Kraftstoff aus Luft und Ökostrom
Das Verfahren ist Teil des Projektes P2X, einer nationalen Forschungsplattform, die im Rahmen des Kopernikus-Projektes der Bundesregierung betrieben wird. Bei den vier beteiligten Partnern handelt es sich um Climeworks, Ineratec, Sunfire und KIT.
Wie das KIT mitteilte, ist es ihnen gelungen, auf dem Gelände der Karlsruher „erstmals alle vier benötigten chemischen Prozessschritte in einer containerbasierten Versuchsanlage zu einem kontinuierlichen Verfahren mit maximaler Kohlendioxidausnutzung und besonders hoher Energieeffizienz“ zu integrieren. Die Versuchsanlage habe die ersten Liter Kraftstoff aus Ökostrom, Wasser und Kohlendioxid aus der Luft produziert.
„Wind und Sonne versorgen uns weltweit mit einer ausreichenden Menge an Energie, aber nicht immer zur richtigen Zeit“, beschreibt Professor Roland Dittmeyer vom KIT, Koordinator des Forschungsclusters „Kohlenwasserstoffe und langkettige Alkohole“ innerhalb des Kopernikus-Projektes Power-to-X (P2X), das Dilemma der Energiewende. „Zudem brauchen einige wichtige Verkehrssegmente wie Flug- oder Schwerlastverkehr auch langfristig Kraftstoffe, da diese eine hohe Energiedichte aufweisen.“
Die notwendigen chemischen Prozessschritte haben die Partner in einer kompakten Anlage zusammengeschlossen, den gekoppelten Betrieb erreicht und damit das Funktionsprinzip demonstriert.
Die Technologiekombination verspreche die optimale Ausnutzung des eingesetzten Kohlendioxids und den größtmöglichen energetischen Wirkungsgrad, da die Stoff- und Energieströme intern recycelt würden. Die derzeitige Versuchsanlage könne rund zehn Liter Kraftstoff pro Tag produzieren.
In der zweiten Phase des Kopernikus-Projektes P2X werde bald eine Anlage mit 200 Litern pro Tag entwickelt. Danach soll eine vorindustrielle Demonstrationsanlage im Megawattbereich, also mit rund 1.500 bis 2.000 Litern Produktionskapazität pro Tag, entstehen. Damit wäre es theoretisch möglich, Wirkungsgrade von rund 60 Prozent zu erreichen, also 60 Prozent des eingesetzten Ökostroms als chemische Energie im Kraftstoff zu speichern.
Das Prinzip basiert auf vier Schritten. Im ersten gewinnt die Anlage Kohlendioxid aus der Umgebungsluft in einem zyklischen Prozess. Die Direct-Air-Capture-Technologie von Climeworks, eines Spin-offs der ETH Zürich, nutzt dazu ein speziell behandeltes Filtermaterial. Wie ein Schwamm nehmen die luftdurchströmten Filter Kohlendioxidmoleküle auf. Unter Vakuum und bei 95 Grad Celsius löst sich das anhaftende Kohlendioxid wieder von der Oberfläche und wird abgepumpt.
Im zweiten Schritt erfolgt die gleichzeitige elektrolytische Spaltung von Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Diese Co-Elektrolyse des Technologieunternehmens Sunfire produziert in einem einzigen Prozessschritt Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid, ein Synthesegas, das die Grundlage für vielfältige Verfahren in der chemischen Industrie ist. Die Co-Elektrolyse mit einem hohen Wirkungsgrad kann im industriellen Maßstab 80 Prozent des eingesetzten Ökostroms chemisch im Synthesegas binden.
Im dritten Schritt werden nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus dem Synthesegas langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle gebildet, die Rohprodukte für Kraftstoffe. Dazu liefert Ineratec, eine Ausgründung aus dem KIT, einen mikrostrukturierten Reaktor, der auf kleinstem Raum eine große Oberfläche bietet, um Prozesswärme sicher abzuleiten und für andere Prozessschritte zu nutzen. Der Prozess lässt sich auf diese Art leicht steuern, kann Lastwechsel gut verkraften und ist modular erweiterbar.
Der vierte Schritt optimiert schließlich die Qualität des Kraftstoffes und die Ausbeute. Diesen Teilprozess, das sogenannte Hydrocracken, hat das KIT in die Prozesskette integriert. Unter Wasserstoffatmosphäre spalten sich die langen Kohlenwasserstoffketten in Gegenwart eines Platin-Zeolith-Katalysators teilweise auf und verändern somit das Produktspektrum hin zu mehr verwendbaren Kraftstoffen wie Benzin, Kerosin und Diesel.
Besonders großes Potenzial biete das Verfahren laut dem KIT hinsichtlich seines modularen Charakters. Die Schwelle für eine Realisierung sei durch das geringe Skalierungsrisiko deutlich niedriger als bei einer zentralen, chemischen Großanlage. Das Verfahren könne dezentral installiert werden und sei somit dort einsetzbar, wo Solar-, Wind- oder Wasserkraft zur Verfügung stünden.
Insgesamt sind 18 Forschungseinrichtungen, 27 Industrieunternehmen sowie drei zivilgesellschaftliche Organisationen an P2X beteiligt. Innerhalb von zehn Jahren sollen neue technologische Entwicklungen bis zur industriellen Reife gebracht werden. In der ersten Förderphase stehen Forschungsarbeiten zur kompletten Wertschöpfungskette von elektrischer Energie bis zu stofflichen Energieträgern und Produkten im Fokus.
19.8.2019 | Quelle: KIT | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH