Klimapaket: Kritik an Wärmewende im Gebäudesektor

Modernes Gebäude mit Vakummröhrenkollekotren an der Balkonbrüstung.Foto: Viessmann
Ein Preis für CO2-Emissionen ist laut ZEW das wirksamste Instrument, um die Haushalte dazu zu bringen, die Heizung zu erneuern und zum Beispiel mit Solarkollektoren auszustatten.
Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung bemängelt zu wenig Markt und zu viel Ordnungsrecht und Subventionierung bei der Wärmewende im Gebäudesektor.

Der Gebäudesektor ist einer der größten Endenergieverbraucher und Emittenten von Kohlenstoffdioxid in Deutschland. Ein Preis für CO2-Emissionen ist das wirksamste Instrument, um den hohen Schadstoffausstoß in diesem Sektor zu senken. Im Gegenzug könnten Subventionen und ordnungspolitische Vorgaben größtenteils wegfallen. Das derzeitige Klimapaket der Bundesregierung trägt in seiner Verteilungswirkung zur gesellschaftlichen Ungleichheit bei. Dem könnte mit einer Pro-Kopf-Entlastung bei Steuern oder Sozialabgaben begegnet werden, von der vor allem ärmere Haushalte profitieren würden. Zu diesen Ergebnissen kommen Wissenschaftler des ZEW Mannheim und des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Dresden in einem aktuellen ZEW policy brief zur Wärmewende im Gebäudesektor im Klimapaket der Bundesregierung.

Aus Sicht der Umwelt- und Ressourcenökonom ist die Einführung eines nationalen Emissionshandelssystems auf dem Heizmittelmarkt in Deutschland die eigentliche Neuerung des Klimaschutzprogramms für den Gebäudesektor. Einen Preis für klimaschädliche Emissionen zahlen zu müssen, führt dazu, dass Verbraucher die gesellschaftlichen Kosten ihres Heizverhaltens am eigenen Geldbeutel spüren. Es lohnt sich für sie somit, Einsparmaßnahmen zu ergreifen. Das kann bedeuten, dass die Menschen ihre Wohnungen sparsamer beheizen oder ihre Heizung umrüsten. Wenn die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien steigt, entstehen auch Anreize für Unternehmen, eben in diese Technologien zu investieren.

Vorschriften und Subventionen machen den Klimaschutz teuer

Ein weiterer Vorteil des Emissionshandels besteht darin, dass die Politik vorgeben kann, wie viel CO2 insgesamt in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden darf. Die Preise bilden sich dann auf dem Markt über den Handel mit den für Emissionen erforderlichen CO2-Zertifikaten. Allerdings soll eine solche Mengensteuerung nach den Plänen der Bundesregierung frühestens im Jahr 2026 zum Tragen kommen. Zuvor soll ein Festpreis gelten, der schrittweise angehoben wird. Damit entspricht die Wirkung des Emissionshandels für Heizmittel zunächst eher der einer Steuer.

Anstelle einer echten Preisbildung am Markt verfolgt die Bundesregierung mit dem Klimapaket weiterhin hauptsächlich eine Mischung aus Ordnungsrecht und Subventionierung. Nach Ansicht der ZEW- und IÖR-Wissenschaftler macht dies den Klimaschutz unnötig teuer. Fördermittel für umweltfreundliche Technologien sind oft verschwendet, weil viele Eigentümer auch ohne Zuschuss zum Beispiel in ein neues Heizsystem investieren würden. Solche Mitnahmeeffekte belasten den Bundeshaushalt, ohne zu mehr Klimaschutz zu führen.

Auch höhere Standards für die Energieeffizienz von Gebäuden verringern den CO2-Ausstoß nicht immer im gewünschten Umfang: Der sogenannte Rebound-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Haushalte energieeffizientere Wohnungen stärker beheizen. Weil Wärme durch Dämmung und moderne Heiztechnik günstiger wird, steigt der Verbrauch. Ein CO2-Preis hat die entgegengesetzte Wirkung: Höhere Heizkosten machen eine energetische Sanierung für die Eigentümer lukrativ.

Das Klimapaket verstärkt die soziale Ungleichheit

Die von der Bundesregierung geplante Verringerung der EEG-Umlage entlastet Haushalte je nach ihrem Stromverbrauch. Da Haushalte, die mehr verbrauchen, auch mehr entlastet werden, fehlt dabei allerdings der Anreiz zum Energiesparen. „Aus ökonomischer Sicht wäre eine Pro-Kopf-Entlastung über die Steuer sinnvoller, wie es sie zum Beispiel in Dänemark gibt. Auch eine Entlastung über Sozialbeträge nach dem Schweizer Modell ist denkbar“, empfiehlt ZEW-Ökonomin Kathrine von Graevenitz. Die vorgesehene Förderung für Investitionen in Immobilien sieht sie kritisch: „Immobilienbesitz ist in Deutschland sehr ungleich über die Einkommensklassen verteilt. Von der Förderung für Eigentümer profitieren hauptsächlich wohlhabende Haushalte. Die überwiegende Mehrheit der einkommensschwächeren Haushalte wohnt zur Miete und bleibt hier außen vor.“

Das Klimapaket bewirkt bezüglich der Wärmewende im Gebäudesektor also eine gesellschaftliche Umverteilung von unten nach oben. Da ärmere Haushalte einen höheren Anteil ihres Einkommens fürs Heizen ausgeben, sind sie in zweifacher Hinsicht benachteiligt: Einerseits steigen ihre Energiekosten überproportional an, andererseits können sie als Mieter keine Fördermittel beantragen. Zwar erwägt die Bundesregierung eine Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern. Allerdings bedeutet das nicht unbedingt eine Entlastung der Mieterhaushalte, da Immobilienbesitzer Möglichkeiten haben, die Kosten an anderer Stelle wieder aufzuschlagen. Zudem könnte die Anreizwirkung der CO2-Bepreisung unter einer solchen Maßnahme leiden: Wenn sowohl Mieter als auch Vermieter jeweils nur die Hälfte der Kosten tragen, könnte die gewünschte Lenkungswirkung in Richtung Energieeinsparung ausbleiben.

Die Stellungnahme des ZEW zur Wärmewende im Gebäudesektor ist unter diesem Link abrufbar.

8.11.2019 | Quelle: ZEW | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen