Solarthermie-Marktentwicklung: Ein Neustart ist nötig
Sonnenkollektoren stellen mit Wirkungsgraden von 80 Prozent und mehr die Photovoltaikmodule deutlich in den Schatten, denn diese erzielen kaum mehr als 20 Pozent Wirkungsgrad – aber auch nur dann, wenn es sich um teure Hochleistungsmodule handelt. Doch das ist noch keine Garantie für eine erfolgreiche Marktentwicklung der Solarthermie. In der Technikgeschichte gibt es viele Beispiele dafür, dass sich die besten technischen Lösungen nicht durchsetzen konnten. Das könnte auch der Solarthermie passieren.
Seit Jahren schon sinkt der Absatz von Sonnenwärmeanlagen in Deutschland. Auch der Weltmarkt der Sonnenkollektoren schrumpfte zuletzt leicht. Experten rechnen damit, dass die Branche im Jahr 2018 wiederum rund 11 Prozent weniger Sonnenkollektoren verkauft hat als im Jahr davor. Auch Wilfried Grießhaber, Produktmanager des Solarsystemanbieters Paradigma, geht von einem Schrumpfen des Gesamtmarktes aus. Allerdings sieht er die Situation seines Unternehmens deutlich positiver: „Wir werden, was die Kollektorfläche angeht, das Vorjahresniveau mindestens halten. Was den Umsatz angeht, werden wir sogar leicht zulegen“, sagt er.
Wenn man sich in der Branche umhört, dann scheint nicht nur bei Paradigma, sondern auch bei anderen Anbietern, die auf Vakuumröhrenkollektoren setzen, das Jahr 2018 ganz gut gelaufen zu sein. Im Jahr 2017 lag der Anteil der in Deutschland verkauften Vakuumröhrenkollektoren am Gesamtkollektormarkt noch bei 11,5 Prozent, doch man kann davon ausgehen, dass er im Jahr 2018 auf etwa 13 Prozent angestiegen ist.
Der zufrieden stellende Absatz von Vakuumröhren konnte den Gesamtmarkt jedoch nicht beleben und die Verluste bei Flachkollektoren nicht ausgleichen. Auch für das Jahr 2019 fällt die Prognose verhalten aus. „Wir rechnen auch in diesem Jahr mit einem leichten Rückgang der Solarthermie. Es gibt derzeit keine erkennbaren Gründe für eine Trendwende“, berichtet Fabian Schröer, Produktmanager bei Wagner Solar.
Steigender Ölpreis spielt für Marktentwicklung der Solarthermie keine Rolle mehr
An der Politik liegt es nicht, denn an der staatlichen Förderung der Solarthermie gibt es nichts auszusetzen. Dennoch gelingt es schon seit vielen Jahren nicht mehr, den Absatz von Solarwärmeanlagen insbesondere bei der Sanierung von Bestandswohnungen zu steigen. Auch der Ölpreis, der sich zurzeit auf einem relativ hohen Niveau befindet, zeigt keine spürbaren Effekte. Das war in der Vergangenheit ganz anders. Nicht zuletzt das Rekordabsatzjahr 2008 lebte stark von der Befürchtung, dass der Ölpreis in unbezahlbare Regionen steigen könnte.
Doch der Ölpreis ist schon lange kein wichtiges Argument mehr, mit dem man für die Solarthermie werben könnte. Für die meisten Verbraucher ist inzwischen der Gaspreis die relevante Größe geworden, denn die Gasheizungen haben die Ölheizungen weit zurückgedrängt. Ein steigender Ölpreis treibt den erneuerbaren Energien keine Kunden mehr zu. Denn die Preise von Erdöl und Erdgas haben sich weitgehend entkoppelt.
Branche im Teufelskreis
Es fehlen Innovationen, um den Markt zu beleben. „Technische Neuerungen finden wegen des rückläufigem Marktes nur noch marginal statt“, sagt Fabian Schröer. Zum Beispiel könnten Kunststoffkollektoren oder effizientere Wärmespeicher der notwendigen Kostensenkung neue Impulse geben, doch diese Innovationen lassen auf sich warten.
Die Branche steckt in einem Teufelskreis: Ohne nachhaltiges Marktwachstum gibt es keine Innovationen, und ohne Innovationen gibt es keine Kostenreduktion. Ohne spürbare Senkung der Kosten sind aber kaum Marktanteile zu erobern, denn die Solarthermie muss nicht nur mit Wärmepumpen, sondern zunehmend auch mit Photovoltaikanlagen konkurrieren, die aufgrund der chinesischen Massenproduktion immer preisgünstiger werden.
Es besteht die Gefahr, dass die Photovoltaik der Solarthermie in Zukunft noch mehr Konkurrenz macht. Denn in der bereits vorliegenden Berechnungsgrundlage des geplanten Gebäudeenergiegesetzes wird es in Vergleich zur heute geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) für Neubauten neue Anrechnungsmöglichkeiten für Solarstrom geben. „Dadurch könnten Solarwärmeanlagen durch Photovoltaikanlagen substituiert werden“, vermutet Fabian Schröer.
Defizite bestehen seiner Ansicht nach auch in der Außenwirkung: „Das Marketing und die Präsentation der Solarthermie hinkt konkurrierenden Technologien hinterher.“ Wenig hilfreich ist auch, dass sich die öffentliche Diskussion, geprägt durch die politische Agenda, fast ausschließlich mit dem Themen Strom und Mobilität beschäftigt. Wilfried Grießhaber bemängelt in diesem Zusammenhang, dass „das hohe Potenzial der Solarwärme nicht erkannt oder nicht zu Kenntnis genommen wird“, und ergänzt: „Es werden weiterhin briefmarkengroße Alibi-Solarwärmeanlagen propagiert, statt Solarheizungen, die lediglich noch von Zusatzkesseln unterstützt werden.“ Wie solche Häuser aussehen können, die ihren Löwenanteil der Heizenergie von der Sonne gewinnen, zeigen zahlreiche Beispiele, die in diesem Jahrbuch präsentiert werden.
Heizungsbauer sind ausgelastet
Seit Jahren mehren sich die Stimmen, die ein mangelndes Engagement des Handwerks beklagen. Viele Heizungsbauer sind bekanntlich ausgelastet, und deshalb argwöhnen viele Solarthermie-Insider, dass die Handwerker die Solathermie vernachlässigen würden. Denn der Verkauf und die Installation einer Solarthermieanlage macht relativ viel Arbeit, bringt aber weniger Geld ein als ein schickes Badezimmer.
Manchen Heizungsbauern wird sogar unterstellt, sie hätten gar kein Interesse an Solarwärmeanlagen und würden ihren Kunden überteuerte Angebote auf den Tisch legen, damit sie gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, Kollektoren installieren zu müssen. Hinzu kommt, dass viele Solar-Pioniere, die vor 25 oder gar 30 Jahren mit der Installation von Solarwärmeanlagen begonnen haben, allmählich in den Ruhestand gehen. Nachfolger zu finden ist heutzutage generell schwer. Nachfolger, die Solarwärme voranbringen wollen, noch schwerer.
Doch Wilfried Grießhaber warnt davor, dem Handwerk allein die Verantwortung zuzuschieben. Missionare in Sachen Solarwärme sind Handwerker in der Regel nicht und das sei auch nicht ihre Aufgabe. „Handwerker sind Geschäftsleute“, so Grießhaber. Man könne ihnen nicht vorwerfen, sich nur mit den Geschäftsfeldern zu befassen, die sich lohnen und die sich durch eine lebhafte Nachfrage der Endkunden auszeichnen.
Wilfried Grießhaber kritisiert auch das „ständige Gerede von erforderlichen Preissenkungen, wie es in der Solarwärmebranche seit Jahren üblich ist“. Dieses Gerede trüge nicht gerade dazu bei, die Attraktivität der Solarthermie zu steigern. Denn die Margen der Handwerker hängen direkt von den erzielbaren Marktpreisen ab.
Dachflächen sind knappes Gut
Letztlich führt kein Weg daran vorbei, die Verbraucher für die Solarthermie zu begeistern. „Kein Handwerker wird sich weigern, Solarwärme zu verkaufen, wenn interessierte und zahlungskräftige Endkunden ein Solarwärmesystem wollen“, sagt Grießhaber. „Die Endkunden müssen davon überzeugt werden, dass das Erzeugen von Photovoltaikstrom auf dem eigenen Dach keine gute Lösung ist, wenn man nicht zuvor den eigenen Wärmehaushalt durch Solarthermie in Ordnung gebracht hat.“
Denn die Dachfläche sei, entgegen allen weit verbreiteten Auffassungen, ein knappes Gut, das sinnvoll eingesetzt werden müsse. Ein Irrweg sei es, bei der Wärmeversorgung auf Strom und Sektorkopplung zu setzen. „Jeder Wärmeerzeuger, der im Januar und Februar zusätzlichen Strom verbraucht, ist ein Gegner der Energiewende und damit ein fataler Irrtum“, kritisiert Grießhaber den Trend hin zu Wärmepumpen.
Politische Weichenstellung für besser Marktentwicklung der Solarthermie erforderlich
Heute steht das Absatzvolumen der Solarthermie wieder dort, wo es vor 20 Jahren schon einmal stand. Deshalb liegt es auf der Hand, dass ein politischer Aufbruch nötig ist, vergleichbar dem Aufbruch des Jahres 1998, als die rotgrüne Bundesregierung an die Macht kam. Denn sonst dort die Energiewende zu scheitern. Ohne Solarwärme gibt es keine Wärmewende, und ohne Wärmewende und Mobilitätwende gibt es auch keine Energiewende.
Worin könnte der politische Aufbruch bestehen? Eine spezielle Hilfe für die Solarthermie ist laut Wagner Solar nicht nötig. Ein wichtiger erster Schritt wäre es, wenn der Gesetzgeber alle Subventionen für gesundheits- und klimaschädliche Erzeugnisse und Emissionen streichen würde.
Zusätzlich ist die Einführung einer verursachergerechten Abgabe auf diese Emissionen einzuführen bei gleichzeitiger Beibehaltung aktueller Steuern – letzteres ist notwendig, um die jahrelange Bevorteilung konventioneller Technologien auszugleichen“, so Schröer.
Mit zunehmender Effizienz sollten die Abgaben steigen, um einem Reboundeffekt entgegenzuwirken. In einem solchen Szenario könnte der Bund die Förderung der erneuerbaren Energien abbauen. Denn ihre Wirtschaftlichkeit würde sich automatisch verbessern. Vielleicht wäre es aber auch ein erster Schritt, wenn die Bundesregierung überhaupt einmal die Wärme in den Fokus stellen würde. Wenn nicht nur in einer Kohlekommission um die Stromwende gerungen würde, sondern auch in einer Wärmekommission um die Wärmwende. Dann ginge es auch mit der Marktentwicklung der Solarthermie wieder voran.
Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst.