peter Stratmann: Natürlich jubeln jetzt noch nicht alle. Wir bekommen ja die Anrufe auf der Hotline aus erster Hand. Selbstverständlich gibt es Menschen, die mit dem System fremdeln und Schwierigkeiten damit haben. Das scheint uns aber nicht die größere Zahl zu sein. Die meisten, mit denen wir Kontakt haben, finden es nachvollziehbar und gut. Selbstverständlich bekommen wir auch andere Rückmeldungen, aber Schmäh-Mails sind weitgehend ausgeblieben. Natürlich hat das Register noch Kinderkrankheiten.
Betreiber bestehender Anlagen haben zwei Jahre Zeit für die Anmeldung. Wie viele sind schon drin?
Wir haben jetzt etwas mehr als 300.000 Registrierungen. Das finden wir nicht schlecht, weil die Netzbetreiber in Absprache mit uns jetzt gerade erst beginnen, die Briefe an die Anlagenbetreiber zu verschicken.
Wie viele dieser frühen Anmelder mussten von Ihnen per E-Mail oder Hotline betreut werden?
Fast jeder zweite ruft bei uns an und sucht Hilfe. Mit dieser Zahl sind wir nicht zufrieden. Das ist viel zu viel, auch wenn da Doppelzählungen drin sind, weil manche Leute mehrmals anrufen. Unsere Mitarbeiter notieren die Anrufgründe, so dass wir gezielt das verbessern können, womit die Leute Schwierigkeiten haben. Parallel dazu haben wir erneut User-Tests gemacht, um zu schauen, an welchen Stellen die Nutzer sich schwer tun.
Verlangen Sie nicht zu viel von den PV-Nutzern, die ja zumeist Laien sind?
Wir geben uns sehr viel Mühe mit Hilfetexten, aber dabei gibt es ein grundsätzliches Problem: Die Materie ist doch so kompliziert, dass Hilfetexte, wenn wir ein Thema wirklich erklären wollen, recht lang werden. Dann liest man sie aber nicht vollständig. Wenn wir sie kürzer machen würden, fehlen Informationen. Vor diesem Zwiespalt stehen wir leider permanent. Ein User hat uns wegen so einer Stelle neulich eine pampige Mail geschrieben, die am Ende bei mir gelandet ist. Ich habe ihm freundlich zurückgeschrieben und gefragt, ob er denn Vorschläge habe, wie man diesen wirklich etwas schwer zu verstehenden Punkt besser lösen könne. Daraufhin hat er uns einen super Vorschlag gemacht, den wir in Kürze umsetzen werden.
Installateure berichten uns, dass sie oft Error-Meldungen bekommen und das Register nicht zu erreichen ist.
Das ist leider eine Art von Bugs, die das Register noch hat: Weil es so viele Funktionen hat, ist die Möglichkeit von Fehlern nicht klein. Wir versuchen das jeweils schnell zu beheben. Sobald man aber an der einen Stelle schraubt, schleichen sich gern mal an anderer Stelle neue Fehler ein. Der zweite Fehler sind Performance-Probleme. Die führen mitunter zum Time-out. Das System übernimmt dann Eingaben nicht, die man gemacht hat. Das ist für Benutzer natürlich superärgerlich. In den letzten zwei Wochen scheinen unsere Spezialisten hier aber weiter gekommen zu sein.
Ich kenne einen Fall, wo jemand die Meldefrist von einem Monat nicht einhalten konnte, weil das Register ihn mehrmals rausgeschmissen hat. Muss der mit Vergütungskürzung rechnen?
Wenn wir eindeutig schuld sind, dass eine Anlage nicht registriert werden kann, dann wird das in keinem Fall zu Lasten des Anlagenbetreibers gehen. Für meinen Geschmack reden wir aber ein bisschen viel über die Probleme. Denn das Register ist wunderschön.
Was finden Sie so schön daran?
Wir gehen ganz stark davon aus, dass das Marktstammdatenregister – nach der Einführungsphase – eine Verwaltungsvereinfachung darstellt. So dass die Leute wissen, dass sie ihre Anlage, die nun mal energiewirtschaftlich relevant ist, nicht an all den verschiedenen Stellen registrieren müssen, die sich für deren Daten interessieren – Netzbetreiber, Energieversorger, Politik, Statistiker – sondern nur an einer.
Trotzdem nochmal: Worüber stolpern die Leute bei der Eingabe?
Eine der Klippen ist die Wechselrichterleistung. Im Hilfetext wird dazu geraten, in den Keller zu gehen und das Typenschild des Wechselrichters zu fotografieren. Eine weitere Klippe, die wir inzwischen abgebaut haben, war die Verwechslungsgefahr zwischen Watt und Kilowatt bei der Modulleistung. Deshalb haben Leute viel zu große Anlagen eingetragen. Wir haben jetzt einen Warnhinweis eingebaut, sobald eine Anlage eingetragen wird, die größer als 30 kW ist. Da weisen wir darauf hin, dass eine 30-kW-Anlage so groß ist wie ein Tennisplatz. Seitdem ist diese Fehlerquelle stark zurückgegangen.
In einem Forum beschwert sich jemand, dass die geografischen Koordinaten auf mehrere Stellen hinter dem Komma eingetragen werden müssen.
Das kann man sich leicht machen, indem man auf einen Knopf drückt, so dass die Koordinaten aus der Adresse übernommen werden. Aber das wolllen wir noch weiter vereinfachen, denn manche Leute finden diesen Knopf nicht. Demnächst werden die Koordinaten automatisch aus der Adresse übernommen, und nur bei Abweichung muss man selbst aktiv werden.
Was passiert denn eigentlich, nachdem ein Anlagenbetreiber seine Daten eingegeben hat?
Die Netzbetreiber müssen in jedem Einzelfall die Daten zur Anlage und zum Anlagenbetreiber prüfen, also mit ihren eigenen Daten vergleichen. Wenn es Abweichungen gibt, erhält der Anlagenbetreiber eine Nachricht per E-Mail. Er muss sich dann erneut im System anmelden und kann entscheiden, ob er die Daten des Netzbetreibers akzeptiert oder ob er einen neuen Wert eintragen möchte.
Manche Leute wundern sich über die Tickets, die sie in solchen Fällen vom System bekommen.
Ja, das Ticketsystem ist für den Anlagenbetreiber nicht sehr eingängig und etwas anstrengend. Das wollen wir ändern, so dass die Leute nur eine Eingabemaske bekommen, auf der sie direkt sehen, was sie ändern sollen.
Wer bekommt die Korrespondenz, wenn der Installateur für seinen Kunden die Einträge vorgenommen hat?
Das kommt darauf an, wie er das angelegt hat. Es bekommen entweder beide oder nur der Installateur diese Informationen des Systems. Wir empfehlen, dass der Installateur auch den Anlagenbetreiber im System einträgt.
Was passiert, wenn ein Installateur netterweise viele PV-Anlagen seiner Kunden eingetragen hat und dann den Betrieb aus Altersgründen schließt?
Dann hoffen wir, dass er dafür gesorgt hat, dass die Leute ihre Daten selbst weiterpflegen können, oder derjenige, der den Betrieb übernimmt. Wenn man Stromerzeuger sein will – was die Leute ja wollen und was wir begrüßen –, dann erfordert das nun mal ein bisschen Fürsorge. Um diese zu vereinfachen gibt es dieses Register.
Jede Veränderung – Wechselrichter- oder Modultausch, Erbfall, Wechsel des Installateurs – ist also zeitlebens ein Fall für das Register.
Ja genau. Das Register wird die Bundesnetzagentur die nächsten Jahrtausende begleiten und die Anlagenbetreiber zumindest bis zum bitteren Ende ihrer Anlage.
Es wird also dauerhaft Anlässe für Anlagenbetreiber geben, durch ihr Tun oder Unterlassen Fehler zu begehen. Dafür können Sie erhebliche Bußgelder verhängen. Wie wollen Sie mit dieser Möglichkeit umgehen?
Konzentriert und vorsichtig. Wir wollen deutlich reagieren können, wenn jemand in dem System Falscheintragungen mutmaßlich absichtlich vornimmt. Wir wollen auch ungemütlich werden bei Untätigkeit von Akteuren, die zur Tätigkeit verpflichtet sind – namentlich Netzbetreiber. Denn die haben eine besonders wichtige Rolle in diesem System. Üblicherweise muss man aber mit Bußgeldern nur drohen und sie nicht verhängen.
Bestehende PV-Anlagen müssen bis zum 31.1.2021 im Register gemeldet werden, bestehende Speicher aber schon zum 31.12.2019. Da sind Meldepflichtverstöße vorprogrammiert.
Die Marktstammdatenregister-Pflicht ist für Speicher und Solaranlagen gleich: bei Bestandsanlagen zwei Jahre, bei neuen Anlagen ein Monat. Es gilt aber für Speicher noch eine weitere Frist zum 31.12.2019. Diese Frist ergibt sich aus einer sehr komplizierten Amnestieregelung. Ich habe mich aber persönlich dafür eingesetzt, dass der 31.1.2021 auch für Speicher das richtige Datum wird. Diese Änderung ist soeben vom Bundestag beschlossen worden und wird in Kürze gültig.
Wie erklären Sie, dass ich unsere 2-kW-PV-Anlage in ein staatliches Register eintragen muss, während mein gleichstarker Wasserkocher Staat und Energiewirtschaft gar nicht interessiert.
Die Stromwirtschaft ist seit Jahrzehnten darauf eingerichtet, Stromverbrauch durch Standardlastprofile abzubilden und individuelle Unterschiede durch Ausgleichsbildung zu eliminieren. Das funktioniert auf der Verbrauchsseite gut, weil die Leute sich statistisch verhalten. Bei der Erzeugung sind wir in einer anderen Welt, die hochgradig synchronisiert ist. Jede Erzeugung hinter der Hauptsicherung muss seit Jahrzehnten dem Netzbetreiber mitgeteilt werden. Auch weil es die Standardlastprofile komplett durcheinander bringt – erst recht, wenn ein Batteriespeicher mit der Anlage verbunden ist. Deshalb wollen wir auch die ganz kleinen Anlagen mitzählen, die in Summe viel bewegen – auch um diese Tatsache dann feiern können.
Interview: Guido Bröer
Foto: Bundesnetzagentur