„Die Energiewende ist mit Freiflächen alleine nicht zu schaffen“

Der Encavis-DEO Dierk Paskert sitzt an seinem Büroschreibtisch.Foto: Encavis AG
Dierk Paskert ist Vorstandsvorsitzender der Encavis AG
Weil das Wachstum bei Solar-Freiflächen begrenzt ist, brauchen Betreiber von Solarparks wie die Hamburger Encavis AG Alternativen. Vorstandschef Dierk Paskert erzählt im Gespräch mit dem Solarserver, welche das sind und warum er dem Ende der EEG-Vergütungen mit Spannung entgegensieht.

Herr Paskert, das Klimapaket der Bundesregierung wird zum Dauer-Streitthema. Macht Sie die Unsicherheit nervös?

Paskert: Für uns ist das kein großes Thema, weil wir versuchen, uns von der Politik unabhängig zu machen. Wir konzentrieren uns auf Anlagen, bei denen wir nur noch bilaterale Verträge machen außerhalb der regulierten Tarife.

Sie sprechen die Power Purchase Agreements (PPA) an. Wie günstig können Sie Ihren Solarstrom mittlerweile anbieten?

Paskert: Besonders attraktiv ist das derzeit in Spanien. Dort können wir Solarstrom rund 25 Prozent günstiger produzieren als der Börsenstrom kostet. Und darin ist die Marge schon drin. Wir verkaufen Solarstrom für 3,5 bis 4 Cent je Kilowattstunde.

Setzen sie den kompletten Strom an einen Kunden ab?

Paskert: Nein. Wir haben von unserem ersten Park mit 300 MW Spitzenleistung jetzt rund 75 Prozent für zehn Jahre verkauft. Das sind insgesamt 4,5 Milliarden Kilowattstunden. Die übrigen 25 Prozent, die wir produzieren, setzen wir am Markt ab, und zwar zu einem höheren Preis. Nach den zehn Jahren ist der Kapitaldienst getätigt, der den Großteil der Kosten ausmacht.

Und was passiert danach?

Paskert: Dann wird es spannend, denn die laufenden Kosten sind für den abbezahlten Park sehr niedrig. Die Sonne scheint umsonst. Die Pflege macht wenige Euro pro Megawatt aus. Hinzu kommen die Pacht für die Grundstücke und die verbleibenden Abschreibungen auf die Anlagen.

„Das goldene Ende“

Etwas ähnliches passiert auch in Deutschland, wenn die Anlagen nach zwanzig Jahren Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus der Vergütung fallen. Sitzen sie auf enormen stillen Reserven?

Paskert: Wir nennen dies das goldene Ende. Wir profitieren davon, dass der Schuldendienst, also Zins und Tilgung, nicht mehr anfällt und wir ohne Rohstoffkosten praktisch zu null Kosten Strom produzieren.Etwas Ähnliches gab es auch im klassischen Energiemarkt. Ich war ja Anfang des Jahrtausends für die Eon-Strategie zuständig. Damals war es so, dass die laufenden Atomkraftwerke komplett abgeschrieben waren und zu geringsten Kosten produzierten. So haben die Konzerne viel Geld verdient. Der Effekt ist bei der Photovoltaik ganz ähnlich, wenn auch der Hebel ein anderer sein wird.

Wie lange werden die alten Solaranlagen noch laufen?

Paskert: Auf jeden Fall länger als 20 Jahre. Wir können nicht feststellen, dass die technische Leistungsfähigkeit so abnimmt, dass sie nach Ablauf des EEG keinen Strom mehr produzieren. Wir tun dafür natürlich auch etwas, pflegen unsere Anlagen, ersetzen Module, Wechselrichter, so dass alle Parks voll funktionsfähig sind.

Bei solaren Freiflächenanlagen gibt es eine hohe Nachfrage von institutionellen Anlegern. Drückt die Konkurrenz nicht auf die Rendite?

Paskert: Das kommt weniger von der hohen Nachfrage als von den niedrigen Zinsen und dem billigen Kapital, das in den Markt drängt. So geben sich Investoren mit immer weniger Rendite zufrieden.

Und Encavis?

Paskert: Das bewegt sich zwischen fünf Prozent in Deutschland und acht Prozent in Spanien. Früher wurden diese Renditen aus den üppigen Einspeisevergütungen allein erzielt. Das geht heute nicht mehr. Dafür brauchen Sie ein aktives operatives Management. Die Anlagen müssen optimal laufen und der Strom aktiv vermarktet werden.

„Wir müssen auf die Dächer“

Dennoch: das Angebot an neuen solaren Freiflächen in Deutschland ist begrenzt. Was macht ein Betreiber wie Encavis, der bisher ausschließlich Freiflächenanlagen im Portfolio hat?

Paskert: Die Energiewende ist mit Freiflächen alleine nicht zu schaffen. Langfristig werden wir auf die Dächer müssen.

Sie steigen in das kleinteilige Geschäft mit Aufdach-Solaranlagen ein?

Paskert: Das ist kein Hexenwerk. Wir müssen dieses Geschäft standardisieren und automatisieren, können nicht jede Woche einen Monteur rausschicken. Da ist gutes Management gefragt. Wir würden weniger private Dächer nutzen wollen, sondern zum Beispiel Industriedächer, Logistikhallen oder Shoppingmalls. Da gibt es noch sehr viel Potenzial, auch wenn dieses Marktsegment noch unter Beweis stellen muss, ohne Subventionen auskommen zu können.

Wann geht es los?

Paskert: Das ist noch nicht terminiert. Irgendwann wird man den Sprung wagen. Wir werden das eher über den Aufkauf eines Portfolios beginnen. Und bauen das Geschäft dann aus. Der Ursprung muss dabei nicht in Deutschland liegen.

Über eine Übernahme also?

Paskert: Das wäre ein möglicher Weg. Jemand, der Expertise hat, einen Anlagenbestand und eine Servicemannschaft dafür.

Aus anderer Richtung könnte auch etwas kommen, zum Beispiel ein Übernahmeangebot an die Encavis-Aktionäre durch Finanzinvestoren so wie aktuell beim Windparkentwickler PNE durch Morgan Stanley.

Paskert: Wenn jemand kommt, dann sprechen wir mit dem. Aktuell ist das aber nicht der Fall. Es mag strategische Investoren geben. Wir sind einer der weniger großen Player im Solarstrommarkt. Natürlich wird der eine oder andere überlegen. Das macht uns aber nicht nervös.

„Wir sind derjenige, der andere übernimmt“

Wie sehen Sie denn Ihre Rolle?

Paskert: Nicht als Übernahmekandidat, sondern als derjenige, der andere übernimmt.

Bleiben Sie der Stromproduzent, der Sie sind oder planen Sie einen Einstieg etwa in Speicher und solaren Wasserstoff?

Paskert: Batteriespeicher werden wichtig, um die Anlagen frei zu vermarkten. Es besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen und dem Zubau von Speichern, denn künftig wird Flexibilität vergütet und nicht nur die Kilowattstunde. Alle unseren neuen Parks planen wir entsprechend und holen Genehmigungen ein.. Wasserstoff aus Solar oder Wind ist technisch ebenfalls sehr spannend, aber noch von der Wirtschaftlichkeit entfernt.

2.12.2019 | Autor: Oliver Ristau | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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