Wann endet die nächtliche Windkraft-Disco?

Solarthemen 519. Spätestens am 1. Juli 2020 sollen bis zu 17.500 Windkraftanlagen nach einer Ende 2018 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesände­rung nachts nicht mehr dauerblinken, son­dern nur noch bei Bedarf. Allerdings ist frag­lich, ob die Bundesnetzagentur die Frist für die so genannte „bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung“ (BNK) verlängert. Betreiber und Anbieter sind verunsichert.

Auf den knapp gesetzten Stichtag einigte sich die Koalition im vorigen Herbst im Rahmen des Energiesammelgesetzes. Das Ziel: Mit einer ersten schnellen Maßnahme die Akzeptanz von Anwohnern für Windenergieanlagen zu verbessern.

Fristverlängerung durch die BNetzA?

Zurzeit läuft bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) ein „Festlegungsverfahren zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung von Windenergieanlagen nach § 9 Absatz 8 EEG 2017“. 41 Stellungnahmen sind dazu aus der Branche und von Behörden bei der BNetzA eingegangen und auf der Internetseite der BNetzA nachzulesen. Es geht dabei vor allem um die Frage, ob die Branche eine Chance hat, den Stichtag zu schaffen, und ob es dazu eine ausreichende Zahl zugelassener Systeme am Markt gibt. Diese Systeme müssen in der Lage sein, die Beleuchtung von ansonsten verdunkelten Windkraftanlagen in dem Moment zu aktivieren, wenn sich ein Flugobjekt nähert. Ob sie dies verlässlich tun, muss von der Deutschen Flugsicherung Windpark für Windpark per Befliegung mit einem Messflugzeug kontrolliert werden. Allein das ist ein zeitraubendes Verfahren. Und so sorgte jüngst die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) mit ihrer Zahl von 17.500 für Aufmerksamkeit. So viele Windkraftanlagen sind laut den Recherchen von FA-Wind-Experte Jürgen Quentin potenziell von der Nachrüstpflicht betroffen. Dies ist die Zahl aller Anlagen, die über 100 Meter hoch sind und die somit eine Nachtbeleuchtung haben, ohne solche Anlagen, die innerhalb bestimmter Flugsicherheitszonen weiterhin eine Dauerbeleuchtung benötigen. Noch nicht abgezogen sind einige Anlagen, die aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit von der Nachrüstpflicht befreit werden könnten.

Weil dies gar nicht zu schaffen sei, sprechen sich die meisten der 41 Stellungnahmen gegenüber der BNetzA für eine Fristverlängerung um 2-3 Jahre aus. Lediglich zwei Hersteller von Primärradarsystemen wenden sich gegen einen Aufschub des Stichtages.
Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit gibt es zwar derzeit mehr als ein halbes Dutzend konkurrierende BNK-Systeme verschiedener Hersteller. Allerdings entsprechen nur fünf Systeme, die alle nach dem Primärradar-Prinzip arbeiten, den Vorgaben der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen“ (AVV). Laut AVV sind nämlich nur solche BNK-Systeme zugelassen, die „grundsätzlich von der technischen Ausstattung der Luftfahrzeuge unabhängig“ sind. Dies ist bei der konkurrierenden Transpondertechnik nicht der Fall, da hier nur Flugzeuge Alarm auslösen, die über einen Transponder verfügen. Allerdings erwähnt das Energiesammelgesetz ausdrücklich die Transponderlösung als eine der BNK-Möglichkeiten. Auch verweisen die Anbieter der als etwas preisgünstiger geltenden Transpondersysteme wie Lanthan oder Air Avionic darauf, dass laut einer Verordnung (FSAV) alle Luftfahrzeuge, die nachts fliegen, bereits mit einem Transponder ausgestattet sein müssen.
Betreiber im Attentismus

In dieser Situation haben bislang nur einzelne Windparkbetreiber eines der zugelassenen Primärradar-Systeme installiert oder bestellt. Claas Arlt, Geschäftsführer der Projektierungsgesellschaft Dierkshof, die ein eigenes – AVV-zugelassenes – Passivradarsystem entwickelt hat, sagte den Solarthemen auf der Messe Husumwind: „Allein wir könnten im Jahr 2000 Windkraftanlagen ausrüsten.“ Doch statt die Windparkbetreiber zu mobilisieren, habe das Energie­sammelgesetz Attentismus bewirkt, so Arlt: „Die Nachfrage ist schlagartig zusammengebrochen, weil jetzt alle warten, was noch kommt.“ Zwar droht das EEG den Windkraftbetreibern mit einem Wegfall der Vergütung, wenn sie die BNK nicht rechtzeitig installieren, doch mit dem Hinweis auf die Transponderlösung und eine mögliche Fristverlängerung durch die BNetzA animiert es zugleich zum Abwarten.

Jürgen Quentin macht sich deshalb Sorgen, dass die Windkraft durch die BNK-Ankündigung an Akzeptanz verlieren könnte statt zu gewinnen. Denn mit dem Beschluss zur BNK-Pflicht sei eine öffentliche Erwartungshaltung geschaffen worden. Unabhängig davon, ob diese realistisch gewesen sei, würde es aber wohl eher der Branche angelastet als der Politik, wenn die Windparks nicht rechtzeitig verdunkelt würden.

Text: Guido Bröer

Beliebte Artikel

Schließen